Einfach ausgedrückt ist es seine Abneigung gegenüber zu viel Routine, welche Stephan Schneider in die Selbständigkeit getrieben hat. Deshalb hat er auch dem Beruf des Maschinenmechanikers gleich nach Abschluss der Lehre den Rücken gekehrt. «Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, bis ins hohe Alter an der Drehbank zu stehen.» Die ersten Programmierfertigkeiten eignete er sich selbst an. Danach folgten erste Tätigkeiten als Operator und Supporter bei der Messe Basel, damals noch unter dem Label «Muba» bekannt. Zuletzt betreute er rund 100 PC-Arbeitsplätze - und wurde bereits wieder unruhig. «Ich wollte wieder mehr programmieren», begründet er seinen damaligen Wechsel weg von der Messe hin zu einem kleineren ERP-Lösungsanbieter. Aus der erwünschten Programmiertätigkeit wurde jedoch nichts und er wechselte zur
Adcomp. Dort kam er erstmals mit Speichersystemen in Kontakt und mit dem Storage-Management-Software-Anbieter Legato, welcher später sein Sprungbrett in die berufliche Selbständigkeit darstellen sollte. «Das Unternehmen Adcomp stand dann aber irgendwann zum Verkauf.» Der Besitzerwechsel führte zu Stillstand im Unternehmen. Den Besitzern ging es in erster Linie um Werterhaltung bis zum Verkaufsabschluss. «Ich mag keine Routine», sagt Schneider.
Also sondierte er neue Möglichkeiten und fand sie bei Legato.
Die Produkte des Herstellers hatten Schneider überzeugt und er sah grosses Potential im Schweizer Markt. Also ging er von sich aus auf Legato zu und schlug vor, eine Schweizer Niederlassung zu eröffnen. «Das war eine sehr lehrreiche Zeit», erinnert er sich. Als Einzelkämpfer beackerte er den Markt, suchte Integratoren und führte viele Verkaufsgespräche. Das Geschäft sei gut in Fahrt gekommen, so Schneider. Allerdings war die Partnersuche nicht gerade leicht und er hatte als «One-Man-Show» sehr wenig Zeit, sich wirklich um die Kunden zu kümmern. «Das war manchmal schon etwas frustrierend.» Es war Zeit für eine Neuorientierung.
Platz für einen Speicherspezialisten
Während seiner Zeit bei Legato erkannte Schneider, dass es in der Schweiz noch Platz gibt, für einen nur auf Speicherlösungen fokussierten Integratoren. So eine Firmengründung ist aber nicht eben billig und Schneider, wie auch die beiden Mitgründer, schwammen nicht gerade im Geld.
Also schlossen sie sich der Firmenplattform Asetra an, eine lockere Unternehmensgruppe, unter der sich Startups organisierten und von zentralen Backup- und Infrastruktur-Services profitieren konnten. Mit der Asetra Mags bildeten sie quasi die Storage-Abteilung der Gruppe, wuchsen rasch und beschäftigten bald neun Personen. «Es gab damals wie heute viele Baustellen auf dem Markt», so Schneider. Als Asetra dann näher zusammenrückte wurde sein Unternehmen auch auf dem Papier zu einer Division des Unternehmens. «Es gefiel mir nicht mehr so gut», sagt Schneider. «Die zusammengewürfelte Firma hatte viel zu viele Produkte und Services im Angebot.» Manche Bereiche seien quersubventioniert worden und während einige Geld einbrachten, hätten sich andere mittragen lassen.
Was Schneider heute als Management-Buyout bezeichnet, ähnelte eher einer Flucht. Das Management von Asetra Mags kündigte geschlossen und nach und nach folgten ihm auch die Angestellten. Die Flucht führte aber noch nicht in die Unabhängigkeit, sondern unter die Fittiche des schwedischen Storage-Dienstleisters Proact. «Wir hatten auch Angebote von privaten Investoren. Am Ende gaben wir Proact den Vorzug, weil wir wiederum von Backoffice-Leistungen, der Erfahrung und dem Namen des Unternehmens profitieren konnten.» Im Juni 2001 eröffnete Schneider die Schweizer Niederlassung der schwedischen Firma.
Bierbänke als Büromöbel
Der Wechsel von Asetra zu Proact ging derart schnell über die Bühne, dass gar keine Zeit blieb, ordentliche Büroräumlichkeiten zu organisieren. «So sassen wir zunächst mit zwei privaten Laptops und einigen Mobiltelefonen in einem unmöblierten Raum und bedienten unsere Kunden so gut es ging.» Die provisorische Einrichtung bestand zunächst aus Festbänken aus dem nahen Jumbo-Fachmarkt. 2002 kam mit Archivierungslösungen ein neues Standbein dazu und seither wuchs das Unternehmen kontinuierlich auf heute über 40 Angestellte und rund 18 Millionen Franken Umsatz. Seit einem – diesmal geordneten – Management-Buyout im Jahr 2004 firmiert die nunmehr unabhängige Ex-Proact-Tochter unter dem Namen Vcare Infosystems in modern eingerichteten Büros in Dättwil bei Baden. Stephan Schneider hat gefunden, was er gesucht hat.
«Ein Geschäft aufzubauen macht mir Spass», sagt Schneider. Die neue Aufgabe gefällt ihm gut. So gut, dass er es mit der Arbeit übertrieben hat und 2006 nach ersten Symptomen wie Schlaflosigkeit und Herzrasen einen Gang runterschalten musste. «Daraufhin habe ich drei Wochen Ferien genommen, wovon ich eine Woche alleine in Mallorca mit absolutem Nichtstun verbracht habe.» Zurück in der Schweiz schraubte er sein Pensum auf 80 Prozent runter, beschäftigte sich vermehrt mit der Fotografie, seiner liebsten Freizeitbeschäftigung, und machte die Töffprüfung. Auch beim Fischen findet der 40-jährige Unternehmer Ruhe. Zu seinem runden Geburtstag schenkte ihm seine Frau Angelurlaub in Finnland und manchmal versucht er sein Glück auch im Rhein an seinem Wohnort Sisseln im Fricktal. «Obwohl das Fischen im Rhein lediglich eine therapeutische Wirkung hat. Gefangen habe ich dort noch nie etwas.»
Stephan Schneider
Der 40-jährige Stephan Schneider steht seit 2001 an der Spitze von Vcare, bei deren Gründung unter dem Namen Proact Schweiz er mit von der Partie war. Schneider lebt in Sisseln im Fricktal und ist seit 13 Jahren verheiratet. Er hat zwei Söhne und eine Tochter im Alter von fünfeinhalb bis elfeinhalb Jahren. Wenn es zeitlich möglich ist, verbringt die Familie ihre Freizeit am liebsten in der eigenen Ferienwohnung in Melchsee-Frutt.
Schneiders Vater war vor seiner Pensionierung als Lüftungstechniker tätig, seine Mutter arbeitete im kaufmännischen Bereich. Als grössten Fehler in seiner Karriere bezeichnet Schneider einen Entscheid im Jahr 2003, als er versuchte, den Profit der Schweizer Proact-Tochter zu optimieren und damit der langfristige Fokus verlorenging. «Das kam uns im folgenden Jahr teuer zu stehen.» (Markus Gross)