Den Schweizer Fotofachhändlern bläst ein eisiger Wind ins Gesicht. Der Siegeszug der digitalen Fotografie und des Internets hat zu tiefgreifenden Veränderungen in der Branche geführt: «Es sind in kurzer Zeit viele Umsatzzweige weggebrochen», sagt Heiri Mächler, Präsident des Verbandes Fotohandel Schweiz, dem rund 300 Fachhändler angehören. Schmerzhaft für die Branche sei vor allem der Umstand, dass zwar viele Bilder geknipst, davon aber nur noch wenige auf Papier ausgegeben würden. «Hinzu kommt ein dramatischer Margenschwund im Kamerabereich sowie der fast totale Verlust des Reparaturgeschäftes, weil die günstigen Digitalkameras nicht mehr repariert, sondern einfach durch ein neueres Modell ersetzt werden.»
Dynamische und weniger dynamische Fotofachhändler
Dem Fotofachhandel bleibt nichts anderes übrig, als sich neue Bereiche zu erschliessen: «Ich denke an Fotokurse, die Anfertigung von Reportagen, den Verkauf von Zubehör, die professionelle Bearbeitung digitaler Bilder oder Spezialdienstleistungen wie die Übertragung von Super-8-Filmen auf DVD», erklärt Mächler.
Dass es Fachhändler gibt, die mit diesem Wandel besser zurechtkommen als andere, ist auch Jacques Staehli, dem Präsidenten der Interessengemeinschaft Schweizer Fotolieferanten (ISFL), aufgefallen: «Es gibt dynamische Händler, die den Bogen aktiv mitmachen, sich umschulen und an den veränderten Realitäten neu orientieren», sagt er. Der Begriff Imaging habe heute einen anderen Inhalt als früher. Den Wandel im Konsumverhalten würden einige Händler nach Kräften unterstützen: «Sie verkaufen nicht mehr nur Kameras, Objektive und Finishing-Dienstleistungen aus dem Minilab, sondern vermehrt auch Taschen, Fotoprinter, Tinte, Beamer und Leinwände, einfach alles, was irgendwie zur Bildpräsentation gehört.» Der dynamische Fachhändler habe auch heute noch Chancen auf dem Markt, wenn er sich auf wenige Marken konzentriere sowie gute Beratung und einen erstklassigen Service biete: «Viele Kunden sind mit den Möglichkeiten der Digitalfotografie und der Bildbearbeitung am Computer überfordert und brauchen den Support des Händlers», so Staehli.
Natürlich gebe es aber auch Händler, die den alten Zeiten nachtrauern würden: «Diese haben nicht begriffen, dass heute auch bei den Lieferanten die Luft draussen ist», erzählt Staehli. Früher hätten die Importeure von Kameras mit guten Margen gearbeitet, heute müssten sie mit weniger als 15 Prozent leben und damit nicht nur den Import und die Lagerhaltung, sondern auch den Support und die ganze Werbung finanzieren. «In der IT gab es nie etwas anderes, aber für den Fotohandel sind solche Zustände neu», so Staehli. Für Importeure und Händler sei es folglich wichtig, die Diversifikation im Bereich von Dienstleistungen und beim Zubehör zu suchen. Nur so könnten die zerfallenden Margen aufpoliert werden.
Im Bett mit dem Feind Internet
Ginge es nach dem Willen einiger Fachhändler, so würden diese am liebsten «das Internet abschalten», wie Verbandspräsident Mächler augenzwinkernd bemerkt. Tatsache ist, dass das Internet als Verkaufs-kanal für E-Tailer wie Netto24 oder Architronic die Kameramargen erodieren lässt und als Finishing-Kanal zunehmend von den Grosslabors für die Entgegennahme von Print-Aufträgen an Bedeutung gewinnt. «Die Zuwächse im Internetbereich sind zweistellig», sagt etwa Carsten Peters, Geschäftsleitungsmitglied von Photocolor Kreuzlingen. Auf der Strecke bleibt dabei oft der Fachhändler: Seine im Vergleich mit den Internet-Shops teuren Kameras werden zu Ladenhütern und sein Minilab ist mehr schlecht als recht ausgelastet.
Kameras zu Dumpingpreisen Sanktionen sind denkbar
Besonders bedauernswert ist für Mächler der Umstand, dass einige Fotofachhändler sich in ihrer Verzweiflung unüberlegt und kurzsichtig ins Internet-Business stürzen: «Gewisse Fachgeschäfte haben damit angefangen, Kameras zu Dumpingpreisen in Webshops zu verkaufen», so Mächler. Oft komme es auch vor, dass Händler teure Kameras ab einem Einstandspreis von einem Franken bei Ricardo verscherbeln würden: «Diese Produkte gehen dann für rund 20 Prozent unter dem Bruttopreis weg», so Mächler. Für das Verhalten der Händler, die sich in ihrer Verzweiflung einen neuen Absatzkanal erschliessen möchten, hat Mächler zwar Verständnis, tolerieren will der Verband es aber nicht uneingeschränkt: «An unserer Generalversammlung werden wir dieses Thema zur Sprache bringen. In extremen Fällen sind auch Sanktionen für die betreffenden Händler denkbar», so der Verbandspräsident zu IT Reseller.
Hoffnungsschimmer am Horizont
Dennoch: Es erscheint als durchaus möglich, dass der Faktor Zeit dem Handel wieder etwas auf die Beine hilft. «Der Konsument weiss heute genauer, wann sich der Einsatz des heimischen Fotodruckers lohnt», sagt auch Peters von Photocolor, «und zwar eigentlich nur dann, wenn es um kleine Volumen geht und es sehr schnell gehen muss.» In der Tat schätzt sogar
HP selber, dass das Home Printing künftig langsamer wachsen wird als Retail-Lösungen wie betreute Stationen oder eben Fotokioske. Gemäss einer Untersuchung des Herstellers sollen von rund 400 Millionen Bildern, die in der Schweiz im Jahr 2008 auf Papier ausgegeben werden, fast die Hälfte bei den Händlern angefertigt werden in Minilabs oder an Kiosken. Diese Zahl soll dann im Jahr 2010 bei total 480 Millionen ausgedruckten Fotos noch einmal merklich ansteigen, während das Home Printing bereits ab 2008 auf einem Niveau um die 200 Millionen Fotos stagniert. Wenn es den Fotofachhändlern gelingt, diesen klaren Trend für sich zu nutzen und den Kunden zurück in den Laden zu holen, dann sieht die Zukunft doch schon viel weniger düster aus. (bor)