«Projekt Phoenix»: Frust für die Mitarbeiter

Die Moral bei den Mitarbeitern ist tief, die Verunsicherung bei den Kunden gross: Swisscom IT Services steckt mitten im Restrukturierungsprogramm «Phoenix».

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/20

     

Wie vor einiger Zeit bekannt wurde, soll der schlingernde Dampfer Swisscom IT Services mit einem umfassenden Restrukturierungsprogramm wieder auf Kurs gebracht werden. Das «Projekt Phoenix» genannte Vorhaben wird einschneidende Veränderungen mit sich bringen: Nach Informationen, die unserer Schwesterpublikation Infoweek zugespielt wurden, sollen bis 2004 ganze 11 von 18 Standorten geschlossen und bis 2005 die Rechenzentren konsolidiert werden.
Zudem werden dem Programm 400 der 2300 Stellen zum Opfer fallen. Die Verunsicherung bei den Mitarbeitern ist gross, intern herrscht das nackte Chaos. Leiden werden unter diesem Zustand vor allem die Kunden. Dem Management werfen die Mitarbeiter vor, unprofessionell zu kommunizieren und nicht nachvollziehbare Schliessungsentscheide zu treffen.

Schleppende Konjunktur oder hausgemachte Gründe?

Warum kommt es bei Swisscom IT Services zu einer solchen Restrukturierung? In einem internen E-Mail von CEO Urs Stahlberger an die Mitarbeiter heisst es: «Die Budgetierung für das Jahr 2004 hat bestätigt, dass wir die Zukunft von Swisscom IT Services nur durch drastische Kosteneinsparungen sichern können».
Diese werden notwendig, weil ab dem Jahr 2004 die Umsätze durch die reduzierten Preise, welche die Swisscom-Gruppengesellschaften und die AGI-Banken zahlen, massiv sinken würden, heisst es weiter. Zudem habe man auch den Hauptkunden im Betriebsgeschäft «marktbedingte Zugeständnisse von total 17,5%» machen müssen.
Swisscom IT Services war aus dem Informatik-Arm der Swisscom und dem Bankensoftware-Betreiber AGI IT Services entstanden. Aufgrund der Vorgeschichten beider Unternehmen hatte somit von Beginn weg ein sehr hohes Klumpenrisiko bestanden.
Offenbar hat Swisscom IT Services jetzt gegenüber Swisscom und den AGI- Banken massive Preiszugeständnisse machen müssen. Dies erstaunt wenig: Das Unternehmen wurde von Marktbeobachtern schon immer als teuer bezeichnet, und gerade im Banken-Sektor geht es derzeit hart auf hart – die meisten Finanzinstitute wollen weniger für ihre IT bezahlen.
«Wir verlieren Projekte, weil wir zu teuer sind», liest sich das Posting eines Mitarbeiters im Phoenix-Intranet-Forum von Swisscom IT Services, das IT Reseller vorliegt. Brisant: Selbst Swisscom Mobile soll als Swisscom-Gruppengesellschaft inzwischen wieder eine eigene IT betreiben – weil Swisscom IT Services zu teuer ist.

Standortschliessungen sorgen für Ratlosigkeit

Die angekündigte Schliessung von elf Standorten – namentlich Basel, Bellinzona, Biel, Chur, Genf, Neuenburg, Olten, Rapperswil, Sitten, Thun und Winterthur – sorgt im internen Forum für heisse Diskussionen: «Ich verstehe nach wie vor nicht, dass dort abgebaut wird, wo erwiesenermassen Millionen gewinne gemacht werden», äussert sich ein Mitarbeiter zur geplanten Schliessung des Churer Hosting-Centers.
Ein anderer meint: «Der Standort Chur wird geschlossen, obwohl er rentabel ist. Das Rechenzentrum Meggen wird abgebaut und verlegt und dafür baut man in Bern ein neues, obwohl Meggen rentabel ist». Auf der Webseite von Swisscom IT Services liest man immer noch den folgenden Passus: «Unsere Kundennähe kommt dann zum Tragen, wenn unser Support benötigt wird».
Wie es sich künftig mit der Kundennähe verhält, darüber kann nur spekuliert werden: «Wie vergangene Reorganisationen gezeigt haben, werden die Tätigkeiten und Kompetenzen der Mitarbeitenden immer mehr aufgeteilt. Dabei werden die Wege der Kunden länger, die Zeiten zur Problembehebung auch.
So wird meistens kein Franken gespart und die Motivation der Mitarbeiter gebrochen», äussert sich ein frustrierter Mitarbeiter im Phoenix-Forum. Fest steht: Die Moral der Truppe ist auf dem Tiefpunkt. «Aufgrund von Arbeitsmangel und der ungewissen Zukunft ist die Motivation sehr schwach», klagt ein Mitarbeiter.

Vor dem Grounding?

Swisscom-Sprecher Christian Neuhaus verbreitet einen anderen Tenor: «An den genannten Standorten mieten wir keine Bürofläche mehr. Den betroffenen Mitarbeitern werden die Optionen Abbau, Standort-Verschiebung, Einmietung beim Kunden oder Tele-Arbeit angeboten», so Neuhaus.
Dies vermag dem Pessimismus einiger Mitarbeiter keinen Abbruch zu tun – sie prophezeien dem Unternehmen sogar ein «Grounding»: «Das Projekt Phoenix zeigt klar, dass der Verkaufs- und der Verwaltungsapparat vergrössert und die Wertschöpfung reduziert wird. Unserer Meinung nach ein Indiz für ein bevorstehendes Grounding wie bei der Swissair.
Einige unserer Manager kommen ja auch von der Swissair», meint ein Mitarbeiter im internen Forum. Laut offiziellen Angaben will sich Swisscom IT Services in naher Zukunft auf die Kernsegmente Financial Services und Telekommunikation beschränken und primär die bestehenden Kunden halten.
Ob dieses Vorhaben aber mit einem Restrukturierungsprojekt, das von den eigenen Mitarbeitern kaum getragen wird, erreicht werden kann, bleibt abzuwarten. Ein denkbares Szenario wäre auch, dass sich Swisscom IT Services wieder in seine Bestandteile zerlegt – in den Banken-Software-Betreiberi AGI und in die Swisscom-Informatikabteilung. Die wenigen Drittkunden, die das Unternehmen hat, würden mit Sicherheit bei anderen Schweizer Anbietern Unterschlupf finden. (bor)


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