Aufschwung vor Augen, Zuversicht im Kopf

Die IT-Branche muss sich in Geduld üben. Wenn es auch bereits in kleinen Schritten wieder aufwärts ging, blieb der nachhaltige Aufschwung bis jetzt aus. Aber: Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2004/01

     

In diesem Jahr, man hört es allenthalben, soll es nun tatsächlich wieder aufwärts gehen mit der Konjunktur. Nach den Monaten der Verunsicherung und des Abbaus soll die Wirtschaft im Allgemeinen und die IT-Industrie im Besonderen wieder Tritt fassen und neue Höhen erklimmen.
Die Wirtschaftszahlen aus den USA liessen Mut schöpfen.
Und um so erwartungsvoller hängt so mancher dieser Tage an den Lippen der Konjunkturforscher. Zu Recht? Wer weiss – schliesslich hiess es ja bereits zu Beginn des letzten Jahres, das Schlimmste sei überstanden. Trotzdem scheinen die Zeichen untrüglich zu sein, wie eine Befragung zur Konjunktur zeigt, die IT Reseller bei bedeutenden Schweizer IT-Branchenvertretern durchführte.
Der Anteil der Firmen, deren Umsatz im letzten Jahr zunahm oder zumindest auf gleichem Niveau verharrte, hat im Vergleich mit der Umfrage vom letzten Jahr zugenommen (vgl. IT Reseller Nr. 1/20. Januar 2003, Seite 8). Waren es 2002 noch 58%, so sind es heuer bereits 72%, die eine solche zuversichtlich stimmende Umsatzentwicklung verzeichnen konnten. Dass rund ein Drittel sogar ein Umsatzwachstum im Rahmen von 6 bis 15% realisieren konnte, macht dabei besonders viel Mut für das kommende Jahr.

Aufschwung und keiner merkt es

Genaugenommen hat also der Aufschwung in der IT-Branche zumindest umsatzmässig bereits eingesetzt, wenn man die Entwicklung der Jahre 2002 und 2003 einander gegenüber stellt. Dieser vermutete Aufwärtstrend wird auch durch andere Konjunkturprognosen untermauert. So zeigt beispielsweise die Kurve bei der KMU Trend-Erhebung der UBS beim Punkt «Geschäftsgang Informatikdienste» schon seit Anfang 2002 wieder aufwärts, seit Anfang 2003 sogar besonders steil.
Die Voraussetzungen, dass es so weiter gehen könnte, sind jedenfalls vorhanden. Wie schon die Umfrage im letzten Jahr zeigte, hatten sich viele IT-Unternehmen bereits einer rigiden Kostendiät unterzogen, um bestmögliche Grundlagen für gute Zeiten zu schaffen. Schon damals gaben rund 47% der Befragten an, dass sie 2003 keine weiteren Kostensenkungsmassnahmen ergreifen werden. In diesem Jahr ist dieser Anteil gleich geblieben.
Geändert haben sich indes die Massnahmen, die jene 53% ergreifen, die in ihren Betrieben weiteres Sparpotential vermuten. Neben den erwartungsgemäss oft erwähnten allgemeinen Fixkosteneinsparungen und Lohnkostensenkungen bzw. Produktivitätssteigerungen wurde hier die Prozessoptimierung sehr häufig als Schlagwort genannt.

Einige Investitionsideen

Die Kostenbremse wurde also längst angezogen und allmählich beginnt die Investitionslust sich auszubreiten. An Ideen, wie das Geld ausgegeben werden soll, mangelt es nicht. Die meisten der Befragten (37%) wollen in die Mitarbeiterschulung investieren. Zudem scheint sich das Hinauszögern der Investitionen in die Infrastruktur dem Ende entgegen zu neigen.
21% der Befragten gaben an, im laufenden Jahr einen Teil ihres Geldes darauf zu verwenden. Einiges Geld (7% der Nennungen) wird zudem in den Aufbau neuer Geschäftsfelder bzw. in die Produktentwicklung fliessen (ebenfalls 7%). Als weitere Investitionsziele wurden Qualitätssicherung, Ausbau des Vertriebskanals, Akquisitionen, Prozessoptimierungen sowie internationale Expansion genannt. Nur gerade ein Unternehmen, und damit 1% der Befragten gab an, keine Investitionspläne zu haben.
Sehr eindeutig äussern sich die Befragten hinsichtlich der personellen Pläne. Die überwiegende Mehrheit von 64% gibt an, die Belegschaft ausbauen zu wollen. Bei 30% soll der Personalbestand unverändert bleiben. Lediglich 6% stellen einen Personalabbau für dieses Jahr in Aussicht. Hier ist gegenüber dem Vorjahr eine deutliche Veränderung festzustellen.
Damals planten noch 16% einen Personalabbau, während je 42% angaben, den Mitarbeiterbestand unverändert zu lassen bzw. mehr Personal einzustellen. Augenfällig ist beispielsweise, dass T-Systems Investitionen in der Höhe von 40 Mio. Franken tätigen oder dass Cambridge Technologies 33 neue Mitarbeiter einstellen will.

Hoffnung ruht auf Q2

Geht es nach den befragten Marktteilnehmern so wird sich der Aufschwung im eigenen Unternehmen im zweiten Quartal einstellen. 42% gehen davon aus. Weitere 30% rechnen für das dritte Quartal mit konjunkturellem Rückenwind. Ungeduldige 17% rechnen gar schon für das erste Quartal mit einem Aufschwung im eigenen Betrieb. Skeptisch sind jene 4%, die den Aufwärtstrend erst für das vierte Quartal erwarten und noch viel skeptischer jene 7%, die nicht vor 2005 damit rechnen.
Erwartungsgemäss gehen die Befragten davon aus, dass es zuerst im eigenen Unternehmen aufwärts geht, bevor dann die IT-Industrie generell Aufwind erfährt. So rechnen lediglich 7% mit Aufwind im ersten Quartal, 31% im zweiten, 27% im dritten und 14% im vierten Quartal. Skeptische 21% erwarten den Aufschwung in der IT-Branche hingegen nicht vor 2005.
Darüber, in welchen Produkt- und Dienstleistungsbereichen der IT-Industrie in diesem Jahr am meisten Potential schlummert, gehen die Meinungen zwar auseinander. Viel Zuspruch erfahren aber beispielsweise die Bereiche Teil-Outsourcing, Security, Enterprise Application Integration sowie Rechenzentrums- und Serverkonsolidierung und mobile Anwendungen.
Auf die Frage, wo die Firmen generell die grösste Chance für 2004 sehen, war ein markanter Tenor auszumachen. Stellvertretend dafür Felix Honegger, VR-Delegierter bei Informing: «Bei einer Erholung des wirtschaftlichen Umfeldes können wir davon ausgehen, dass im Mittelstand aufgeschobene Investitionen nachgeholt werden müssen, was zu einem zusätzlichen Wachstum führen kann.»
Viele der Branchenvertreter hoffen demnach darauf, dass der Funken springt und die aus ihrer Sicht längst fälligen, aber immer wieder aufgeschobenen Investitionen in die IT-Infrastruktur endlich erfolgen. Ausgesprochen zuversichtlich äussert sich EDS-Kommunikationschef Mark Saxer: «Die Stabilisierung ist erfolgt. Auf der gesunden Basis existierender Kunden kann EDS Schweiz in den Märkten (Air) Transportation, Finance, Healthcare und Telekom weiter wachsen beziehungsweise durchstarten.»

Warnende Stimmen

Trotz der mehrheitlich positiven Signale und der offenkundigen Zuversicht sind auch kritische Stimmen zu hören, die vor vorschneller Euphorie warnen. Man will den rosigen Aussichten, die von den Konjunkturpropheten verkündet werden, noch nicht so ganz trauen. Etwa Sepp Huber, der stellvertretend für Swisscom IT Services Stellung nimmt: «Trotz guter wirtschaftlicher Prognosen ist das Risiko gross, dass sich der Markt nur langsam erholt oder stagniert. Dies würde ein Wachstum und eine Etablierung in neuen Märkten erschweren.»
Crealogix-VR-Präsident Bruno Richle macht die grössten Risiken für sein Unternehmen bei einem weiteren Markteinbruch im eigenen Kernbereich aus. Ein weiteres Risiko wäre es, wenn unglückliche Merger&Akquisitions-Aktivitäten zu überhöhten Goodwill-Abschreibungen führen würden. Aber auch andere warnen vor «instabilem Aufschwung», «verzögertem Wirtschaftsaufschwung», «weiterhin zögerlicher Freigabe von IT-Budgets» oder wie es Netiraone-CEO Walter Zemp ausdrückt: «Wenn die Wirtschaft total einbrechen würde, was aber sehr unwahrscheinlich ist», wie er gleich wieder relativiert.
Eine spezifischere Bedrohung in Gestalt des Off Shore-Modells macht Jan-Michael Himmler, CEO von M&H Informatics aus.

Personelle Unwägbarkeiten

Wie oben bereits erwähnt wurde, planen 64% der Befragten, 2004 zusätzliches Personal einzustellen. Diese Pläne scheinen aber auch bei vielen einiges Kopfzerbrechen auszulösen. Andreas Wyss, Geschäftsführer bei AAC Computer, befürchtet beispielsweise, dass Mitarbeiter abgeworben werden könnten. Auch Comline-Geschäftsführer Andreas Lehmann bezeichnet den Abgang von qualifizierten Mitarbeitern als Risiko.
Zudem sind Stimmen zu hören, dass das Personal auf dem Stellenmarkt qualitativ nicht genügt. Etwa RedIT-CEO Andreas Kleeb bangt, nicht genügend hoch qualifiziertes Personal auf dem Arbeitsmarkt finden zu können. Und Hansjörg Brugger, Geschäftsführer bei Dynawell führt aus, dass zwar viel IT-Personal am Markt günstig zur Verfügung stehe, gibt aber zu bedenken: «Ob die Qualität dieser Personen stimmt, ist eine andere Sache.»
Brugger prophezeit zudem, dass der Preiskampf unvermittelt weitergehen wird in diesem Jahr, da genügend IT-Service-Anbieter für einen harten Konkurrenzkampf sorgen werden. Nicht zuletzt wird sich wohl oder übel auch das Übernahmekarussell ungebremst weiterdrehen und damit die Konsolidierung weiter vorantreiben.

Im Meteoritenhagel

Gerade noch knapp im alten Jahr hat RedIT mit den Fusionsgelüsten gegenüber Think Tools diesen Trend bestätigt. Skeptisch steht T-Systems der fortschreitenden Konsolidierung im eigenen Umfeld gegenüber. Head of Corporate Communication Daniel Hinz: «Konsolidierung bei einigen Mitbewerbern kann zu Marktunsicherheiten bei Kunden führen, die Investitionen weiter hinausschieben.»
Des einen Leid, des Bruno Richle, Verwaltungsratspräsident von Crealogix, Freud: «Es mag paradox klingen, aber die fortschreitende Marktkonsolidierung ist unsere grösste Chance. Sie könnte es uns ermöglichen, unsere Vision vom ‘Schweizer Software-Powerhouse’ im 2004 einen echten Schritt vorwärts zu bringen.» Und unverhohlen stellt Richle in Aussicht: «Crealogix will antizyklisch über gezielte Akquisitionen wachsen und ist zuversichtlich, dass dies im zweistelligen Prozentbereich möglich sein wird.»
Letztlich gibt es noch jene, die dem konjunkturellen Auf und Ab offenbar gar nie ausgesetzt sind: «Die Dienstleistungen unseres Unternehmens sind nicht sehr stark von der wirtschaftlichen Lage abhängig, weil sich Unterhalt/Support mit Ausbau/Investition im gesunden Gleichgewicht befindet», Markus Huber, CEO von BNC.
Und nur noch vor Schicksalsschlägen kosmischen Ausmassen fürchtet sich hingegen Guido Markowitsch, CEO WMC Computersysteme & Beratung: «Nachdem wir die vergangenen Jahre überstanden haben, kann uns nur ein Meteorit erschüttern.» (map)

Marktforscher zu 2004

Die Zunft der Marktforscher ist sich heuer auf breiter Front einig, dass im neuen Jahr der globale IT-Aufschwung endlich stattfinden wird. Allerdings: Schon in den letzten zwei Jahren machten sie, wenn auch nicht so geschlossen wie dieses Jahr, jeweils zum Jahresanfang ähnlich optimistische Voraussagen. Ein paar Monate später folgte jeweils die Korrektur.
Stellvertretend hier zwei Prognosen der bekanntesten Institute. IDC glaubt, dass 2004 das Jahr der «Wiederauferstehung des Technologiesektors» sein wird. Allerdings begleitet von einer massiven Konsolidierung: Das Kernangebot fast aller Hersteller besteht inzwischen aus standardisierten Produkten. Viele Player werden in einem Markt, in dem IT zur Commodity wird, neue Wege suchen müssen.
Gartner identifiziert drei heisse Gebiete, um die sich IT Manager in nächster Zeit kümmern müssen, damit ihre Unternehmen konkurrenzfähig bleiben: Web Services, Wireless Services und Server-Virtualisierung sind daher auch für IT-Dienstleister Wachstumschancen.


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