RFID kommt – trotz Bedenken

Mit Smart Labels lassen sich viele Abläufe optimieren. Die Chip-bestückten Ettiketten bergen aber auch Gefahren.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/22

     

Ein Lastwagen fährt durch das Firmentor und schon ist seine Ladung auf den Bestand gebucht. Im Supermarkt wird der Einkaufswagen durch eine Schleuse geschoben und sofort der Kassa-Bon ausgedruckt. Mit Smart Labels und der Radiofrequenztechnik für Identifikationszwecke (RFID) lassen sich Rationalisierungspotentiale erschliessen, die weit über die Möglichkeiten der Strichcodierung hinaus gehen.
Smart Labels speichern Informationen, die per Funk aufgebracht und abgelesen werden. Ob dank solch elektronischer Ettiketten der viel beschworene Kühlschrank, der bei Ablauf des Haltbarkeitsdatums automatisch per Funk neue Milch bestellt, Wirklichkeit wird, bleibt abzuwarten. Das Interesse an der RFID-Technologie ist jedenfalls gross.

Transponder Tags

Im Gegensatz zum Strichcode werden bei Smart Labels nicht Hell-Dunkel-Felder abgetastet, sondern elektromagnetische Wechselfelder. Als Datenträger werden sogenannte Transponder eingesetzt. Die zentrale Komponente des als «Tag» oder «Smart Label» bezeichneten Datenträgers ist ein Chip, der Informationen speichert.
Dank der Langlebigkeit und der gegenüber Strichcode-Materialien grösseren Robustheit der Transponder kann ein Produkt über seinen gesamten Lebenszyklus verfolgt werden. Mit manchen Transponderchips lassen sich die Informationen sogar nachträglich aufdatieren.
Passive Tags geben ihre Informationen über eine Antenne ab, sobald der Transponder die vom Interrogator genannten Schreib/Lesegerät ausgestrahlten Radiosignale empfängt. Aktive Transponder sind mit einer Batterie bestückt und senden selber Signale aus. Angestossen wird der Prozess von einer Applikation auf dem Server, wo auch die weitere Verarbeitung der Daten erfolgt.
Die Technologie bietet die Möglichkeit, die Daten aller in einem elektromagnetischen Feld befindlichen Transponder «im Pulk» einzulesen, also die gesamte Ladung eines LKWs oder Gabelstaplers «en passant» zu erfassen. Von der verwendeten Frequenz hängt es ab, wie schnell die Daten eingelesen werden und wie gut die Signale Materialien wie Alu oder Flüssigkeiten durchdringen.

Druck der Industrie

Smart Labels ermöglichen verschiedenste Anwendungen. Im Laden können dem Kunden zum Beispiel Musikstücke von CDs vorgespielt werden, ohne dass die Verpackung geöffnet werden muss. Medikamente lassen sich bis zum Hersteller zurückverfolgen, um auf diese Weise sicherzustellen, dass es sich nicht um Fälschungen handelt. In Deponien könnten gifthaltige Produkte aufgespürt werden.
Der Druck kommt aber vor allem von der Industrie. Kaufhausketten wie Walmart verlangen von ihren Lieferanten bis in einem Jahr die Auszeichnung der Produkte mit Smart Labels. Das US Verteidigungsministerium hält es mit seinen Zulieferern genau so. Bekleidungshersteller Benetton will RFID-Tags in die Kleider einnähen. Texas Instruments hat dafür einen Tag entwickelt, der die chemische Reinigung übersteht.

Datenschutz

Mit den Smart Labels könnte ein Käufer, so wird befürchtet, solange er das Kleidungsstück trägt, identifiziert und unter Umständen sogar ein Bewegungsprofil von ihm erstellt werden. Solche Möglichkeiten haben die Daten- und Konsumentenschützer auf den Plan gerufen. Internationale Bürgerrechts- und Verbraucherschutzorganisationen fordern ein Moratorium, um die Gefahren abzuklären.
In einem Papier empfehlen sie dreierlei: Die Konsequenzen von RFID sollen von einer neutralen Instanz abgeschätzt werden. Geheime Datenbanken sollen verboten sein. Zudem sollen die Händler die Kunden nicht zwingen dürfen, RFID-Etiketten zu akzeptieren.
Hält dieses Papier noch einigermassen die Waage zwischen wirtschaftlichen Interessen und den Rechten des Individuums, so geben sich amerikanische Wissenschaftler der RSA Security Laboratories radikaler: Sie haben einen RFID-Blocker vorgeschlagen, der den Datenaustausch zwischen Smart Tag und dem Lesegerät unterbindet. (fis)

Was ist RFID?

Radiofrequenztechnik für Identifikationszwecke (RFID) basiert auf der Transpondertechnologie (ein Kunstwort aus TRANSmitter, Sender, und resPonder, Empfänger). Die Daten werden über elektromagnetische Wechselfelder berührungslos von einer Schreib-/Leseeinheit auf den
Transponderchip geschrieben bzw. von diesem zurückübertragen.
Vorteile sind mögliches Daten-Update, Pulkerfassung, Resistenz in rauen Umgebungen und die Verknüpfung von Identifikations- mit Warensicherungsfunktionen.
Die relativ hohen Kosten der Transpondertechnologie machen RFID-Systeme allerdings nicht für alle Anwendungen und Produkte gleich attraktiv.
Das aus dem MIT hervorgegangene Auto-ID-Center hat für RFID den elektronischen Produktecode EPC entwickelt, der Hersteller, das Produkt und – analog einer Serien-Nummer – das einzelne Teil erfasst.


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