Kümins grosse Pläne

«Die anstehenden Aufgaben sind so spannend, dass ich auch nach der Übernahme durch Net.tv nicht darauf verzichten möchte», sagt Roland Kümin, der vergangenen Juli seine Incite Media zwei Jahre nach der Gründung bereits verkauft hat. Denn Kümin ist innerhalb der Mutterfirma mit dem zungenbrecherischen Namen Netnetnet.tv (kurz Net.tv) für das Europageschäft verantwortlich, und da sich die in Genf domizilierte Investmentfirma, die hinter Net.tv steht, von In-Store-Marketing ein äusserst lukratives und schnell wachsendes Geschäft erhofft, fühlt sich Kümin entsprechend her­ausgefordert, die Firma in grössere Gefilde zu hieven, selbst wenn er sich nicht hätte verpflichten müssen, für zwei Jahre im Unternehmen zu verbleiben. Er habe sogar dafür gekämpft, die Firma zu internationalisieren, sagt Kümin im Gespräch mit IT Reseller. Denn: «Die Schweiz ist als Heimmarkt zu klein für dieses Geschäft.»

Es geht nur international

Net.tv orientiert sich an seinem chine­sischen Vorbild Focus Media, die in den USA mit vier Milliarden Dollar an der Börse kapitalisiert ist. Konkret geht es um digitale Werbung in Verkaufslokalen, also meist um TV-mässig aufbearbeitete Werbekampagnen von grossen Marken, die gezielt und nicht selten mit emotionalen Inhalten ihr Zielpublikum berühren wollen. Dieses Geschäft wird, davon geht man aus, in der Zukunft im grossen Stil mit überregionalen und weltweiten Kampagnen abgewickelt werden, wozu eine internationale Konsolidierung Voraussetzung ist.
Kümins Incite Media wiederum, die in absehbarer Zeit umfirmiert wird, hat Net.tv vor allem aus einem Grund gekauft. Kümin hat nämlich wenige Monate vor dem Verkauf einen cleveren Schachzug gemacht: Er übernahm die Software-Firma Computer Oil ­inklusive deren Software für Digital Asset Management (DAM), die die ­Basis für die Verbreitung von TV-Werbung auf Bildschirmnetze darstellt. Diese soll als Herzstück des «Digital Signage Hub» dienen, der die für Werbekunden in diesem Gebiet erforderlichen Werkzeuge wie Reporting, Analyse, Provisionierung, Verrechnung, Media-Planung, Screen-Management usw. durch Weiterentwicklung der Software und durch neue Firmenübernahmen anbieten kann. Nur mit einer entsprechenden Technologie also kann Net.tv in die ganz grosse Liga aufsteigen, um internationale Kampagnen überhaupt verarbeiten zu können.

Respektable Erfolge, grosse Ziele

Doch vorerst bäckt Kümin noch nicht die ganz grossen Brötchen, auch wenn sich seine Erfolge durchaus sehen lassen: So konnte er nach einem Pilotprojekt für das Mode-Label Esprit den Kuoni-Flagship-Store in Zürich mit Bildschirmen ausstatten, ebenso 32 Sunrise-Läden, die er mit digitaler Aufbereitung der Werbung bedient und betreibt, für ein nicht genannt wollendes Schweizer Finanzinstitut ist ein Zwei-Millionen-Franken-Projekt zugesagt und eben wurde ein Vertrag mit den SBB-Reisebüros für eine Testinstallation eines multime­dialen Kundenkontakt-Centers abgeschlossen. Wenn alles gut geht, soll das System auf die 200 Reisebüros der Schweizerischen Bundesbahnen ausgerollt werden.
Das Konzept sieht vor, dass Passanten über in Schaufenstern plazierten Displays auf Angebote aufmerksam gemacht werden und sich dann im Laden an einem ebenfalls mit einem Bildschirm ausgestatteten Tisch informieren oder beraten lassen. «Durch die Nutzung neuer, interaktiver Technologien wollen wir unseren Kunden zusätzliche, attraktive Informationsmöglichkeiten bieten», sagt dazu Christine Ziegler von der Geschäftsführung Touroperating.
Man darf gespannt sein, wie sich die 35köpfige Firma entwickeln wird. Wie Kümin sagt, ist man derzeit in Frankreich, Italien und Spanien in Verhandlungen für weitere Übernahmen. Bis Ende nächsten Jahres soll Net.tv rund 200 Mitarbeitende beschäftigen und in Europa mindestens 10’000, weltweit gar 60’000 Bildschirme betreiben. Dass seit Anfang Monat Ignacio Aguilera bei Kümin arbeitet, dürfte dem Erfolg sicherlich nicht abträglich sein. Der Mann war bisher beim Zigaretten-Multi Camel als weltweiter Kommunikations-Direktor tätig. (mh)