Als junger Key Account Manager ist mir eine Geschichte widerfahren, die mit einem Telefonat an ein damaliges Direktionsmitglied eines Schweizer Bankinstitutes und dem heutigen Chief Investment Officer eines international bekannten Versicherungskonzerns begann: «Ich würde Sie gerne persönlich kennen lernen, damit ich Ihnen unsere Dienstleistung vorstellen kann. Sollte das, was ich Ihnen im persönlichen Gespräch zu erzählen habe, für Sie nicht von Bedeutung sein, können Sie mich nach fünf Minuten eigenhändig wieder aus dem Büro werfen!» Am anderen Ende hörte man ein kurzes Lachen. «Na dann kommen Sie mal vorbei und zeigen Sie mir, was Sie anzubieten haben!»
Ein paar Tage später sass ich tatsächlich bei ihm im Büro. Im Laufe des Gespräches kamen wir zufälligerweise auf Asien zu sprechen, und er erzählte mir, dass er lange Jahre dort gelebt habe. «Was für ein Zufall!», meinte ich: «Ich habe auch einige Jahre in Asien gelebt, und meine Frau ist gebürtige Koreanerin.» «Ach nein», erwiderte er sichtlich erfreut, «Ihre Frau kommt aus Korea? Meine nämlich auch!» Und so begannen wir auf einmal über koreanisches Essen und herrschsüchtige Schwiegermütter zu sprechen. Am Ende verabschiedeten wir uns mit ein paar koreanischen Wortfetzen, und er versprach mir noch, dass er mich gerne bei seinen anderen Direktionskollegen weiterempfehlen würde.
Der Mensch im Zentrum
Diese Erfahrung war für mich als junger Verkäufer eine Lektion, die ich mir einprägte: Gleichgültig mit wem du sprichst: Es ist letztlich immer ein Mensch, der mit einem anderen Menschen zuerst eine Beziehung aufbauen muss, bevor man überhaupt daran denken kann, sein Produkt verkaufen zu können. Ich gebe unumwunden zu, dass auch ich früher grossen Respekt vor Meetings mit so genannt «hohen Tieren» hatte. Ich dachte vor den Gesprächen oftmals: Warum soll der sich denn die Zeit für mich nehmen?
In den allermeisten Fällen war aber meine Angst völlig unbegründet, waren es doch gerade diese Topmanager, die im persönlichen Gespräch oftmals am aufgeschlossensten und angenehmsten reagierten.
An der Spitze wird entschieden
Der moderne IT-Lösungsverkauf ist geprägt von langen Verkaufszyklen, hohen Investitionskosten für den Kunden sowie einer Vielzahl von Personen, die bei der Entscheidungsfindung direkt oder indirekt mitbeteiligt sind. Entschieden wird dann aber meistens durch die Geschäftsleitung des Unternehmens, welche die endgültige Entscheidungsgewalt hat. Die richtige Positionierung des Produktes bei diesen Entscheidungsträgern ist darum von strategisch grösster Bedeutung.
Die Realität sieht allerdings häufig ganz anders aus: Viele Verkäufer verbringen einen Grossteil ihrer Verkaufszeit nicht mit Anrufen bei den Entscheidern, sondern verlegen ihre Verkaufsaktivitäten lieber auf die unteren Chargen eines Unternehmens.Zu diesem Schluss kommt auch David A. Peoples, der Autor des Buches «Selling to the top». Er schreibt, dass Verkäufer nur rund fünf Prozent ihrer Zeit für das Vorsprechen, Vorbereiten und Nachfassen von Terminen auf Topmanagement-Level verwenden. Siehe dazu auch die Grafik «Positionierung beim Kunden».
An dieser Stelle deshalb einige Tips, wie Sie sich bei Entscheidungsträgern bei Ihren Kunden positionieren und damit die Wahrscheinlichkeit des Verkaufserfolges erhöhen können:
¦ What's Your Story?
Geschäftsleitungsmitglieder haben oftmals einen dichtgedrängten Terminkalender. Überlegen Sie sich deshalb, bevor Sie den Erstkontakt initialisieren: Wie bekomme ich sofort die Aufmerksamkeit? Wenn Sie beispielsweise ein Treffen mit einem CFO planen, so wird er Ihnen sicherlich mit grossem Interesse zuhören, wenn Sie ihm Möglichkeiten aufzeigen, wie er seine Kosten senken kann.
¦ Das Kundenumfeld verstehen
Sales Manager beklagen sich bei mir immer wieder, dass ihre Verkaufsmitarbeiter zuwenig auf das eigentliche Verkaufsgespräch vorbereitet seien. «Die fahren einfach mal zum Kunden, machen ihren Bauchladen auf und fragen: «Was darf's denn heute bitte schön sein?», hat es neulich ein Verkaufsleiter auf den Punkt gebracht.
Wer die elementarsten Fragen wie Anzahl Mitarbeiter des Unternehmens, Jahresumsatz, Trends und Prognosen im Markt des Kunden nicht kennt, wird nicht ernst genommen, egal wie gut sein Produkt auch sein mag.
¦ Keine Angst vor Topshots
Reden Sie auch mit einem Unternehmensleiter auf gleicher Augenhöhe, und verfallen Sie nicht in eine devote, unterwürfige Haltung: Wenn Sie Ihr Produkt und das Umfeld Ihres Kunden verstehen, so gibt es absolut keinen Grund, sich zu verstecken! Im Gegenteil: Sie können der Firma mit Ihrem Produkt womöglich helfen, Kosten einzusparen oder bestehende Prozesse zu optimieren.
Unter der Dusche sind alle gleich
Meine persönliche Erfahrung zeigt, dass gerade Geschäftsleitungsmitglieder auf konstruktiv formulierte Einwände und Fragen sehr offen und interessiert reagieren und sich daraus im Laufe der Zeit häufig eine positive Geschäftsbeziehung entwickelt.
Ein Beispiel: Ein ehemaliger Verkaufskollege hat sich in einem der besten Tennisclubs Zürichs eingetragen. Er hatte keine Angst vor «hohen Tieren» und hat ebenfalls erkannt, dass eine Geschäftsbeziehung vor allem auf einer persönlichen Beziehung basiert. Als er nach einem Tennismatch zurück ins Büro kam, meinte er auf meine Frage, warum er denn mit diesen Leuten Tennis spiele: «Wenn ich mal mit jemandem nackt unter der Dusche gestanden habe, gibt es auch in geschäftlicher Hinsicht nichts mehr zu verbergen.» (Markus Schefer)
Der Autor
Markus Schefer (38) verfügt über langjährige Vertriebserfahrung im In- und Ausland und war bei namhaften Unternehmen wie
IBM oder Reuters im Verkauf tätig. Heute ist er selbständiger Personal- und Unternehmensberater und Dozent an der Fachhochschule beider Basel für das Fach Key Account Management. www.scheferpersonal.ch markus@scheferpersonal.ch