Labelitis


Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/18

     

Die Schweiz ist im Gütesiegel- und Award-Fieber. Kein IT- oder CE-Bereich, der nicht seine Besten kürt, zertifiziert, was das Zeug hält oder Gütesiegel verteilt. Es herrscht Labelitis. Denn Ordnung muss sein.
Hier ein Gütesiegel für den guten Online-Anbieter, dort ein Gütesiegel gegen dubiose Geschäftemacher. Kompatibilitätssiegel für Software, Zertifizierung für IT-Personal-Verleiher, Awards für Webdienstleister, Hersteller, Händler, Distis... Kürzlich schlug man uns sogar vor, uns einer Fachzeitschriften-Zertifizierung für das sogenannte «Q-Siegel» zu unterziehen. Gegen ein «kleines» Entgelt versteht sich. Wir haben den
Q-uatsch dankend abgelehnt.
Auch TV-Hersteller schmücken sich neuerdings mit dem «HD-ready»-Gütesiegel, teilweise sogar, wenn sie die technischen Voraussetzungen fürs High-Definition-TV gar nicht erfüllen. Das ist Betrug am Konsumenten, aber der blickt ja in der Regel sowieso nicht durch. Hauptsache, die Ware verkauft sich.
Wer auf Webseite und Waren keine Gütesiegel blinken oder kleben hat und wessen Dienstleistungen nicht mit irgendeinem Award ausgezeichnet wurden, hat schon verloren, scheint es. Doch stehen diese Auszeichnungen wirklich für so aussergewöhnliche Leistungen? Und ist das Angebot der Unbesiegelten zwangsläufig schlechter? Wer überwacht eigentlich die Wächter? Wer überprüft, was oder ob das Label überhaupt etwas wert ist? Niemand.
Im grossen und ganzen geht’s mal wieder ums Geld. Wer sich testen, überwachen und besiegeln lässt, zahlt dies – und nicht zu knapp. Für das jüngste Gütesiegel für Hosting-Anbieter «Swiss Quality Hosting» verlangt der IT-Verband Simsa beispielsweise 1200 Franken Gebühr pro Vertragsjahr. Für so einen Betrag lässt sich gut und gern ein bisschen Qualität erkaufen.
Firmen investieren viel Geld und Zeit, um sich zertifizieren zu lassen – dem Kunden ist das relativ Wurst, er schaut in erster Linie aufs beste Preis-Leistungs-Verhältnis, Siegel hin oder her.


Susann Klossek
Redaktorin


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