Wer die Künstliche Intelligenz beherrscht, schreibt die Spielregeln der Zukunft. Die USA werfen Milliarden in den Ausbau von Rechenzentren und Hochleistungs-KI. China baut mit voller staatlicher Rückendeckung eine KI-Infrastruktur auf, füttert sie mit Daten, Chips und Kapital und schiebt Deep-Tech-Start-ups an. Europa bringt mit Regulierung und ethischen Leitplanken den technologischen Fortschritt mit gesellschaftlicher Verantwortung in Einklang, riskiert dabei aber, sich selbst im Weg zu stehen.
Und die Schweiz? Sie hat lange zugeschaut, abgewogen, sich nicht aus der Ruhe bringen lassen. Eine kluge Strategie – bis zu einem gewissen Punkt. Doch wer in der KI-Entwicklung zu lange zaudert, läuft Gefahr, zum Zuschauer degradiert zu werden. Der Bundesrat hat nun seine strategische Auslegeordnung zur Künstlichen Intelligenz vorgelegt. Ein Signal, dass die Schweiz mitspielen will. Ein wichtiger Schritt, der jedoch beweisen muss, dass er mehr ist als eine Absichtserklärung.
Ein Innovationsstandort mit Potenzial – aber reicht das?
Die Grundlagen sind da. Das Paul-Scherrer-Institut sowie Universitäten und Hochschulen wie die ETH und die EPFL mit dem Swiss National AI Institute gehören zu den besten weltweit. Forschende in Zürich und Lausanne treiben Entwicklungen voran, die in der internationalen Wissenschaftsgemeinschaft höchste Anerkennung geniessen. Schweizer Start-ups sind in Bereichen wie maschinelles Lernen, Robotik und Computer Vision führend. Gleichzeitig profitieren internationale Tech-Giganten von unseren Rahmenbedingungen und haben hier wichtige Forschungszentren aufgebaut. Google betreibt in Zürich das grösste KI-Forschungslabor ausserhalb der USA. Meta, IBM, Microsoft – und nun auch OpenAI – investieren ebenfalls in den Standort.
Doch ein starkes Fundament allein reicht nicht. Der Zugang zu Kapital, Rechenleistung und hochwertigen Daten entscheidet zunehmend über die Wettbewerbsfähigkeit in der KI-Entwicklung. Hier geraten kleinere Länder ins Hintertreffen, wenn sie sich nicht strategisch klug positionieren. Die USA und China haben frühzeitig auf den Aufbau von KI-Supercomputern und dedizierten Rechenzentren gesetzt. Unternehmen wie OpenAI oder Anthropic profitieren von massiven Finanzierungen und exklusiven Chip-Lieferungen. Währenddessen hat Europa ihre zunächst stark regulatorisch geprägte Herangehensweise um konkrete Fördermassnahmen erweitert.
Die Schweiz hat hier eine besonders herausfordernde Position. Sie gehört nicht zu den «Chip-Alliierten» der USA mit der EU, Japan und Südkorea und erhält deshalb keinen bevorzugten Zugang zu Hochleistungs-KI-Chips. Soll sie also auf bestehende Stärken setzen, oder braucht es gezielte Investitionen und strategische Kooperationen? Der Bundesrat sieht KI richtigerweise als Schlüsseltechnologie für Innovation, Wohlstand und nachhaltige Entwicklung und setzt auf drei zentrale Pfeiler:
- Stärkung des Innovationsstandorts Schweiz
- Wahrung des Grundrechtsschutzes inklusive der Wirtschaftsfreiheit
- Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in KI
Mit der geplanten Ratifizierung der KI-Europaratskonvention betont der Bundesrat zudem, dass ethische Grundsätze nicht verhandelbar sind. Der Schutz von Grundrechten und die Wahrung des Rechtsstaats stehen im Mittelpunkt.
Vom Strategiepapier zur Umsetzung
Swico hat die strategischen Leitplanken des Bundesrats aktiv mitgestaltet. Bereits im Juli 2024 legte der Verband in einem Positionspapier dar, wie sich die Schweiz als globaler KI-Hub etablieren kann. Alle Empfehlungen wurden in der Strategie des Bundesrats berücksichtigt. Nun geht es um die Umsetzung.
Bis Ende 2025 soll ein detaillierter Aktionsplan folgen. Dazu gehören:
- Gezielte Förderung von KI-Startups durch neue Finanzierungsinstrumente und Unterstützung in der Skalierung
- Ausbau der Forschungszentren und engere Zusammenarbeit zwischen Hochschulen, Wirtschaft und öffentlicher Hand
- Neue Bildungsinitiativen, um mehr Fachkräfte für KI- und datengetriebene Technologien auszubilden
- Etablierung regionaler KI-Cluster, die Kantone stärker in die Innovationsförderung einbinden
- Sicherung des Marktzugangs zur EU, unter anderem durch das Abkommen über die gegenseitige Anerkennung von Konformitätsbewertungen (MRA)
Der Entscheid, auf eine technologieneutrale und primär sektorielle Regulierung zu setzen und gleichzeitig die Selbstverantwortung der Branchen zu stärken, ist richtig. Besonders brisant bleibt die Frage nach dem Zugang zu essenziellen Ressourcen. Deutschland profitiert von der engen Partnerschaft mit den USA. Die Schweiz hingegen muss ihre Rechenkapazitäten durch teure Cloud-Dienste oder Kooperationen sichern. Auch regulatorische Rahmenbedingungen spielen eine Schlüsselrolle. Die EU setzt mit dem AI Act klare, aber enge Grenzen. Anders der Bundesrat: Er will einen innovationsfreundlichen Rahmen schaffen. Regulatorische Sandboxes könnten Unternehmen den nötigen Freiraum geben, um KI unter realen Bedingungen zu testen – ohne sofortige Fesseln. In der Finanzbranche hat sich das Prinzip bewährt.
Schweizer Neutralität als Vorteil nutzen
Die geopolitische Lage der Schweiz eröffnet Chancen, die sie klug nutzen muss. Während die USA und China mit Hochgeschwindigkeit vorpreschen und Europa verstärkt auf Eigenständigkeit setzt, wächst ihre Bedeutung als Brückenbauerin. Die Schweiz unterhält enge wirtschaftliche Beziehungen zur EU, hat Zugang zum Binnenmarkt, pflegt intensive Kooperationen mit den USA und unterhält solide Handelsbeziehungen mit China.
Diese Balance ist ein Vorteil, wenn es um den Zugang zu Märkten, Talenten und Technologien geht. Während andere Länder durch politische Spannungen eingeschränkt werden, kann die Schweiz Allianzen aufbauen und von verschiedenen Strukturen profitieren.
Swico fordert klare Prioritäten in der Umsetzung
Damit die Schweiz nicht nur auf dem Papier ein starker KI-Standort bleibt, sondern ihre Position tatsächlich ausbaut, braucht es entschlossene Massnahmen.
Swico sieht fünf zentrale Prioritäten:
- Die
KI-Europaratskonvention muss mit Augenmass umgesetzt werden, um Innovation nicht zu behindern
-
Regulatorische Sandboxes sollten rasch eingeführt werden, damit Unternehmen praxisnah experimentieren können
- Der
Zugang zu essenziellen Ressourcen – von Hochleistung-Hardware über Daten bis zu Fachkräften – muss langfristig gesichert werden
-
Internationale Vernetzung und Marktzugang brauchen eine vorausschauende Handelspolitik
- Die
ICT-Branche muss als Schlüsselpartner in die Ausgestaltung der Massnahmen eingebunden werden
Die Auslegeordnung des Bundesrats ist ein wichtiger Meilenstein. Entscheidend wird sein, wie entschlossen sie umgesetzt wird. Der globale KI-Wettlauf lässt keinen Raum für Zögern. Die Schweiz hat alle Voraussetzungen, um vorne mitzuspielen – wenn sie es will. Die ICT-Branche ist bereit, ihren Beitrag zu leisten.