Linux ist, wie die Marktforscher von IDC kürzlich feststellten, kein Nischen-Player mehr, sondern Mainstream. Immer öfter bilde das Open-Source-Betriebssystem die Grundlage auch von geschäftskritischen Anwendungen. Unternehmen sehen es daher gerne, wenn interne und externe Mitarbeiter etwas von Linux verstehen. Insbesondere sind Administratoren gefragt, die sich über solide Linux-Kenntnisse ausweisen können.
Linux-Guru Dan York hatte bereits 1998 in der Linux-Gazette auf die Notwendigkeit einer Zertifizierung hingewiesen. Seine Argumente blieben in der Open Source Community zwar nicht unwidersprochen, führten aber immerhin zur Gründung des Linux Professional Institute (LPI), das seit 2001 die Zertifizierungen Level I (Administrator) und seit 2002 auch Level 2 (Professional) durchführt. Soeben hat das LPI gemeldet, dass sich die Zahl der Prüfungen innert Jahresfrist verdoppelt habe. Die Zahl derjenigen, die sich davon bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt erhoffen, stieg damit auf knapp 30'000.
Die Distributoren ziehen nach
Das LPI führt selber keine Schulungen durch, doch bieten verschiedene Schulungszentren Kurse an, die sich am LPI orientieren. Nun liegt es aber in der Natur der Sache, dass es zwar einen einheitlichen Linux-Kernel gibt, sich die einzelnen Distributionen aber dennoch in wesentlichen Merkmalen unterscheiden. Die wichtigsten Linux-Distributoren bieten daher eigene Kurse und Zertifizierungen an, die sich mit den Eigenheiten des jeweiligen Produkts befassen. Suse etwa setzte, solange die Distribution noch selbständig war, mit seinen Spezifizierungen auf die LPI-Diplome auf.
Red Hat zertifiziert in eigener Sache Red Hat Certified Technicians (RHCT, entspricht LPI I) und Red Hat Certified Engineers (RHCE, entspricht LPI II).
Nach der Übernahmen von Suse hat nun auch
Novell eigene Kursmaterialien und Zertifizierungen geschaffen: den CLP (Novell Certified Linux Professional) und seit diesem Herbst CLE9 (Novell Certified Linux Engineer). Die 9 in CLE9 bezieht sich dabei auf die gegenwärtige Version von Novell Linux. Mit der nächsten Version wird das Zertifikat dann wohl CLP 10 heissen und somit zeigen, für welche Version die Absolventen speziell ausgebildet wurden.
Werden die Letzten die Ersten sein?
Der Aufbau der Zertifizierungen ist bei allen drei grossen Anbietern ziemlich ähnlich. Er führt von den Grundkenntnissen und der Konfiguration eines Servers auf Level 1 zu Netzwerk- und Security-Lösungen auf der zweiten Stufe.
Die Zertifizierung bei LPI kostet pro Level 200 Dollar. Die Prüfung ist jederzeit möglich und umfasst zwei Multiple-Choice-Tests. Für die Vorbereitung wird mit je 16 Trainingstagen gerechnet.
Red Hat verlangt 249 respektive 749 Dollar bei vier und acht Trainingstagen und in der Regel monatlichen Prüfungen bei Red Hat selber oder bei einem Trainingspartner. Dabei sind reale Maschinen zu konfigurieren.
Novell ist am günstigsten: 195 Dollar pro Zertifizierung bei elf respektive zehn Tagen Vorbereitung. Der tiefe Preis wurde nicht zuletzt deshalb möglich, weil die Zertifizierung bei Novell-Trainingspartnern durchgeführt wird, die online mit dem zentralen Testcenter von
Novell verbunden sind. Die Prüfungen erfolgen mit Hilfe virtueller Maschinen am Bildschirm, wobei die Auswertung automatisch im Testcenter erfolgt.
Novell ist sichtlich um Interessenten bemüht – verständlicherweise, denn wer ein Novell-Zertifikat besitzt, wird sich auch dafür einsetzen, dass in seinem oder den von ihm beratenen Unternehmen Novell Linux zum Einsatz kommt.
Hohe Ansprüche
Reto Zwyssig von Novell Schweiz hofft, im nächsten Jahr in der Schweiz rund 200 Anwärter zertifizieren zu können. Peter Albrecht (Bild), Manager Linux Certification and Testing bei
Novell, betont jedoch: «Die Zertifizierung ist nicht einfach. Zurzeit haben wir eine Erfolgsrate von gerade einmal 40 Prozent. Wir stellen bewusst hohe Anforderungen, denn wir möchten, dass die von uns zertifizierten Leute in der Praxis auch wirklich Bescheid wissen.»
Zurzeit gibt es in der Schweiz drei Novell- Trainingspartner: Integrated Data in Genf, Dexion in Basel und Comicro Netsys in Wangen. Man ist aber, wie Zwyssig sagt, mit weiteren, auch grösseren Schulungsanbietern im Gespräch.
Besonders stolz ist Novell auf die Kursunterlagen. Albrecht erklärt: «Interessenten können sich damit zu Hause oder in Kursen der Trainingspartner auf die Zertifizierung vorbereiten. Die selbständige Vorbereitung ist sicher der Königsweg, da man dabei die Korrektur aller Fehler selber erarbeiten muss. Für die meisten Anwärter ist ein Kurs aber möglicherweise effizienter, da der Trainer jederzeit mit Auskünften zur Verfügung steht.» (fis)