Mit der Partner First-Strategie hatte Dell Technologies Anfang August global eine weitreichende Transformation im Vertrieb angekündigt. Der ehemals stark direkt ausgerichtete Hersteller will sein Channel-Business ausbauen. 99 Prozent der Kunden im Storage-Bereich sollen künftig über Partner betreut werden ("Swiss IT Reseller"
berichtete). Der Dell-Vertrieb wird zudem höher vergütet, wenn er Verkäufe zusammen mit dem Channel abwickelt. "Das Omnichannel-Geschäftsmodell mit seinem robusten Partner-Ökosystem ist das Herzstück unserer Wachstumsstrategie", bekräftigte Bill Scannell, President, Global Sales and Customer Operations bei Dell Technologies, zu diesem Anlass. "Die Partner First-Strategie für Storage wird die Dell-Mitarbeiter im Vertrieb dazu ermutigen, noch enger mit den Partnern zusammenzuarbeiten, um neue Geschäfte zu akquirieren und die richtigen Ergebnisse für die Kunden zu erzielen."
Dell Schweiz reicht der Vorstoss der US-Zentrale jedoch nicht weit genug. Country Manager Frank Thonüs und sein Team wollen das indirekte Geschäft hierzulande noch stärker fördern und ausbauen, nicht nur Storage, sondern auch andere Produktsegmente einbinden und die Partner mit gezielten Massnahmen bei der Business-Entwicklung unterstützen. Zu diesem Zweck hat der Hersteller für die Schweiz vier Channel-Initiativen auf die Beine gestellt, die an Partner first anknüpfen, aber in vielerlei Hinsicht weit über die globale Strategie hinausreichen. Der Schweizer Vorstoss zielt nicht nur auf die Storage-Produkte ab, sondern auf das gesamte Portfolio der Infrastructure Solutions Group (ISG) von
Dell, das alle Lösungen des Anbieters im Datacenter-Umfeld umfasst. Neben Storage fallen also unter anderem auch Server-, Netzwerk- und Backup-Lösungen darunter.
Weltweit macht Dell derzeit rund 50 Prozent seines Geschäftes über den Channel, die Schweiz soll laut Thonüs allerdings deutlich darüber liegen. Konkrete Zahlen nennt er jedoch nicht. Wohl aber das Ziel, dass der Anteil mit den angekündigten Initiativen abermals beträchtlich steigen soll. Zudem will Thonüs die Wahrnehmung von Dell im Schweizer Markt langfristig verändern. Denn nach wie vor sehen viele Partner das Unternehmen hierzulande allem voran im Direktgeschäft verortet. "Wir sind keine Direct Company. Schon lange nicht mehr." Die Initiativen und die starken Channel-Investitionen würden das unterstreichen.
Im ersten Schritt strafft Dell das eigene Go-to-Market-Modell und etabliert die Distribution als zentrale Schnittstelle zum Partner. Sämtliche Anfragen werden künftig ausschliesslich über die vier Distributionspartner Alltron, Datastore, Ingram Micro und TD Synnex abgewickelt. Es soll wiederum keine Anfragen mehr an Dell direkt geben. Zuvor waren die Wege hingegen nicht immer klar definiert. Viele Partner hätten beispielsweise Server über
Dell, Storage-Produkte aber über die Distribution bezogen. "Das war nicht einheitlich gelöst. Wir haben daher das Feedback unserer Partner erhalten: macht es schneller und macht es einfacher, mit Dell Technologies zusammenzuarbeiten", berichtet Thonüs im Gespräch mit "Swiss IT Reseller". Die Entscheidung für die Distribution soll den Prozess vereinfachen und unter anderem die Zeit von der Anfrage bis zur Offerte deutlich verkürzen. Zu diesem Zweck haben die Distributionspartner bereits ihre Kapazitäten ausgebaut, um den zusätzlichen Aufwand auffangen zu können. Sie seien hervorragend auf die neue Aufgabe vorbereitet, betont Dell-Manager Thonüs.
Fehlt es hingegen doch einmal an Fachwissen oder Ressourcen, greift Initiative zwei: das sogenannte Partner Universe. Hinter diesem Namen verbergen sich von Dell neu zusammengestellte Teams aus technisch versierten System Consultants. Sie sollen immer dann unterstützen, wenn komplexere Projektanfragen das vorhandene Lösungs-Know-how von Partnern und auch Distributoren übersteigen. Die Teams werden wiederum daran gemessen, wie erfolgreich sie mit dem Channel zusammenarbeiten. Reichen also Zertifizierungen beziehungsweise Kompetenzen nicht aus, greift das Partner Universe bei der Umsetzung des spezifischen Endkundenprojekts unter die Arme.
Die Channel-Strategie von
Dell betrifft aber nicht nur die Partner, sondern auch viele Endkunden. Denn im Rahmen der Tier 5-Initiative will der Hersteller die Betreuung von 6500 bestehenden Kunden in die Hände des Channels legen. Der Direct Sales für diese Unternehmen wird eingestellt, der Inside Sales soll dem Channel aber weiterhin beratend zur Seite stehen.
Es gibt laut Thonüs dabei kein fest definiertes Vorgehen, welche Partner welche Kunden und Projekte übernehmen. "Je besser der Partner zertifiziert ist und je grösser seine Kompetenzen sind, umso wahrscheinlicher ist es, dass er für ein Endkundenprojekt gewählt wird." Letztlich sei aber immer der Wunsch des Kunden massgeblich. Es habe bereits viele Gespräche gegeben, um zu erläutern, warum künftig ein Partner eingebunden werden soll. Aber auch dazu, mit welchen zertifizierten Partnern die Unternehmen gegebenenfalls bereits Projekte umgesetzt haben. "Am Ende trifft der Endkunde die Entscheidung, mit welchem Partner er zusammenarbeiten will", so Thonüs. "Lediglich die Entscheidung, ob er direkt oder via Partner kaufen soll, wird ihm abgenommen."
Aber nicht nur Bestandskunden sind betroffen. Die ISG goes Channel-Initiative komplettiert die neue Strategie auch im Neukunden-Bereich. Diese sollen im Datacenter-Segment künftig ausschliesslich über Partner betreut werden. Die Regel greift zudem auch für Kunden mit einer neuen Line of Business: Hat ein Unternehmen beispielsweise Server bisher direkt über Dell bezogen, möchte jetzt aber auch Storage-Produkte erwerben, geht diese Anfrage an die Partner.
"Unser Ziel ist es, sehr stark in den Channel zu investieren", untermauert Thonüs. Die vier Initiativen sollen bestehendes Geschäft im ersten Schritt im Sinne eines Lift-and-Shift-Ansatzes an die Partner übergeben, um das Business im zweiten Schritt gemeinsam weiter zu stärken und auszubauen. Thonüs erhofft sich im Gegenzug für die Investitionen zudem ein wachsendes Commitment. Partner sollen sich beispielsweise auf neue Themen stürzen, weitere Kompetenzen aufbauen und sich zertifizieren lassen, idealerweise über einen grösstmöglichen Teil des Dell-Portfolios hinweg. Unterstützen soll dabei wiederum das Partner Universe, etwaige Lücken schliessen und vorhandene Potenziale erkennen und fördern.
Nichtsdestotrotz ist der Channel-Strategie eine Grenze gesetzt.
Dell will das indirekte Geschäft zwar deutlich steigern – nicht aber auf 100 Prozent. Grosse, zentrale Kunden werden auch weiterhin über den Hersteller direkt betreut. "Was wir nicht machen, ist, bestehende Verträge zu kündigen. Wir haben viele Multimillionenverträge mit internationalen oder nationalen Unternehmen, mit denen wir teilweise schon über 15 Jahre zusammenarbeiten. Daran halten wir fest." Dieses Vorgehen sei aber nicht ultimativ in Stein gemeisselt. So hat es bereits einen grossen Dell-Kunden gegeben, bei dem jetzt auch ein Channel-Partner involviert ist. In diesem Fall war beispielsweise dessen umfangreiches Know-how im Bereich Cyber Recovery ausschlaggebend.
Mit seiner jetzt vorgestellten Strategie steht Dell in der Schweiz vor einem weitreichenden Umbruch – und einem herausfordernden Unterfangen. Immerhin wird der Hersteller hierzulande nach wie vor als Direktanbieter wahrgenommen, wie Country Manager Thonüs bereits berichtete. Der aktuelle Vorstoss stelle daher für viele Partner einen fundamentalen Wandel dar, "wie wir in der Schweiz gemeinsam Geschäft gestalten", erklärt er im Gespräch. Aktuell gebe es seitens der Partner daher noch viele Fragen, viel Diskussionsbedarf. Dennoch zeigt sich der Country Manager vom eingeschlagenen Weg mehr als überzeugt. Die jetzt vorgestellte Strategie sei der logische nächste Schritt nach den Entwicklungen der vergangenen Jahre.
Gleichzeitig nimmt Dell Schweiz mit den vier Initiativen und dem Bekenntnis zum Channel weltweit eine Vorreiterrolle ein. Denn die Schweiz ist die einzige Region des Herstellers mit einer entsprechenden Channel-Strategie. Und das sei nicht das erste Mal, wie Thonüs nicht ohne Stolz berichtet. Bereits Partner first sei massgeblich durch Schweizer Impulse beeinflusst worden. Denn grundsätzlich könne man hierzulande sehr schnell reagieren und entscheiden. "Dell hat verstanden, dass die Schweiz ein Land ist, in dem man sehr viel ausprobieren kann." Wird die neue Channel-Strategie also zum Erfolg, hat sie das Potenzial, abermals zum globalen Vorbild in der Vertriebsorganisation des Herstellers zu avancieren.
(sta)