Die Lenzburger Software-Schmiede
Finnova rüstet sich für die Zeit nach Plattformerneuerungen bei kleineren und mittleren Retailbanken in der Schweiz. Dabei steht Deutschland zuoberst auf der Liste betreffend Ausland-Expansionen, schliesslich ist der deutsche Systemintegrator MSG Systems mit rund 20 Prozent der Finnova-Anteile einer der grössten Eigner des Unternehmens.
«Grossbanken», da macht sich Finnova-Chef Charlie Matter keine Illusionen, «werden nie zu unseren Kunden gehören.» Trotzdem versucht Finnova seine Zielgruppe zu vergrössern, indem die Lösung für Dritthersteller geöffnet und so im Einsatz flexibler wird. Das Schlagwort heisst Soa.
Soa als Grundlage für BPO
«Für
Finnova ist Soa ein Gedankengut und beschränkt sich nicht wie bei anderen lediglich auf gewisse Webservices», sagt Finnova CTO Peter Stalder anlässlich eines Treffens mit Journalisten. Bis heute hat das Unternehmen deshalb rund 20 Schnittstellen-Vereinbarungen mit Drittanbietern geschlossen, weitere sollen noch folgen.
«Unter Soa verstehen wir eine Architektur, die Schnittstellen für die integration verschiedenster Services bietet», präzisiert Stalder. Das ermögliche nicht nur eine bessere Integration der Lösung in individuelle Umgebungen, sondern vereinfache auch das insbesondere bei Banken zunehmend an Bedeutung gewinnende Business Process Outsourcing (BPO), also die Auslagerung von kompletten Geschäftsprozessen an externe Dienstleister. Diesbezüglich stehen bei Banken insbesondere der Zahlungsverkehr, die Börse und die Pflege des Valorenstammes im Mittelpunkt.
Offenheit vereinfacht Markteintritt
In einer einfacher individualisierbaren Gesamtbankenlösung sieht
Finnova denn auch das grösste Erfolgspotential für die Zukunft, sei es in Deutschland oder der Schweiz. Je grösser eine Bank wird, desto grösser werden auch ihre individuellen Bedürfnisse, hält Stalder fest. Diesbezügliche Erfahrungen konnte Finnova mit dem Gewinn des Auftrages für eine neue Lösung für die Migros Bank sammeln. In Zusammenarbeit mit der Migros Bank und dem indischen Dienstleister Polaris wurde deshalb innerhalb von vier Monaten ein «Software Development Kit» entwickelt. Dazu seien rund 20 indische IT-Spezialisten in Lenzburg ausgebildet worden. Dies geschah auf Wunsch des grossen Finnova-Kunden, der schon länger Geschäftsbeziehungen mit Polaris unterhält und nun in Indien funktionale Erweiterungen programmieren lässt.
«Ein gewisser Kannibalisierungseffekt lässt sich nicht abstreiten», gibt Matter unumwunden zu. Das Tool erlaube es potentiellen Konkurrenten, Funktionen zu entwickeln und Finnova damit das Wasser abzugraben. «Ich finde das gut», so Matter. «Die Konkurrenz zwingt uns, wach zu bleiben.» Die Offenheit der Lösung stelle aber auch ein Verkaufsargument für die Lenzburger Lösung dar, ist er überzeugt. Ihm schwebt ein «Ökosystem» von Herstellerfirmen vor, die auf Grundlage der Kernbankenlösung von Finnova Erweiterungen und Lokalisierungen vornehmen, ohne die besonders der deutsche Markt wohl nicht in Reichweite der Schweizer liege.
Innovation mit Besonnenheit
Zusätzlich eröffne das Development Kit auch Offshore-Potential für
Finnova. Man werde deshalb versuchsweise einen begrenzten Auftrag an Polaris erteilen, so Matter. Zwar fühle man sich als Arbeitgeber der Schweiz verpflichtet, müsse sich aber für künftige Marktentwicklungen alle Optionen offenhalten.
Mit dem neuen Tool und den offenen Schnittstellen könne man natürlich auch ein riesiges Durcheinander anrichten, gibt Stalder zu bedenken. Vorerst ist das Development Kit darum erst bei der Migros Bank bzw. Polaris im Einsatz. Erst in einem Jahr sollen, unter Finnova-Aufsicht, weitere Anbieter in den Genuss des Tools kommen. Als Beispiele werden T-Systems oder die
Swisscom genannt. «Freiheit braucht auch Disziplin», ist Stalder überzeugt. (Markus Gross)