Die Erinnerungen an die Spitzel- und Datenaffären des deutschen Discount-Einzelhändlers Lidl sind noch kaum verblasst, schon zeichnet sich der nächste Skandal im Konzern ab - diesmal in Österreich. Ehemalige Mitarbeiter werfen der Handelskette schwere Verstösse gegen das Arbeitsrecht, Ausbeutung sowie unwürdige Arbeitsbedingungen vor und bereiten rechtliche Schritte vor. Die Arbeitszeiten hätten etwa an Samstagen bis zu 12,5 Stunden am Stück betragen und somit deutlich länger gedauert als im Arbeitsgesetz vorgeschrieben.
"Wir wurden gezwungen, unsere Arbeitszeiten so einzutragen, dass wir auf gesetzeskonforme zehn Stunden kommen", beschwert sich eine der betroffenen Personen. Weigerte man sich gegen die Überstundenmanipulationen, so hätten Sanktionen oder der Rauswurf gedroht. Kam man der Aufforderung nicht gleich nach, manipulierten der Filial- oder der Bezirksleiter die Stunden so, dass das Arbeitsinspektorat zufrieden ist, werfen die Ex-Mitarbeiter Lidl vor. Die betroffenen Personen kündigen Klagen und Schadenersatzforderungen gegen Lidl an, auch die österreichische Arbeiterkammer wurde laut Auskunft der Ex-Mitarbeiter in mehreren Fällen eingeschaltet.
"Das Gegenteil ist der Fall", weist Hanno Rieger, Geschäftsführer bei Lidl Austria, alle Vorwürfe auf Nachfrage zurück. Mitarbeiter und Filial- oder Bezirksleiter seien keinesfalls gezwungen worden. "Es gab und gibt definitiv keine derartigen Anweisungen. Überstundenmanipulationen sind nicht im Sinne des Mitarbeiters und auch nicht im Sinne des Unternehmens. Eine transparente Abrechnung und eine deutlich überdurchschnittliche Bezahlung sind die Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit", unterstreicht Rieger.
Lidl stellt dem Geschäftsführer zufolge in allen österreichischen Filialen durch eine elektronische Zeiterfassung sicher, dass die Gehälter der Mitarbeiter korrekt und minutengenau abgerechnet werden. Statt Manipulationen gebe es vielmehr die Anweisung, jede gearbeitete Minute zu erfassen, um diese korrekt zu vergüten. "Sollte im Einzelfall eine Überschreitung der gesetzlichen Arbeitszeit stattgefunden haben, so wird diese korrekt aufgezeichnet und entsprechend vergütet", sagt Rieger.
Den klagenden Parteien zufolge wurden auch in Österreich "Kameras an bestimmten Stellen montiert, die nicht den Geschäftsbereich betreffen. Als der Skandal in Deutschland aufgeflogen ist, wurden alle Kameras in einer Nacht-und-Nebel-Aktion abmontiert." Filialleiter seien daraufhin zum Schweigen gezwungen worden. "Es gab und gibt bei Lidl in Österreich keine Kameraüberwachung von Mitarbeitern", dementiert der Lidl-Chef.
In Deutschland war der Discounter vor rund einem Jahr wegen der Spitzel-Affäre und mutmasslich schlechter Arbeitsbedingungen in die Kritik gekommen. Der Image-Schaden des Einzelhändlers hatte in weiterer Folge zu einem regelrechten Kauf-Boykott durch die Verbraucher geführt. Erst vor wenigen Tagen stolperte Lidl erneut über einen Datenskandal. Nachdem der Konzern über seine Mitarbeiter geheime Krankenakten geführt und einen Verstoss gegen den Datenschutz eingeräumt hatte, wurde Deutschland-Chef Frank-Michael Mros mit sofortiger Wirkung entlassen. (pte)