Nachdem Urs Loeliger gestern mit grosser Mehrheit in der ausserordentlichen Verwaltungsratsversammlung abgewählt wurde, trat er auch als CEO zurück. Neuer Verwaltungsratspräsident wird Ernst Zimmermann, seit 1999 Mitglied des Verwaltungsrates. Peter Bollmann (48) übernimmt ad interim die operative Führung des Unternehmens.
Am 13. Dezember hatte Commcare ein Gesuch um Nachlassstundung eingereicht und die Bilanz deponiert. Die finanzielle Situation der Commcare ist nicht erst seit dem Bundesgerichtsentscheid in Sachen Mietleitungs-Interkonnektion zugunsten der
Swisscom alles andere als rosig. "Die 8 Millionen-Rechnung der Swisscom war das Tüpfelchen auf dem i, sie hat das Fass zum Überlaufen gebracht“, so Zimmermann.
Vorrangige Aufgabe des Verwaltungsrates ist jetzt die Sicherstellung der Liquidität. Es fand sich kein Investor, der die Firma ganz übernehmen wollte, also wird verkauft, was möglich ist. Noch besitzt man einen schweizweiten Backbone und das Zürcher Glasfasernetz, beides soll aber so schnell wie möglich abgestossen werden.
Versteigert wird aber beides nicht, denn, so Zimmermann: "Wir haben zu wenig Zeit.“ So seien die Gespräche mit dem Stromproduzenten AEW schon recht weit fortgeschritten. Wer auch immer das Netz kaufe, sei nur "Transporteur, die Services kommen von Commcare.“ Es sei auch sichergestellt, dass die Swisscom keine Commcare-Kunden einfach vom Netz abklemme. Für die für 3 Millionen Franken gekaufte WLL-Lizenz gebe es derzeit keine Interessenten.
Stattdessen heisst es für Commcare "back to the roots", man will wieder mit Services Geld verdienen. Es sollen noch, so Geschäftsleiter Urs Haug, "gewisse High-Level-Services dazukommen, die unabhängig vom Transport sind: Beispielsweise Managed Firewalls oder Intrusion Detection. Ausserdem haben wir noch viele Wartungsverträge, die wir proaktiver angehen wollen als bisher." Mit Hardware sei bekanntlich kein Geld mehr zu verdienen.
Bereits im Juni hatte der Verwaltungsrat eine Kapitalerhöhung vorgeschlagen, die aber laut ehemaligem Verwaltungsrat Hans-Peter Koller "vom CEO systematisch blockiert wurde. Die Firma hatte das Cash nicht, das sie gebraucht hätte, um weiterzumachen. Die Kontrollstelle hatte bereits Anfang November gesagt: Ihr seid überschuldet, aber Loeliger weigerte sich, die Zahlen anzuerkennen.“ Der Risikokapitalist (M2) weiter: "Der CEO meinte, die KPMG rechnet eh falsch. Da musste eben der Verwaltungsrat reagieren.“
Verwaltungratspräsident Zimmermann ergänzt: "Loeliger ist ein sehr guter Innovator und Aufbauer, aber Verantwortung delegieren fiel ihm, wie so manchem, der eine Firma von Null aufgebaut hat, eben schwer.“ Als Loeliger gestern die Totalliquidation vorschlug, was auch die Entlassung aller Mitarbeiter zur Folge gehabt hätte, sei er abgewählt worden.
In den letzen zwölf Monaten war Commcare von 60 auf 104 Mitarbeiter gewachsen. Das Personal wird jetzt auf 45-50 Leute zurechtgestutzt, die Dezemberlöhne seien aber für alle gesichert. (ava)