Die Schweizer ERP-Branche boomt. Und wie. In einer von IT Reseller durchgeführten Umfrage, an der sich 34 Hersteller- und Herstellerpartnerfirmen beteiligt haben, gaben nur 5 zur Antwort, dass sich ihr Umsatz im letzten Jahr negativ entwickelt hat. 3 der 34 haben gleich viel erwirtschaftet und ganze 26 der 34, also 76 Prozent der Befragten, gaben an, im 2006 mehr eingenommen zu haben als 2005 (Details siehe Kasten). Für das laufende Jahr sieht die Prognose noch etwas besser aus: nur gerade 3 der 34 Firmen rechnen mit weniger Umsatz. 10 sagen bis 10 Prozent mehr, 15 zwischen 11 und 20 Prozent mehr und 6 gar mehr als 20 Prozent mehr Umsatz für 2007 voraus.
Das grösste Entwicklungspotential orten die Befragten in Handel, Industrie und Gewerbe mit 26, 20 respektive 12 Prozent der Antworten (s. Kasten oben).
Die Bedeutung von neuen Technologien und Standards
So einig sich Anbieter und deren Channelpartner (Berater, Projektpartner usw.) in der Beurteilung der allgemeinen Marktlage sind, so unterschiedlich die Auffassungen zur Beurteilung anderer Aspekte des ERP-Marktes. Auf unsere Frage, welche Rolle die technische Weiterentwicklung der Produkte und neue Technologien und Standards beim Kaufentscheid bei Endkunden spielen, antworten die beiden Gruppen komplett unterschiedlich. Erwartungsgemäss messen Hersteller dieser Frage viel grössere Bedeutung zu als reine Dienstleistungsanbieter, die eine weniger marketing- dafür eher praxisorientierte Sicht der Dinge an den Tag legen. «Funktionen und ein gutes Preis-Leistungs-erhältnis sowie Vertrauen zum Lieferanten sind wichtiger», meint etwa Paul Forster von Pro Data Service. Stellvertretend für viele Consultingfirmen sei hier noch Hugo Schmid von All Consulting erwähnt: «Wichtiger als die technische Weiterentwicklung ist eine kundenfreundliche Lösung.» Schmid ergänzt aber, dass im Hinblick auf die zukünftige Wartbarkeit der Programme der technischen Entwicklung «grosse Aufmerksamkeit» geschenkt werden müsse.
Damit kommt Schmid immerhin teilweise der bei Herstellern viel wichtiger eingestuften Beurteilung der Technologien und Standards entgegen. «Die Beschaffung einer ERP-Lösung ist für jedes Unternehmen eine Investition in die eigene Zukunft. Deshalb prüft es in der Regel genau, ob die gewählte Lösung zukunftssicher ist», sagt etwa Ralph Stuck, Geschäftsführer von Europa3000. Ähnlich tönt es bei Bison, dem grossen Bruder von Europa3000. Peter Herzog, Leiter Produktmarketing bei Bison Schweiz: «Um zukünftigen Herausforderungen standzuhalten (...) benötigt ein Unternehmen differenzierte Prozesse und einen hohen Integrationsgrad auf der Wertschöpfungskette.» Neue Technologien und Standards würden eine optimierte Unterstützung der Prozesse durch die IT und eine nahtlose Integration ermöglichen, so Herzog weiter.
Thomas Köberl, Geschäftsleitungsmitglied bei
Abacus Research, sieht neue Technologien dann von entscheidender Bedeutung, wenn Unternehmen zum Einsatz «quasi gezwungen» würden. Als Beispiel nennt Köberl den elektronischen Datentausch und der neue Lohnausweis.
Marc Ziegler, Marketingleiter bei
Sage Schweiz, äussert eine Ansicht, die wohl der Erfahrung der an der Umfrage teilnehmenden Berater am nächsten kommt und die wohl auch die Sicht der Sage-Konzerns, der auf der ganzen Welt diverse lokale, langjährige und alteingesessene Marktteilnehmer einverleibt hat, insgesamt widerspiegelt: «Technische Weiterentwicklungen spielen im K-Markt meist eine massiv kleinere Rolle als im M-Markt.» Oder wie es François Berger von Lobs Informatik treffend zusammenfasst: «Je grösser der Kunde, desto wichtiger die technologische Entwicklung und Zukunftssicherheit.»
Zum Schluss sei noch erwähnt, wie die beiden Befragungsgruppen, Hersteller und Berater, das Thema Konsolidierung im ERP-Markt beurteilen. Man ahnt es, hier herrscht Einigkeit. Bis auf einen sagen alle Befragten eine weitere Bereinigung bei den lokalen ERP-Herstellern voraus. (mh)