Computer, so weit das Auge reicht

Computer werden heute neben Salat und Möbeln verkauft. Der Retail-Kanal ist in Zeiten darbenden Umsatzes mit Geschäftskunden zentral für die Hersteller. Die Suche nach immer neuen Verkaufspunkten für PCs und Peripheriegeräte geht weiter.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/17

     

«Der Retail-Kanal ist sehr wichtig, weil im Moment der Consumer-Markt boomt», sagt Louis Körner, Verkaufsleiter von Acer Schweiz. In der Tat: Computer, Peripheriegeräte und Flachbildschirme gibt’s längst nicht mehr nur beim Fachhändler – sondern auch beim Food-Discounter und im Möbelhaus.
«In den vergangenen paar Jahren sind Mischformen entstanden, die man früher nicht für möglich gehalten hätte», sagt Andreas Müller, Chef der Schweizer Niederlassung von 4MBO. Computer neben Salat und Möbeln: Die Erfolge der französischen Riesen Carrefour und Conforama im Bereich der Multimedia-Produkte (Unterhaltungselektronik und Computer) sind eindrücklich.
Und obwohl der Retail-Gesamtkuchen weiter schrumpft, drängen immer neue Player in den Markt: Auch der französische Buch- und Elektronik-Fachmarkt Fnac will jetzt in die Deutschschweiz expandieren. Die etablierten Marktführer Interdiscount, Media Markt und die M-Electronics-Studios der Migros geben sich nach aussen zwar gelassen – doch hektischer Aktionismus mit Neueröffnungen und Strategieanpassungen zeigen, dass sie die Konkurrenz durchaus ernst nehmen.
Das Leben ist letztlich auch für den Schnäppchenjäger anstrengender geworden: In der Flut der Angebote muss er immer mehr Broschüren sichten, um den wirklich günstigsten Preis für das gewünschte Produkt zu ermitteln.

Carrefour: Elektronikabteilung neben Esswaren

Die Expansion von Food-Unternehmen in den Nonfood-Bereich stellt einen zentralen Trend im Retail-Bereich dar. Nur mit den verhältnismässig teuren Nonfood-Produkten kann der Umsatz pro Quadratmeter Ladenfläche noch in die Höhe geschraubt werden.
Daneben gilt es auch, mit einem durchmischten Angebot auf die grösstmögliche Besucherfrequenz zu kommen und die Leute zu mehr Einkäufen zu animieren. Darauf ist das Konzept der Grossmärkte zugeschnitten, die alles unter einem Dach vereinen: Ess- und Frischwaren, Kosmetik, Textilien, Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, Bücher und Computer.
Mit der Beteiligung des französischen Detailhandelsriesen Carrefour an den Schweizer Jumbo-Grossmärkten hat vor einem Jahr ein besonders finanzstarker Marktteilnehmer die Schweizer Retail-Bühne betreten. Elf Grossmärkte gibt es heute in der Schweiz, vier davon in der Deutschschweiz.
Bis zum Jahr 2007 sollen es bereits 25 sein. Dem Bereich Multimedia – Unterhaltungselektronik und Computerprodukte – misst Carrefour eine «enorm wichtige Bedeutung» bei, wie Pressesprecher Peter Stefani sagt. Die Strategie sei es, zu einem fairen Preis ein möglichst komplettes Sortiment anzubieten.
Die Multimedia-Abteilung stellt bei Carrefour den am stärksten wachsenden Nonfood-Bereich dar. Vor allem im Bereich des Zubehörs wird laut dem PC-Einkäufer Peter Unold eine Erweiterung des Angebots geplant. Das Service-Portfolio ist bescheiden und lehnt sich an die Leistungen an, die Carrefour von seinen Lieferanten erhält: Defekte Peripherie-Geräte werden ausgetauscht und PC-Käufer an die Helplines der Hersteller verwiesen. «Dafür sind wir in der ersten Preislage, weil wir enorm von der Einkaufskapazität von Carrefour profitieren können», sagt Stefani.

Carrefour und Co.: Wichtig für die Hersteller

Die Carrefour-Kette ist schon ein Jahr nach ihrem Markteintritt zu einem wichtigen Retailer im Computerbereich geworden: «Man darf Carrefours Bedeutung nicht unterschätzen», sagt Martin Nussbaumer, Division Manager Home Products von Fujitsu-Siemens Schweiz. «Bei der Auswahl eines Verkaufspunktes achten wir darauf, ob eine Elektronikabteilung und eine Infrastruktur für den Abtransport der Waren vorhanden sind», so Nussbaumer.
Diese Anforderungen werden von den Carrefour-Grossmärkten erfüllt: Bis zu einem Viertel der Ladenfläche ist dort für die Multimedia-Produkte reserviert, die Kunden sind motorisiert und tätigen Grosseinkäufe.
Eine separate Elektronikabteilung können andere Discounter nicht bieten: So lagern bei Denner die Nonfood-Produkte auf Palett-Inseln zwischen Pommes-Chips, Essiggurken und Wodka. In einer aufsehenerregenden Aktion hat Denner vor einigen Monaten ein Notebook von 4MBO für unter 1500 Franken verscherbelt. Restbestände dieses Schnäppchens werden derzeit in wenigen Filialen abverkauft.
Laut Siglinde Gysin vom Denner-Generalsekretariat in Zürich ist es im Rahmen der Expansion ins Nonfood-Geschäft die Strategie von Denner, den Kunden punktuell von einem Hit-Angebot im Bereich der Computerprodukte profitieren zu lassen. «Denner hat aber nicht vor, Computer und Multimedia fix im Sortiment zu führen», sagt Gysin zu IT Reseller. Wie Andreas Müller von 4MBO Schweiz verrät, wird es nicht die letzte Aktion gewesen sein: «Denner wird den Nonfood-Bereich weiter pushen. Es sind schon weitere Aktionen in der Pipeline.»

Möbel, Stereoanlagen, Fernseher und Computer

Auch beim Shopping für den Schrank, die Bettstatt oder den Esstisch lässt sich heute ein Marken-PC mit ins Auto laden. Das Einrichtungshaus Conforama gehört zur französischen Pinault-Printemps-La- Redoute-Gruppe und unterhält weltweit rund 225 Filialen. In der Schweiz sind es bereits deren acht – vier im Welschland sowie je eine in Wallisellen, Schlieren, Schafisheim und Pratteln.
Conforama positioniert sich als Verteiler von Inneneinrichtungen für das ganze Haus. Darunter fallen seit einiger Zeit auch Unterhaltungselektronik und Computerprodukte von Herstellern wie Acer, Samsung, HP, Fujitsu-Siemens und Sony. «Wir versuchen Preise zu erreichen, die in der Schweiz noch nie gesehen wurden», sagt Bernard Levet, Generaldirektor von Conforama Schweiz.
Für Aufsehen sorgte neulich ein Bundle mit einem Acer-Aspire-PC inklusive Flachbildschirm für 999 Franken. Auf Distributorenseite arbeitet Conforama Schweiz mit der Hergiswiler Also zusammen, nutzt aber laut Levet auch Synergien im Einkauf innerhalb der PPR-Gruppe.
Nach der Eröffnung einer Filiale im Tessin müssen sich jetzt die Deutschschweizer auf mehr Conforama gefasst machen: «Unsere nächsten Eröffnungen werden ganz sicher in der Deutschschweiz sein», sagt Levet. Konkreteres dazu lässt er sich aber noch nicht entlocken.
Die Vermutung liegt nahe, dass auch das schwedische Einrichtungshaus Ikea in seinen Filialen dereinst Marken-PCs anbieten könnte. Dem ist aber nicht so: «Wir werden keine Computerprodukte bei uns einführen», sagt Klaus Peter Mager, PR-Verantwortlicher bei Ikea Schweiz in Spreitenbach.
Das Verkaufskonzept sei strikte auf Produkte im Bereich der Inneneinrichtung ausgerichtet, und das werde so bleiben. «Ikea hat durchaus Interesse an einzelnen Aktionen signalisiert», sagte allerdings ein Herstellervertreter zu IT Reseller. Es ist also trotz dem offiziellen Nein zu einem kompletten Multimedia-Sortiment möglich, dass dort punktuell attraktive PC-Angebote zu finden sein werden.

Fnac drängt in die Deutschschweiz

Eine Erfolgsgeschichte im Retail-Bereich schreibt die im Jahr 1954 in Frankreich als Buchclub gegründete Fédération Nationale d’Achat des Cadres, besser bekannt unter dem zungenbrechenden Kürzel Fnac. Die Kette mit ihren fast hundert Filialen ist Teil der französischen PPR-Gruppe, der auch das Inneneinrichtungshaus Conforama angehört. Heute verfügt Fnac in der Schweiz über drei Fachmärkte – zwei in Genf und einen in Lausanne.
Das Produktsortiment reicht von Büchern, CD, DVD, Unterhaltungselektronik und Fotografie bis hin zu Reisen und Computerprodukten. Mit IT erwirtschaftet Fnac ein Drittel seines Umsatzes: «Wir sind kein PC-Boxmover, sondern legen Wert auf Schulungs-, Service- und Reparaturdienstleistungen nach dem Kauf», sagt Harry Allegrezza, Directeur Commerciale von Fnac Schweiz, «Fnac will eine Referenz auf dem Markt sein und die Kunden bei der Produktauswahl kompetent beraten.»
Eine Broschüre mit dem Titel «Guide Micro» bietet deshalb Produktvergleiche und eine «objektive Bewertung» der im Laden erhältlichen Modelle von Herstellern wie HP, Sony, Toshiba und Acer. Zusammen mit einem Partner in der Genferseeregion werden sogar Informatik-Kurse angeboten. In jedem Laden gibt es eine Dienstleistungsecke mit dem Namen «Clinique Micro», wo der Kunde sein Gerät für Servicearbeiten wie den Einbau von zusätzlichem Arbeitsspeicher oder die Anfertigung eines Backups «einliefern» kann.
Als weiteren Dienst offeriert Fnac für rund 160 Franken die «intelligente Lieferung»: Ein Lieferant bringt den PC zum Kunden, nimmt ihn in Betrieb und erteilt dem neuen Besitzer anschliessend eine Blitz-Lektion im Umgang mit Windows und den gebräuchlichsten Programmen. Mit diesem Service-Angebot, das speziell auf die Bedürfnisse von Einsteigern zugeschnitten ist, sieht sich Allegrezza auch gut gegen die Konkurrenz positioniert.
Der Expansionshunger von Fnac ist jedenfalls ungebrochen: Im ersten Halbjahr 2005 soll ein Geschäft in Zürich und kurz darauf eines in Basel eröffnet werden. Fnac setzt dabei auf zentrale City-Lagen: «Man wird uns in Zürich zwischen Bahnhofstrasse und Bellevue finden», gibt sich Allegrezza zuversichtlich. Eine geeignete Fläche dafür hat Fnac allerdings noch nicht gefunden.

Interdiscount und Media Markt herausgefordert

Die zentrale Verkaufsplattform von Coop für IT-Produkte bleibt laut dem Kommunikationsverantwortlichen Urs Wilhelm weiterhin Interdiscount. Die Einführung eines entsprechenden Angebotes in den Coop-Geschäften ist Also nicht geplant. Branchenleader Interdiscount unterhält in der Schweiz 185 Filialen und verfügt dadurch über eine hohe Distributionskapazität.
In Signy und Langenthal werden am 23. Oktober dieses Jahres die beiden ersten grossflächigen Interdiscount-Märkte eröffnet. «Die geplante Expansion wird mit Neueröffnungen im nächsten Jahr fortgesetzt, unter anderem in Basel», so Wilhelm. Weitere Standorte würden noch bekanntgegeben. Wilhelm sieht sich durch den Eintritt von neuen Marktteilnehmern wie Fnac und Carrefour darin bestärkt, die bestehende Strategie beizubehalten: «Die neuen Anbieter beleben das Geschäft. Interdiscount positioniert sich weiterhin als der innovative Discounter mit Service», sagt er.
Nach der Einschätzung vieler Brancheninsider gehen die Erfolge von Carrefour und Co. im Multimedia-Bereich durchaus auf Kosten der traditionellen Branchenleader Interdiscount und Media Markt. «Carrefour und Conforama sind ernstzunehmende Mitbewerber», sagt Urs Spahr, Marketingleiter von Media Markt Schweiz.
«Preislich sind das Herausforderungen, auf die wir reagieren müssen. Wir wollen die Marktführerschaft bei den Preisen in der Schweiz auf alle Fälle aufrechterhalten und setzen als Differenzierungspunkt auf die von anderen unerreichte Grösse unseres Sortiments», so Spahr weiter.

Computer: Auch die Migros hat sie

In rund 140 M-Electronics-Outlets in der ganzen Schweiz bietet auch die Migros ein vorselektioniertes Sortiment von Computerprodukten bekannter Hersteller wie Fujitsu-Siemens, HP und Acer an. Besonders aggressiv tritt sie dabei nicht auf – und vielen anderen Marktteilnehmern erscheint es schleierhaft, welche Strategie das orange «M» in Sachen Computer verfolgt: «Wir sehen uns nicht als Discounter, sondern als kompetenter Fachanbieter mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis», sagt Toni Huser, Category Manager für Büroelektronik beim Migros Genossenschaftsbund in Zürich.
Die Stärke der Migros sei die grosse Kundennähe. Dabei liege der Fokus nicht unbedingt auf dem preisbewussten Schnäppchenjäger, sondern eher auf dem mittleren Preissegment. Marketing-Aktivitäten werden primär national organisiert und durchgeführt. Druckfrisch sind verschiedene neue Serviceleistungen, die ähnlich denen der Fnac-Fachmärkte die Lieferung des PC und die Instruktion des Kunden vor Ort beinhalten.
Diese sind zwar vereinzelt schon zwei Jahre lang erbracht worden, jedoch wurden sie erst vor kurzem landesweit vereinheitlicht und werden jetzt entsprechend beworben. «Die Ausrichtung auf den Dienstleistungsbereich wird noch weiter optimiert», sagt Huser.
Als naher Elektronikfachmarkt, der in ein Einkaufszentrum integriert sei, stehe die Migros vor allem in Konkurrenz zum lokalen Fachhandel. Auf die Geräte werden zwei Jahre Garantie geleistet. Jede Filiale in der ganzen Schweiz kann Reparaturen entgegennehmen. (bor)

Die Suche nach dem alternativen Channel

Mit Argusaugen beobachten die Hersteller die Versuche mit IT-Produkten in Tankstellenshops im benachbarten Ausland. Die Schweizerische Post als Anbieter von PC hingegen wird ihr Angebot konsolidieren.
Auch wenn immer mehr Retailer Computerprodukte anbieten: Der Hunger der Hersteller nach neuen Absatzkanälen ist in Zeiten erodierender Margen nie gestillt. So haben einige etwa Tankstellen-Shops im Auge. BP Schweiz betreibt rund 180 Shops in der Schweiz, wo sich inzwischen neben Benzin und Zeitungen auch vielerlei Artikel des täglichen Bedarfs kaufen lassen. In Deutschland und Österreich wird gegenwärtig ein Angebot mit Computerprodukten in der Form von Online-Shops getestet.
Die Verbindung zwischen der virtuellen Welt des Online-Shops (www.bpexpress.at und www.aralstore.de) und der physischen Welt der Tankstelle stellt der so genannte E-Point dar – ein Regalsystem, in dem aktuelle Hardware-Highlights wie drahtlose Tastaturen und Drucker sowie Zubehör wie Druckerpatronen und Speichermedien rund um die Uhr an der Tankstelle gekauft werden können.
«Die Tests werden derzeit auf mehr Stationen erweitert», sagt Isabelle Thommen, Medienverantwortliche von BP Schweiz. Ein Entscheid über eine definitive Einführung werde nächstes Jahr gefällt. «Wir behalten die Entwicklung bei den Tankstellen auf alle Fälle im Auge», sagt Louis Körner von Acer Schweiz, «sobald der Konsument reif dafür ist, unsere Produkte in einem solchen Umfeld zu kaufen, sind wir natürlich dabei.»

Konsolidierung des Angebotes bei der Post

Seit dem Jahr 1999 verkauft auch die Post mit Apple Computern Informatik-Produkte in rund 60 Poststellen. Später sind andere Anbieter wie Fujitsu-Siemens dazugekommen. «Wir konzentrieren uns dabei auf standardisierte Marken-Produkte, sind kein IT-Fachhändler und wollen auch keiner werden», sagt Post-Mediensprecher Richard Pfister.
Billig-Anbieter ist die Post trotz weitgehend fehlender Beratungs- und Service-Leistungen dennoch nicht. Man bewege sich im Mittelpreissegment, so Pfister. Da nicht einmal alle Poststellen mit dem Auto erreicht werden können, stellt sich schon die Frage, wer überhaupt in der Post einen Computer kaufen soll: «Mit diesem Angebot sollen die Poststellen attraktiver gemacht und ein kleiner Beitrag zur Reduktion des Defizits aus dem Poststellen-Betrieb erwirtschaftet werden», so Pfister.
Mindestens eine Person pro Poststelle wird entsprechend geschult, für komplexere Fragen müssen Kunden aber an die Helplines der Hersteller verwiesen werden. Das Computer-Angebot der Post scheint schwammig positioniert, und es erstaunt deshalb nicht, dass es nach anfänglicher Euphorie zu einer Konsolidierung kommt.


Artikel kommentieren
Kommentare werden vor der Freischaltung durch die Redaktion geprüft.

Anti-Spam-Frage: Welche Farbe hatte Rotkäppchens Kappe?
GOLD SPONSOREN
SPONSOREN & PARTNER