Es ist eine neue Unternehmergeneration, der Marco Marchesi angehört. Mit seinen 34 Jahren geht er ohne weiteres als Jungunternehmer durch. Die Tatsache, dass er mit seiner Firma Ispin bereits seit 1999 und demnach seit sieben Jahren tätig ist, macht ihn beinahe zum alten Hasen. Dass er einmal eine eigene Firma haben würde, war für Marchesi schon früh in jungen Jahren klar. Den Einstieg in die Berufswelt vollzog er bei der Metalli in Winterthur, danach ging es ab ins Militär und später ans Tech in Rapperswil. Dort gehörte Peter Heinzmann zu seinen Professoren. Der Mann, der ab und an mit Internet-Vergleichstests im Kassensturz am Schweizer Fernsehen von sich reden macht.
Heute begegnen sich die beiden Männer wieder. Allerdings nicht mehr in der Rollenverteilung Professor und Student. Heinzmann hat Marchesi eingeladen, an der Fachhochschule Rapperswil zu unterrichten. Er soll den Studenten die Praxis näher bringen und quasi aus dem Nähkästchen des CEOs einer Schweizer Informationssicherheits-Firma plaudern.
Plaudern? Im Gespräch ist Marchesi sehr zurückhaltend, wählt seine Worte mit Bedacht und wagt sich nicht auf die Äste hinaus. (De-)Formation Professionelle kann man sagen. Das Geschäft mit der Sicherheit steht und fällt mit der Vertrauensbasis zwischen Anbieter und Kunde. Deshalb stelle Ispin beispielsweise keine Freelancer an, erklärt Marchesi.
«Da kracht es auch einmal»
Der zurückhaltende Auftritt von Marchesi scheint allerdings zu trügen: An Kadersitzungen könne es laut werden. «Da kracht es auch einmal», sagt Marchesi. Es gehe aber immer um die Sache, und am Schluss einer solchen Sitzung werde auch die Wandtafel oder besser das Flipboard wieder geputzt, erzählt er.
Angesprochen auf seinen Führungsstil verweist Marchesi auf seine sportliche Vergangenheit. «Ich habe 25 Jahre Hockey gespielt.» Für den Erfolg brauche es gute Spieler auf allen Positionen: im Angriff, in der Verteidigung, im Tor, im Spielaufbau.
Das Zusammenspiel mit den Mitarbeitern ist ihm wichtig, der gemeinsame Nenner ist das Firmenleitbild: «Das war eines der ersten Papiere, das wir vor der Firmengründung entwickelten.» Bei der Gründung waren sie zu viert, allesamt Mitarbeitende beim vormaligen Arbeitgeber von Marchesi. Sie witterten Potential im Security-Bereich und wagten den Schritt in die Selbständigkeit. Heute sind neben Marchesi Stefan Näpflin als Head Consulting & Projects, Ruben Starkovski, Senior Security Engineer, und Angela Sudan, Managing Assistant, die als Partner am Unternehmen beteiligt sind.
Angela Sudan ist für Marchesi wichtig, wenn es darum geht, einen neuen passenden Spieler ins Team zu nehmen. «Das ist der Frauenfilter», lacht Marchesi und gesteht, dass er jeweils beeindruckt sei, wie stark man sich auf die weibliche Intuition verlassen könne. Entsprechend sei auch die Fluktuationsrate gering bei Ispin.
Internationale Ambitionen
Das Geschäft mit Informationssicherheit habe sich über all die Jahre nicht dramatisch verändert, sagt Marchesi. «Wir haben schon 1999 gesagt, dass der Faktor Mensch vernachlässigt werde.» Damals habe man jedoch in der Branche mehr geschrieben als tatsächlich umgesetzt. Aber: Damals wie heute gilt, dass ein Drittel der Informationssicherheit mit dem Faktor Mensch steht und fällt. Deshalb sei es wichtig, «eine lebbare und pflegbare» Sicherheits-Infrastruktur zu bauen. «Der Mitarbeiter muss selbst überzeugt sein, den Beitrag zur Sicherheit leisten zu wollen.»
Und dann vergleicht er die Informationssicherheit mit dem Bergsteigen. Der Kunde müsse letztlich entscheiden, welches Risiko er in Kauf nehmen wolle – und auch könne. «Risiko-Appetit» lautet das Stichwort.
Seine Sicht auf den Schweizer Informationssicherheits-Markt ist ambivalent. Einerseits ist Marchesi der Meinung, dass gerade hierzulande alle entscheidenden Faktoren wie Know-how, Zuverlässigkeit und Pflichtbewusstsein für erfolgreiche Informationssicherheits-Unternehmen vohanden seien. Andererseits kann er kaum glauben, dass es bis jetzt noch nicht gelungen ist, eine Schweizer Informationssicherheits-Firma aufzubauen, die international erfolgreich tätig ist. «Wir sind alle noch viel zu stark verzettelt», sagt Marchesi.
Es gebe viele Firmen, die Sicherheit «einfach auch noch» anbieten. Das habe damit zu tun, dass Informationssicherheit derzeit ein Hype-Thema sei. Bei solchen Anbietern würden die Kunden aber oft auflaufen, da schliesslich eben doch zu wenig Know-how vorhanden sei. Und so kämen die Kunden danach zu Ispin oder einem anderen Spezialisten. Dann müsse jeweils zuerst einmal aufgeräumt werden, erzählt Marchesi.
Immer wieder ist Marchesi mit Kunden konfrontiert, bei denen soeben ein sicherheitsrelevanter Vorfall passiert ist. Häufig sind auch Fälle von Industriespionage. Etwa jener, als der externe Projektmitarbeitende eines Kunden den fertig programmierten Softwarecode mitnahm und in eigener Sache auf den Markt brachte. Und dann gebe es noch einen anderen, weit spektakuläreren Fall, schmunzelt Marchesi. «Aber nein, darüber kann ich nichts erzählen zum Schutz des Kunden.» (map)
Marco Marchesi
Ispin-CEO Marco Marchesi hat sich mit Informationssicherheit beschäftigt, als das Thema noch weit davon entfernt war, ein Hype zu sein. Nach seiner Lehre bei der Metalli in Winterthur war er bei seinem ersten Arbeitgeber Avatech an der Entwicklung eines Zutrittssystems beteiligt. Das war 1993. Nach Militärdienst, Technikum und weiterer Berufserfahrung folgte 1999 der Schritt in die Selbständigkeit. Marchesi gründete zusammen mit vier weiteren Mitarbeitenden der Firma Conexus das auf Informationssicherheit spezialisierte Unternehmen Ispin.
Viel Freizeit bleibt dem 34jährigen nicht. Wenn immer möglich verbringt er diese Zeit mit seinem Sohn. «Ich lebe in einer Patchwork-Familie», sagt Marchesi.
Ab und an geht er ins Kino, besucht auch mal die Oper oder geht mit Kollegen auf ein Glas. Er philosophiert gerne. Die Bücher des indischen Denkers Jiddu Krishnamurti haben es ihm angetan. Er bezeichnet sich selbst als Schnelldenker, der Leute mitziehen und motivieren kann. «Ab und zu bin ich für manche vielleicht zu schnell, und wenn ich von etwas überzeugt bin, bin ich stur», sagt er, der in seinem Sternzeichen Jungfrau und im Aszendent Widder ist.
Drei Dinge für die einsame Insel:
«Meine Patchwork-Familie»
«Die wichtigsten Freunde»
«Ein Kübelchen Gesundheit»