Live von der Cebit: Fehlende Asiaten und aufgeputschte Messe-Manager

6. März 2009

     

Mein Taxifahrer spürt die Krise. Während wir mit müden Füssen im Kollegenkreis gutgelaunt darüber plaudern, wie wir uns mit IT-Journalismus immer noch eine goldene Nase verdienen, chauffiert uns ein frustriert dreinblickender Mensch durch den ungewohnt flüssig laufenden Feierabendverkehr. Es ist übrigens derselbe Fahrer, der uns abends aus dem Lokal "Heimweh" wieder abholen und zu unserer malerischen Quartieradresse "Hinter dem Dorfe" zurückbringen wird.

Das wirft Fragen auf: Reicht jetzt schon ein einziges Taxi, um die diesjährigen Messegäste durchs hannoversche Nachtleben zu kutschieren? Vor allem die Besucher aus Fernost bleiben aus, bestätigt mein Fahrer. Und ja, es sei deutlich weniger los. Die Messe als periodisch geöffnete Goldgrube (in Kürze folgt ja die Hannover Industrie-Messe, im Februar schloss die Heimtier-Messe ihre Pforten) hat bis auf weiteres ausgedient.


In der Tat, weniger Gäste aus Fernost, sagt auch Messechef Ernst Raue auf der Zwischenbilanz-Pressekonferenz am Donnerstagnachmittag. Und weniger Besucher insgesamt, an dieser Aussage kommt er nicht vorbei. Zahlen nennt er selbst auf beharrliches Nachfragen nicht. Das nahende Wochenende und busladungsweise herangeschaffte Schulklassen müssen die endgültige Bilanz wohl erst noch aufhübschen.

Dennoch sei es eine hervorragend laufende Messe, verkündet der unerschütterliche Messe-Manager mit offensiv guter Laune gleich zur Begrüssung. Dabei wirkt er ein wenig wie ein gackerndes Huhn, das dem Schlachtbeil gerade entkommen ist. Er gibt zu, dass seine gute Stimmung vor allem daraus resultiert, weit Schlimmeres befürchtet zu haben. Die asiatischen Gäste habe im übrigen die deutsche Polizei vergrätzt, mit ihren Plagiatsrazzien. Anscheinend aus Rache bleiben sie fern.

Neben ihm sitzt ein finster dreinblickender Professor Scheer, Gallionsfigur der deutschen IT-Branche und gleichzeitig Präsident des rührigen Branchenverbandes Bitkom. Dessen Mitglieder seien mit dem Verlauf der Messe zufrieden, gibt aber auch er zu Protokoll. Und auf die defätistische Frage eines Kollegen ("Ist bald alles vorbei?") prägt der programmatische Professor einen wunderschönen Marketing-Merksatz: "Damals, nach dem Platzen der Dotcom-Blase, war IT der Auslöser der Krise, heute dagegen ist IT die Lösung." Lösungen kosten allerdings Geld, das hat der Gründer der gleichnamigen Software-Company natürlich schon auf der Rechnung.

In der Tat scheint der Mittelstand noch Geld zu haben, bestätigt auch der eigene Messerundgang, von eingefrorenen Budgets angeblich keine Spur. So profitieren von der Krise vor allem jene Anbieter, die mit ihren Produkten mehr Effizienz versprechen. So etwa die Firma Varial mit ihrer Personalwirtschaftslösung, aktuell ergänzt um ein zeitgemässes Kurzarbeitsmodul. Oder sie bieten ihre Lösung gleich umsonst an wie Peter Helfenstein, CEO der Schweizer Firma Collanos, anzutreffen am Partnerstand der Translumina Group, die ausgewählte Schweizer Dörfer mit Glasfaser und Triple Play beglückt (in diesem Fall aber zu saftigen Gebühren).

Das webbasierte Collaboration-Tool von Collanos wird über "virales Marketing" unter die Kundschaft gebracht. Das erscheint symptomatisch für die Cebit, nicht erst in diesem Jahr: Produkte und Geschäftsmodelle werden immer abstrakter. Aber wo es für gewöhnliche Laufkundschaft immer weniger zu sehen gibt, ist das Modell Mega-Messe als Massenmagnet vielleicht grundsätzlich nicht mehr das richtige Forum. (Ralph Beuth, Hannover)


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