«Handel heisst Wandel», so zumindest lautet eine alte Branchenweisheit. Das Aufkommen von Webshops, bargeldlosem Zahlungsverkehr oder individualisierter Kundenkartenprogramme sind einige deutlichste Beispiele, dass der Wandel im Handel vor allem ein Wandel in der IT ist. Auch wenn die Beispiele nur an der Oberfläche kratzen: Im Hintergrund jedes Handelsunternehmens sorgen Warenwirtschaftssysteme dafür, dass alles rund läuft und dass letztlich die Ware immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort ist. Abgesehen von einigen wenigen Branchengrössen hat der Handel in der Fläche jedoch bis heute eine gewisse Distanz zu IT- und Warenwirtschaftssystemen bewahrt. Die klassische Händlerseele liebt noch immer handgeschriebene Referenzblätter, Papierbestellungen und Faxkopien. De facto bedeutet das: Weite Bereiche des traditionellen Handels sind, trotz Aufkommen den E-Commerce, in EDV-Aspekten rückständig.
Zufriedenheit auf dem Prüfstand
Erstmals wurde im Rahmen der von IT Reseller unterstützten ERP-Zufriedenheits-Initiative gezielt der Bereich Handel - englisch oft einfach «Retail» genannt - untersucht. Es wurden sowohl Grosshändler, filialisierte Einzelhändler als auch Unternehmen im Bereich des technischen Handels mit entsprechendem Service-Angebot auf ihre Zufriedenheit mit verschiedenen ERP- und Warenwirtschaftssystemen hin untersucht. Die Ergebnisse sowie die gewonnenen Erkenntnisse werden nachfolgend erstmals dargestellt.
Trend zum Standard
Gleichzeitig hat sich im Handel ein Trend fortgesetzt, den die Industrie schon lange kennt: den Trend zur Standardsoftware. Während der Handel über lange Jahre hinweg noch mit einer Kombination von Uralt-Systemen, eigengestrickten Applikationen und allerlei Excel-Sheets gearbeitet hat, kam es in den letzten Jahren zu einer vermehrten Einführung von durchgängig integrierten Standardapplikationen. In der Schweiz haben es die beiden Grossverteiler vorgemacht, und mittlerweile ist eine grosse Anzahl von Handelsunternehmen gefolgt und hat Standard-ERP- oder Warenwirtschaft-ssysteme eingeführt. Je nach Handelsstufe – Gross- oder Einzelhandel – standen auch Kassen- und Filial-Informationssysteme auf dem Programm. Gleichzeitig hat die Standardisierung im Bereich Barcoding und EAN-Nummerierung ein grosses Potential beim Austausch von Waren gegenüber Herstellern und Lieferanten eröffnet. Federführend sind hier vor allem die Organisationen der GS1, die seit Jahren die Standardisierung vorantreiben. EAN und Barcoding bieten neben EDI ein grosses Rationalisierungspotential, das viele Handelsunternehmen noch immer nicht ausgeschöpft haben.
Warenwirtschaftssysteme sind kein Privileg der Grossen
Nun sind viele Entscheidungsträger im Handel geneigt, mit den Achseln zu zucken und darauf zu verweisen, dass moderne IT- und Logistikprozesse ein Privileg der Grossverteiler sind. Zahlreiche Beispiele auch bei kleinsten Unternehmen, etwa der Altwiser Fisher HiFi, zeigen jedoch, dass mit vergleichsweise geringen Kosten und einem überschaubaren Risiko integrierte Warenwirtschaftssysteme auch für KMU im Handel möglich sind. Um es klar zu sagen: Ein Warenwirtschaftssystem ist kein Privileg nur für Grosse, sondern ist für alle Händler machbar. Man muss es nur wollen, bereit sein, an der richtigen Stelle zu investieren, und sich halbwegs professionell auf das Projekt vorbereiten.
Diverse kompetente Anbieter stehen zur Auswahl
Untersucht man die im Handel vertretenen ERP-Anbieter, zeigt sich ein buntes Bild: Hier treffen Branchenspezialisten mit integrierten Generalisten zusammen, hier treffen Systeme mit Schwerpunkt Buchhaltung auf reine Warenwirtschaftler, die bewusst auf eine eigene Buchhaltung verzichten. Nachdem der Handel über lange Jahre beinahe die reine Domäne von absoluten Branchenexperten war, zeichnet sich hier langsam, aber klar eine Trendwende ab: Immer mehr «Breitband»-Generalisten dringen in die Branche vor. Grundlage für den Erfolg sind dabei speziell auf den Bereich des Handels angepasste Branchen-Templates. Viel wichtiger jedoch ist das Handels-Know-how bei den eigenen Beratern.
Der Handel verhält sich wie der allgemeine Markt
Letztlich gelten aber auch im Handel alle Beobachtungen, die auch sonst bei früheren ERP-Zufriedenheitsstudien gemacht wurden: Kleine lokale Anbieter haben die Nase vorn, grosse, internationale Anbieter tun sich schwer mit der Kundennähe. Grössere Unternehmen sind - wie immer - kritischer und damit auch unzufriedener -und zuletzt ist die eigentliche IT-Technologie nicht entscheidend. Auffällig ist die insgesamt gute Positionierung von mySAP ERP (bzw. R/3): Hier sind die Kunden mit dem System überdurchschnittlich zufrieden, die Dienstleistungsqualität hinkt jedoch dem System hinterher. Gut plazieren können sich insbesondere auch Schweizer Anbieter wie
Opacc, Tosca oder Blueoffice, die sich im Vergleich zur internationalen Konkurrenz bestens plazieren. Unter den Tellerrand der Statistik fallen leider die sonst so oft genannten Branchenexperten: weder
Oracle Retail noch Maxess, Alldata Gold oder Compex haben genügend Kunden, um in der Statistik eine klare Aussage zu bieten.
Wer die Wahl hat, hat die Qual
Letztendlich zeigt sich der Handel als reifer Markt, der gegenüber anderen Branchen in nichts zurücksteht. Zum Erfolg führt schliesslich ein Investitionsentscheid und eine gute Projektabwicklung. Hier besteht sicher die grösste Gefahr: Noch immer fehlt es im Handel an kompetenten Ressourcen, die ERP-Projekte beherzt anpacken können.
Die neue Studie «Anwenderzufriedenheit ERP/Warenwirtschaft im Handel» bietet einen Einblick in das Marktangebot und stellt die Systeme auf den Prüfstand der Anwender. Weitere Informationen und die Möglichkeit, die Studie zu bestellen (Auslieferung ab Ende November 2008), finden Sie unter www.erp-z.info/retailstudie
Der Autor
Dr. Eric Scherer ist Partner und Geschäftsführer des Beratungs- und Marktforschungsunternehmens Intelligent Systems Solutions (i2s) in Zürich. Er ist Initiator der «ERP-Zufriedenheitsstudie». Die neue Studie «Anwenderzufriedenheit ERP/Warenwirtschaft im Handel» bietet einen Einblick in das Marktangebot und stellt die Systeme auf den Prüfstand der Anwender.