«Kann ein IT-Distributor in der Schweiz überhaupt überleben?» Mit dieser ketzerischen Frage begann Claudio Cisullo, Präsident und VR-Delegierter von
Panatronic, seine Keynote anlässlich der Verleihung der IT Reseller Disti-Awards. Man könne die Frage als bösartige Provokation auslegen, meinte Cisullo, aber: «Die Frage ist vielleicht berechtigter als viele wahrhaben wollen!» Obwohl in der Schweiz pro Kopf am meisten Geld für Informatik und Telekommunikation ausgegeben werde sei die Wahrnehmung eine ganz andere. «Wer weiss schon, dass ICT mehr zum Bruttoinlandprodukt beiträgt als die Landwirtschaft? Unsere Branche hat keine offiziellen Vertreter in Bern.» Ob die kürzlich gestartete E-Power-
Initiative viel mehr Schwung in diese unbefriedigende Situation bringen werde, müsse man erst abwarten.
7,7 Prozent des Bruttoinlandproduktes würden die Schweizer für ICT ausgeben und damit liege die Schweiz 1,4 Prozentpunkte über dem Wert in Mitteleuropa. «Dieses Jahr werden die ICT-Aufwendungen erstmals die 20-Milliarden-Euro-Grenze überschreiten.» Obwohl die Prozessorindustrie dem nutzlosen Gigahertz-Rennen bei den PCs den Regel geschoben hätte, sei Leistung nach wie vor ein Gesprächsthema. «Erstaunlicherweise zahlen wir aber in der Schweiz für Leistung – mit einigen Ausnahmen – einen viel geringeren Preis als in den umliegenden Ländern», gab Cisullo zu bedenken.
Weil aber die Schweiz zu den Spitzenreitern in Sachen Penetration von IT-Equipment zähle, würden sich Anbieter nur noch auf einen Ersatz- bzw. Verdrängungskampf abstützen: «Deshalb betreiben viele internationale Brand-Hersteller einen unerbittlichen und ruinösen Preiskampf!» Cisullo fragt sich weiter, ob diese Hersteller eine Quersubvention der Schweizer-Preise mit Ländern wie zum Beispiel Bulgarien und Rumänien machen, wo das Wachstum um ein vielfaches höher ist als in der Schweiz. «Zum Glück verkaufen die Distributoren nicht nur Desktops und Notebooks, sonst könnten sie den Laden schon längst dicht machen!»
Auch die Ideen des Branchenleaders
Dell, der mit einem Nullmargenangebot mit Aussichten auf margenträchtige Nachfolge- und Zusatzgeschäfte locken wolle, helfe da nicht weiter. «Wenn ein Kunde den Tiefstpreis erst einmal akzeptiert hat, wird er für die weiteren Lieferungen sicher nie einen um die Handelsmarge erhöhten Preis akzeptieren», mahnt der Panatronic-Chef. «Man hört von den Distributoren im PC-Geschäft von weit überrissenen 1,8 Prozent Durchschnittsmarge munkeln, wenn man ehrlich ist, reicht das doch gerade noch, um die Entsorgungskosten für das Verpackungsmaterial zu decken!» Schliesslich verwies er auf die diversen Skandale der vergangenen Monate und mahnte: «Was wir uns auf keinen Fall erlauben können, ist eine negative Presse!»
Cisullo schloss seine Rede mit der Frage, ob die Schweiz überdistributiert sei. Es werde sich zeigen, wie viele Distributoren in der Schweiz eine Daseinsberechtigung hätten. Cisullos Schlussvotum: «Unsere Branche ist auf dem Weg, eine ganz normale Industrie zu werden. Kämpfen Sie und entwickeln Sie eine entsprechende Dienstleistungskompetenz in Ihrem Markt.» (mh)