Versöhnung mit dem Channel

Seine Brötchen will Novell in Zukunft mit Services verdienen. Ein neues Partnerprogramm soll Novell für den Channel wieder attraktiv machen. Die Schweizer reagierten an der Brainshare-Konferenz in Salt Lake City positiv.

Artikel erschienen in IT Reseller 2004/06

   

Im Bild v.l.n.r.: Chris Stone, Novell Vice Chairman of the CEO; Linux-Erfinder Linus Torwalds; Jack Messman Chairman und CEO von Novell
«Kein stinkiges Windows an dieser Brainshare!», schrie Novell-CEO Jack Messman anlässlich seiner Keynote an der Hausmesse Brainshare 2004 in Salt Lake City ins Mikrofon. Die Menge quittierte das Microsoft-Bashing mit Bravo-Rufen und Applaus.
Als schliesslich nach der Präsentation eines Zeichentrickfilmes, in dem die «Lords of the Net» gegen die bösen Verfechter proprietärer Software antraten, Linux-Erfinder Linus Torvalds höchstpersönlich auf der Bühne auftauchte, war die Menge der rund 6000 Zuschauer kaum mehr zu halten.
Der Auftritt von Torvalds, so der Tenor bei den Brainshare-Besuchern, sei ein willkommener Vertrauensbeweis in die von Novell jetzt vollends eingeschlagene Open-Source-Marschrichtung. Quelloffene Software soll demnach die Basis aller zukünftigen Entwicklungen bilden. Mit einem Mix aus freier und proprietärer Software will Novell künftig Geld verdienen – dies wurde an der Brainshare deutlich.

Bye-bye Netware, hello Linux

Wenn auch die Linux-Euphorie von den meisten Teilnehmern geteilt wird, hört man auch kritische Stimmen: Vielen Netzwerktechnikern, die Novell seit teilweise fast 20 Jahren die Stange halten und deren langjährige Kompetenz durch eine eindrückliche Wimpel-Sammlung an der Brust zur Schau getragen wird, ist nicht klar, was mit dem Netzwerkbetriebssystem Netware auf lange Frist geschehen soll.
Bereits dessen Version 7.0 wird nämlich so gebrandet, dass «Netware» im Namen nicht mehr vorkommt: Mit der Bezeichnung Open Enterprise Server 1.0 wird Novell eine Kombination aus Netware 7.0 und dem Suse Linux Enterprise Server 9 auf den Markt bringen, der sowohl den Netware- als auch den Linux-Kernel sowie die aus Netware bekannten Datei- und Druckdienste enthalten wird.
Dadurch, so Messman, wolle man bestehenden Netware-Kunden die Möglichkeit geben, auf Linux zu migrieren. «Geld verdienen werden wir auf alle Fälle nicht mit dem Kernel, sondern mit Diensten, die höher im Software-Stack zu finden sind», sagt Messman zu IT Reseller, um gleich anzufügen: «Wenn wir unsere Legacy kannibalisieren, dann nur selber – eben dadurch, dass wir uns immer höher hinaufbewegen, während an der Basis die Menge an freier Software deutlich zunehmen wird.»

Grosse Schweizer Delegation

Rund 30 Schweizer haben den Weg nach Salt Lake City an die Brainshare gefunden – es sind zumeist Partner und Vertreter von Grosskunden. Beim gemeinsamen Essen wird deutlich, dass Novell in der Tat dringend neue Impulse brauchte: «Mit Netware ging’s nur noch bergab», erzählt ein IT-Mitarbeiter eines grossen Schweizer Unternehmens.
So habe Novell Schweiz kürzlich wichtige Kunden wie die Raiffeisen-Gruppe und die Bank Julius Bär an Microsoft verloren. «Golfplatz-Entscheide» seien dies gewesen, argwöhnen die durchaus loyalen Novell-Kunden, denn schliesslich seien die Microsoft-Produkte nicht billiger und schon gar nicht technisch besser – im Gegenteil.
Durchwegs positiv sind die Reaktionen allerdings bei den Partnern: Die Ankündigung von Partnernet, einem neuen Partnerprogramm, unter dem sich Partner in den vier zentralen Bereichen Linux, Identity Management, Resource Management und Web Services ausbilden und zertifizieren lassen können, stiess auf grosses Interesse.
«Wir müssen jetzt schauen, wie wir uns positionieren, aber Linux-Lösungen sind auf alle Fälle sehr interessant. Man beginnt ganz klar zu spüren, dass um Novell herum wieder etwas geht», sagt Pascal Seiler von Sunny Connection. «Die hier präsentierten Neuigkeiten sind durchwegs interessant, jetzt geht es darum zu schauen, dass man das zusammen mit den Partnern zum fliegen bringen kann», pflichtet Andreas Furrer, Projektleiter bei Comicro-Netsys, bei.

Suse-Chef als Vordenker

Vielleicht ist die jetzt wieder höhere Wertschätzung des Channels mindestens teilweise auch der Verdienst von Richard Seibt, dem Chef der übernommenen Suse Linux: «Das Suse-Partnerprogramm ist sicher der Blueprint für das jetzt angekündigte Partnernet-Programm», sagt er zu IT Reseller. Er habe beim Management in Amerika ganz klar Partner und Allianzen als strategischen und kritischen Erfolgsfaktor Nummer eins definiert.
Nach der für die Partner eher unsicheren Zeit mit der Übernahme des Consulting-Unternehmens Cambridge Technology Partners scheint sich bei Novell jetzt wieder viel mehr Augenmerk als auch schon auf den Channel zu richten: «Wir wollen den Kanal wieder viel stärker einbinden», meinte auch Messman an seiner Keynote.
Auch Seibt betont, dass die «neue Novell» mit Suse eine Fülle von Möglichkeiten für die Partner biete. Zum neu entflammten Partner-Commitment wird letztlich auch die Tatsache beigetragen haben, dass die Übernahme von Suse Linux Novell auf einen Schlag 560 neue Partner beschert hat.
Partnernet soll in den europäischen Ländern in den kommenden Wochen und Monaten implementiert werden.
Wenn auch die Reaktionen der aus der Schweiz angereisten Partner generell positiv sind, so ist doch die Skepsis nicht zu überhören: «Das Problem ist eigentlich bloss, dass man als langjähriger Novell-Partner mit viel Senior-Erfahrung alle paar Jahre wieder von neuen Mitarbeitern zu hören bekommt, dass jetzt alles besser werde», meint ein Schweizer hinter vorgehaltener Hand.
Doch eines teilen hier alle: Die Hoffnung, dass mit dem Business Modell Open Source, dass ja gerade auf Maintenance und Support setzt, die Trendwende eingeleitet ist. (bor)


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Aus welcher Stadt stammten die Bremer Stadtmusikanten?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER