Insgesamt 292 Artikel, in denen der Begriff «ASP» vorkommt, finden sich im Heftarchiv von IT Reseller, darunter auch manche Kuriosität – aus heutiger Sicht. So wurde das Bündnis von Commcare (Konkurs im Dezember 01) mit AGI (heute
Swisscom IT Services) mit dem kommenden Markt für Application Hosting, ASP-Dienste und sogar SSP (Storage-Service-Providing) begründet.
Ähnlich argumentierte der CEO von KPNQwest (Konkurs im Juni 02), Jack McMaster, ebenfalls im Februar 01, als er den raschen Aufbau der sogenannten Cybercenter mit der kommenden Nachfrage von ASPs nach Datencentern begründete. Richtig war allerdings seine damalige Voraussage, dass es unter Carriern und Datencenter-Betreibern zu einer Konsolidierung kommen würde. Das Ausmass der Bereinigung unter den Datentransporteuren wird aber auch ihm wohl nicht ganz klar gewesen sein.
Spurlos verschwunden: ST-Communication
Doch nicht alle waren so euphorisch wie die Marktforscher von Dataquest, die dem Markt für «vermietete» Software zwischen 1999 und 2003 ein über 20-faches Wachstum voraussagten. So prophezeite Gartner schon im Herbst 2000 den Untergang von glatt 60% der damals existierenden ASPs. Ob die hohen Investitionen und der nur langsam anlaufende Markt tatsächlich fast zwei Drittel der Firmen, die den Einstieg ins ASP-Business versuchten, in den Untergang rissen, wissen wir nicht. Sicher ist aber, dass es einige sind.
So findet sich von der Zuchwiler ST-Communication keine Spur mehr. Vor etwa einem Jahr war der Chef der ehemaligen Sassotext, Daniel Sauser, noch optimistisch. Damals bediente St-Communications 350 User, innert 12 Monaten hoffte er die nötige kritische Masse von 1000 bedienten Arbeitsplätzen zu erreichen. Obwohl Sauser damals im Gespräch mit IT Reseller sagte, er baue das Geschäft sehr vorsichtig auf, hat ST-Communication nicht überlebt.
Dr. Thomas Keller vom Risikokapitalisten Knorr Capital bestätigte IT Reseller dieses Frühjahr, dass Knorr die Anteile an ST-Communication an eine US-Firma verkauft habe. Ansonsten wisse er nichts über das Schicksal des einstigen Investments. Als wir diese US-Firma namens Merit01, einen Hersteller von Software, anrufen und nach dem Schicksal von ST-Communication befragen wollten, verschwand sie urplötzlich vom Netz.
Dafür fanden wir eine Pressemitteilung, dass die Zürcher Avantiac (die zusammengelegten Mythenmall und Inside Internet) und ST-Communication am 26. Januar beschlossen hätten, ihre ASP- und ISP- (Internet-Service Provider) Angebote zusammenzulegen. Doch auch daraus wurde nichts, wie uns Avantiac-Verwaltungsrat Peter Schnellmann sagte. Der Verkäufer, eben die oben genannte US-Software-Company Merit01, habe die Vertragsbedingungen nicht eingehalten, erklärt Schnellmann.
Avantiac (Inside Internet) «nicht tot»
Über Mythenmall, Inside Internet und Avantiac gibt es äusserst widersprüchliche Aussagen. Während der ehemalige Mitbesitzer von Mythenmall, Dr. Peter Meyer, gar nichts Gutes zu seiner ehemaligen Firma zu sagen hat, sagt der heutige starke Mann bei Avantiac, Peter Schnellmann, man habe ASP-Kunden: «Avantiac ist nicht so tot, wie manche Leute das gerne hätten.» Doch er gibt zu, dass ein grosser Kunde abgewandert ist und dass die meisten Kunden, die Internet-Dienste von Mythenmall bezogen hatten, zu ADSL-Providern abgewandert sind.
In den nächsten drei bis sechs Monaten werde sich herausstellen, ob man mit Avantiac die kritische Masse erreichen könne, die einen 24x7-Betrieb rechtfertigten, sagt Schnellmann. Jetzt würden die Produkte evaluiert, die man anbieten wolle. Mit heute fünf bis zehn Mitarbeitenden (2000 waren es immerhin noch 70!) sei Avantiac durchaus überlebensfähig, so Schnellmann. Doch auch er spricht von einem «geordneten Rückzug» und davon, dass die Optionen Verkauf oder Stilllegung der Firma durchaus reell seien.
UDT, Asetra, Mount10...
Für viel böses Blut sorgte der Untergang der Mount10 Service AG, jenes Teils der Mount10-Gruppe, der mit «Managed Hosting» auf den ASP-Markt zielte. In einem Pressecommuniqué vom September 2000 hiess es noch: «In naher Zukunft wird das ASP-Business die Art und Weise der heutigen Geschäftstätigkeit radikal verändern.» Radikal verändert hatte sich aber vor allem der Marktauftritt von Mount10, die unter dem alten Namen Cope noch ein starker Player im europäischen Storage-Markt war.
Die Fokussierung auf die «Datafortress» und der Hosting-Dienst bekam der Gruppe gar nicht gut: Das Storage-Geschäft brach ein, und im Februar 2002 wurde der Dübendorfer Hosting-Arm zum Konkursrichter geschickt. Enttäuschte entlassene Mitarbeitende sprachen gar von «Betrug» und zerrten die Holding vor den Kadi.
Ziemlich anders liegt der Fall beim Untergang des Basler VARs Asetra. Zwar hatte auch Asetra den Einstieg ins ASP-Geschäft versucht und ein eigenes Rechenzentrum aufgebaut. Doch dies sei nicht der Grund für den Zusammenbruch der Firma gewesen, sagt der ehemalige CEO Jürg Brönnimann. Mit dem ASP-Geschäft habe man fast den Break-even erreicht und sei kurz vor der Akquisition eines weiteren Kunden gestanden, der die «kritische Masse» gebracht hätte. Der Kunde, eine Fensterfabrik in Aristorf, kam übrigens mit dem Schrecken davon. Er zügelte das Rechenzentrum zu sich und übernahm gleichzeitig den Systemverantwortlichen von Asetra. Seine Systeme liefen trotz des Konkurses von Asetra ohne Unterbruch, so Brönnimann.
Bei der Berner UDT-Gruppe nannte man das Abenteuer ASP als Mitgrund für den Zusammenbruch der Tochterfirma Union Data Trading. Offensichtlich zu spät hat man bei UDT den Aufbau des Rechenzentrums für den ASP-Dienst als Groschengrab identifiziert und den Ausstieg aus dem ASP-Geschäft Ende Januar dieses Jahres angekündigt. Der Schritt half nichts mehr: Mitte Februar musste UDT die Berner Tochter zum Konkursrichter schicken. (hc)