Die St. Galler Winware ist ein sichtlich expandierendes Unternehmen. In den heutigen Büros wird dicht gedrängt gearbeitet – alle freuen sich auf den Bezug eines weiteren Stockwerkes, das zur Zeit den letzten Schliff erhält.
IT Reseller hat sich mit Marketingleiter Peter Sidler und Geschäftsführer Bernd Pfaff zu den Trends im Schweizer Markt für «kleine» betriebswirtschaftliche Lösungen unterhalten.
IT Reseller: Wir sehen einen Trend zur Konzentration und zur Internationalisierung auch bei den Herstellern von betriebswirtschaftlichen Lösungen. Empfinden Sie das auch so? Gibt es einen Druck zur Internationalisierung?
Bernd Pfaff: Man muss es differenziert anschauen. Es gibt zwei Bewegungen. Wir haben sehr viele kleinere Softwarehäuser und ein paar, die in internationale Märkte ausbrechen wollten. Die meisten der kleineren machen wenig Anstrengungen, international tätig zu werden. Es gibt zwar einen Druck von grossen, internationalen Häusern, aber nicht allen gelingt der Eintritt in den Schweizer Markt.
Man muss die Trends nüchtern und ohne die Börseneuphorie anschauen. Die Eintrittshürden in einen Markt sind hoch. Es braucht ein stabiles Netz von Händlern, die die Software beim Kunden nicht nur verkaufen, sondern auch installieren und warten. Dafür braucht es mehr als nur Geld. Complet-e hatte sehr grosse Pläne und wollte viele Händler akquirieren. Aber ein neuer Partner bringt nicht automatisch Geld. Das braucht eben auch Zeit und der Markt ist träger als man denkt. Ein Beispiel eines ausländischen Konzerns, der den Eintritt in die Schweiz geschafft hat, ist Navision.
ITR: Was ist die Antwort von Winware auf die Konkurrenz durch internationale Hersteller von Business-Software?
BP: Grundsätzlich haben wir in der Schweiz im Bereich der Kleinfirmen einen starken Wachstumsmarkt. Der Markt ist überhaupt nicht gesättigt. Wir sind auch in Österreich vertreten, schaffen das Wachstum aber auch in der Schweiz alleine.
Ich kann mir vorstellen, dass der Markt bei grösseren Firmen gesättigter ist, als im «K»-Bereich.
Peter Sidler: Der Markt ist mit 300’000 Kleinfirmen in der Schweiz immer noch riesig. Man sieht auch grosse Häuser wie
SAP, die in den Bereich der Kleinfirmen vorstossen wollen. Es ist aber schwierig, mit einer so grossen Infrastruktur profitabel in den Markt der Kleinfirmen vorzudringen.
BP: Die Denkhaltung der Grossen ist ganz anders. Unsere Software darf fast nichts kosten und unsere Dienstleistungen müssen entsprechend auch günstig sein. Es ist ein nervöser Markt, wir müssen Probleme sehr schnell lösen. Jemand der SAP macht, ist andere Realitäten gewöhnt. Solche Firmen haben Mühe, die Leistung KMU-gerecht zu erbringen.
ITR: Wie sehen Sie die Zukunft der betriebswirtschaftlichen Software für Kleinunternehmen? Ist ASP ein Thema für Sie?
PS: Wir beschäftigen uns im Moment sehr intensiv mit ASP. Aber wir haben noch keine klare Analyse. Man muss zwischen Markt-Bedürfnissen und Marketing-Bedürfnissen unterscheiden.
Wer braucht heute ASP? Das sind Firmen mit zum Beispiel hunderten von Filialen wie Tankstellenketten. Das ist heute ein idealer Markt für ASP. Da kann ich zentralisieren und die Software hundertfach aufsetzen.
Wir haben viele kleine Firmen als Kunden. Da ist jede anders. Ich kann nicht einfach eine Auftragsbearbeitung ins Internet stellen und dem Kunden sagen, er müsse nur noch 20 Franken pro Monat bezahlen. Das funktioniert so nicht. Ich muss dem Kunden helfen, muss ihn schulen. Ich muss ihm zeigen, wie er sein Lager organisieren, wie er die Preise verwalten kann etc. Diese Arbeit ist mit ASP nicht abgedeckt.
ITR: Aber ein Kleinunternehmen könnte sich mit ASP von seinen Infrastruktur-Problemen befreien.
PS: Das stimmt so nicht. Es braucht immer noch sein Netzwerk und seine Clients, um zum Hoster zu kommen. Ob es jetzt noch einen Server hat oder nicht, macht keinen grossen Unterschied.
Ausserdem kommen wir im Moment mit den Preisen nicht dorthin, wo es der Kunde haben will. Pro Arbeitsplatz wurde ein Preis von 300 Franken/Monat genannt. Dazu kommen die Kommunikationskosten. Günstiges ADSL kostet 200 Franken pro Monat. Rechnen wir drei Arbeitsplätze, so sind das 900 Franken plus 200 für Kommunikation. Wissen Sie, was Ihnen da der Schreiner sagt, der das einsetzen soll?
Aber wir sagen nicht, ASP hätte keine Chance hat. Heute sind die Kommunikationskosten einfach noch zu hoch.
ITR: Wird Winware nächstens auch im Browser laufen?
PS: Es gibt verschiedene Lösungen dafür. Eine davon ist
Citrix. Auch bei
Microsoft Windows Server 2000 ist eine solche Möglichkeit gegeben. Wir wollen die Lösung mit den normalen Microsoft Servern zusammen anbieten, damit nicht zusätzliche Kosten entstehen.
Wir wollen ein solches Angebot entwickeln und machen jetzt die technischen Abklärungen. Wir glauben, dass wir dafür unsere Software nicht neu entwickeln müssen, auch wenn wir mit Delphi als Entwicklungsumgebung gut gerüstet wären.
ITR: Winware wird Server- und Client-seitig auf der Windows-Schiene bleiben?
BP: Im Moment ja. Unsere Kunden setzen Windows ein. Aber wir sind flexibel. Wir haben Kunden, die auf Macintosh arbeiten und mit Linux ginge es wohl auch. Aber wir supporten das nicht. Weil wir sehr grosse Stückzahlen im Markt haben, müssen wir den Supportaufwand gering halten. Deshalb unterstützen wir offiziell nur Windows.
ITR: Themenwechsel: Wie hat sich der Markt für betriebswirtschaftliche Software dieses Jahr, nach dem Jahreswechsel entwickelt? Und wie sehen Sie das nächste Jahr?
PS: Wir haben im Jahr 2000 mehr Umsatz gemacht als 99. Aber die Steigerung hat sich verflacht.
BP: Wir hatten vier bis fünf Monate eine Durststrecke wie alle. Januar / Februar war hervorragend. Der März war mittelmässig und dann kam der Einbruch. Ab Ende August hat es dann wieder angezogen und für nächstes Jahr bin ich wieder sehr optimistisch. Die Steigerungsraten werden nicht mehr die Verhältnisse der letzten drei Jahre erreichen, werden aber sicher zweistellig bleiben. Wir hatten vier Jahre in Folge immer 100 Prozent. Das können wir schon aus mathematischen Gründen nicht mehr erreichen.
Dieses Jahr waren viele Kleinfirmen verunsichert. Man hatte das Jahr 2000 und das Modewort ASP hat viele verwirrt.
PS: Es gibt jetzt wieder mehr ernsthafte, grössere Projekte.
ITR: Was sehen Sie für technologische Trends? Man spricht viel von «Mobile Computing», also Clients wie Tablet-PCs etc.
BP: Ich bin überzeugt, dass die tragbaren Geräte wichtig werden. Nicht so schnell wie viele meinen, aber mobile Computing wird dominant.
ITR: Wird Winware also auf einem Psion laufen?
PS: Das läuft jetzt schon und es gibt funktionierende Anwendungen. Es gibt Clients von Windows Terminal Server für den Psion. Der Chef kann in den Ferien auf der Insel schnell nachschauen, was im Geschäft gelaufen ist. Solche Lösungen können wir Ihnen verkaufen. Aber es ist noch aufwendig und teuer und es fehlt noch an Komfort. (Interview: hc)
Winware E-Shop
Winware bietet seit September auch einen einfachen Shop an. Der virtuelle Laden kann mit Winware-Auftrag verknüpft werden, sodass die manuelle Erfassung von Aufträgen entfällt. Die Zahl der Artikel ist unbegrenzt (Standard-Version) und es gibt eine hierarchische Produktestruktur. Als Zahlungsarten sind Rechnung, Nachnahme, Vorausbezahlung und Kreditkarten vorgesehen.
ITR: Auf dem letzten Prospekt war noch Internolix als Partner für Shoplösungen angegeben. Warum haben Sie die Zusammenarbeit mit Internolix aufgegeben?
BP: Wir wollten einen eigenen, voll integrierten Shop entwickeln. Wir können das besser machen als ein Fremdanbieter. Unsere Kunden vertrauen einem E-Shop aus unserer eigenen Küche.
ITR: Bietet Ihr den Endkunden auch Hosting an?
BP: Wir wollen Software herstellen, nicht hosten. Zudem haben viele unserer Partner eine Standleitung und bieten Hosting an. Wir haben deshalb zwei Varianten. Wenn ein Endkunde nicht weiss, wo er den Shop hosten soll, so arbeiten wir mit zwei Hosting-Partnern. Es gibt aber auch eine Flyer-Version, bei der der Partner sein Angebot selbst hinzufügen kann.