Vier Knüppel über dem Netzwerk-Markt

Global Touch sagt dem Networking-Channel für 2002 einen grossen Sturm voraus, der manches Netzwerker-Schiff zum Sinken bringen wird. Was meinen Schweizer Player dazu?

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2002/04

     

Das US-Marktforschungsinstitut Global Touch gibt einmal pro Quartal seine Publikation namens «Channel Tracker» heraus, unter anderem auch für den Networking Channel. Dafür werden Channel Player in Europa und den USA zu Tendenzen in ihrem Markt befragt. I
Im letzten «Channel Tracker» äussern die Marktforscher düstere Prognosen für den Netzwerkmarkt. Sie heben vier Probleme hervor: Nachfrageschwäche, Preiszerfall, Margenzerfall, und sinkende Zusatzumsätze. Diese Tendenzen sind zwar schon länger vorhanden, haben sich aber zum Teil beschleunigt (Preiszerfall) und treffen Unternehmen, die schon durch ein unbefriedigendes Jahr 2001 geschwächt sind. Deshalb könnten sie, gemäss Global Touch, in ihrer Gesamtheit 2002 zu einem «Perfect Storm» (das Wort ist in Mode) im Netzwerk-Channel führen.
IT Reseller unterhielt sich mit Vertretern der Schweizer Netzwerk-Szene über diese Probleme und den Schweizer Netzwerkmarkt: Walter Zemp, Geschäftsführer des Netzwerkintegrators Alcatel eBD AG, Reto Nobs, Country Manager des Netzwerkdistis Azlan und Rouven Huber, bei HP Schweiz für die Netzwerk-Produkte zuständig.

Nachfrageschwäche

Die von Global Touch befragten europäischen Netzwerker erwarten vorerst eine Fortsetzung der eher zögerlichen Nachfrage. 53% erwartet für das Q1 2002 kein Umsatzwachstum im Vergleich zum Q1 2001, 36% ein leichtes Wachstum, 9% einen leichten Rückgang. Mit einem neuen Nachfrageschub wird allgemein nicht vor anfangs 2003 gerechnet. Unsere Gesprächspartner sehen die Situation in der Schweiz ähnlich.
«2002 wird der Netzwerk-Markt keine grossen Sprünge machen. Für eBD gehen wir, nach einem erstaunlich guten Jahr 2001, von einem flachen Wachstum aus», sagt Walter Zemp von eBD. Auch Rouven Huber, HP, spricht von einem leichten Rückgang der Nachfrage in den letzten Monaten, aber er relativiert: «Die Delle war niemals so tief wie zum Beispiel im PC-Markt allgemein.» Bis zum Herbst, glaubt er, könnte sich die Situation wieder verbessern.

Margenzerfall

Global Touch schätzt, dass die Durchschnittsbruttomarge auf Netzwerk-Hardware für Reseller in den letzten zwei Jahren von 15% auf etwa 5% gesunken ist. Walter Zemp empfindet das als realistisch, und kommentiert: «Die Hardware Marge nimmt tatsächlich jedes Jahr massiv ab. In dieser Situation werden aber Dienstleistungen zum Unterscheidungsmerkmal zwischen Unternehmen.
Jeder bietet eine andere Qualität.» Für Reto Nobs, Azlan, scheinen 5% doch etwas pessimistisch. Er kennt Firmen, die auch mit höheren Margen Marktanteile gewinnen, und sogar noch als billig gelten. Für die Distis, so fügt er an, sei die Marge im letzten Jahr um etwa ein Viertel gesunken, seit zwei Jahren um etwa ein Drittel. Am erstauntesten ist Rouven Huber über die Zahl von 5%, die ihm sehr tief gegriffen scheint, aber er räumt ein, dass er als Herstellervertreter die realen Händlermargen weniger genau kennt.

Preisdruck

Über den Preiszerfall mag sich niemand gross aufregen, dass die Hersteller fleissig an der Preisspirale drehen, kennt man schon lange. Reto Nobs: «Das gibt es in jedem Markt, in dem grosse Konkurrenz herrscht.» Und Huber: «Der Netzwerkbereich ist halt aus dem Hochpreisbereich heraus. Im Zuge der Konvergenz stösst das Netzwerkbusiness immer mehr in tiefere Preislagen vor.»
Global Touch glaubt allerdings, dass die Preise durch die jetzige Nachfrageschwäche noch stärker als üblich unter Druck gekommen sind. Den Resellern konstatiert Global Touch gegenwärtig eine gute Inventardisziplin: Sie liessen sich auch von lukrativen Sonderangeboten der Hersteller nicht dazu verlocken, ihre Lager über Gebühr aufzufüllen – eigentlich ein gutes Zeichen für 2002. Dies führe aber dazu, dass Hersteller ihre eigenen Inventare über andere Kanäle abbauen, entweder indem sie die Ware direkt oder über einen alternativen Channel, die Broker und Liquidatoren, an die Kunden bringen.
Auf beiden Wegen werden die Preise, die der Channel offerieren kann, unterboten. Während nur 4% der europäischen Netzwerk-Reseller die Konkurrenz durch Hersteller beklagen (verglichen mit 36% in den USA) spüren 64% der Befragten in Europa Konkurrenz von Brokern und Liquidatoren. Dieser «neue Channel» scheint vor allem in England ein grosses Thema zu sein, für unsere Gesprächspartner ist er es kaum.
Nobs: «Davon merken wir in der Schweiz noch gar nichts. Eine Zeit lang gab es zwar einige Grauimporte, die hatten aber Qualitätsprobleme. Auch vom grossen Allcom-Lagerverkauf haben wir zum Beispiel nichts gespürt.» Zemp, dessen eBD vor allem grosse Unternehmen als Kunden hat, glaubt dass seine Kunden das mit solchen Schnäppchen verbundene Risiko nicht eingehen würden.
Das heisst aber nicht, dass vor Ort unter den Netzwerkern nicht mit harten Bandagen geboxt wird. Zemp: «Ich staune manchmal, wie weit unsere Konkurrenten gehen. Manchmal wird so tief offeriert, dass ich sagen muss: Nein, da wollen wir nicht mithalten.» Nobs meint dazu allerdings trocken: «Wer zu tief geht, überlebt nicht.»

Sinkende Zusatzverkäufe

Vor zwei Jahren, schätzt Global Touch, wurden zu jedem Dollar Umsatz, der mit Netzwerk-Hardware erzielt wurde, noch für 14 Dollar zusätzliche Hardware, Software und Dienstleistungen verkauft. Heute liege diese Rate noch bei 1:3,7. Ist die Flucht in die Dienstleistungen, als Ausweg aus der Hardwarefalle, ein Trugschluss? Walter Zemp glaubt das nicht: «Es gibt neue Dienstleistungen, welche die alten ablösen. Auch Outsourcing nimmt zu, vielleicht nicht als Volloutsourcing, sondern als «Outtasking»: bestimmte Teilaufgaben werden abgegeben.»

Fazit: Ein Markt wird erwachsen

Reto Nobs dagegen meint: «Das Handling der Produkte ist tatsächlich einfacher geworden.» Und fügt an: «Die Branche war vielleicht eine Weile lang zu extrem aufgebläht, man hatte viele Angestellte und extreme Löhne. Womöglich findet nun eine Gesundung statt. Interessant wäre eine Untersuchung der Customer Satisfaction: Kann man heute mit weniger Leuten den gleichen Service bieten?»
Auch Walter Zemp glaubt an eine grundsätzliche Veränderung des Marktes: «Die Sturm- und Drang-Zeit ist vorbei. Seien wir einmal ehrlich: Die Netze in der Schweiz sind installiert.» Aber er sieht das positiv: «Ich bin seit dreissig Jahren in diesem Markt, und es macht mir immer noch Spass. Margenerosion, Preiskrieg, das gibt es alles schon seit langem.
Das sind nur Probleme, wenn man nicht in der Lage ist, sich zweimal im Jahr zu häuten.» Er glaubt, dass die Beziehungen zwischen Kunden und Lieferanten sogar enger werden. Durch die Margenerosion hätten die Netzwerker gar keinen grossen Spielraum bei den Offerten mehr, die Preisunterschiede lägen oft unter der «Reizschwelle» der Kunden für einen Wechsel.

Neues Wachstum

Es gebe immer noch Wachstumsmöglichkeiten, meint Zemp. Neue Anwendungen wie Voice over IP, Multimedia und Storage over Ethernet würden neue Nachfrageschübe bringen, sobald die Kunden sie wirklich implementierten. Huber hebt zusätzlich Wireless LAN und Security hervor. Wenn 10GB-Ethernet erhältlich wird, werde ausserdem Gigabit-Ethernet über Kupferkabel noch erschwinglicher, was Unternehmen zu neuen Investitionen bewegen könnte.
Reto Nobs erwähnt die gleichen Wachstumstreiber wie Zemp, und fügt noch das wichtiger werdende Layer 4-7 Switching dazu. Auch 10GB-Ethernet sieht er als Chance, denn «Man hat schon bei vielen Technologien gesagt, das braucht es gar nicht.» Man denke nur an den alten Spruch von Bill Gates: «640 KB (RAM) should be enough for everyone.» (hjm)


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