Am dritten und letzten Tag des
Intel Developer Forums in San Francisco hat Forschungs-Chef Justin Rattner den teilnehmenden Entwicklern einen Einblick in aktuelle Forschungsprojekte des Chip-Riesen gewährt. Die wichtigste Message seiner Keynote war denn, dass Computersysteme künftig mehr "user-aware" funktionieren müssten. So sollen sich die PC, Server, Laptops und Tablet-PC der Zukunft um sich selbst kümmern, wissen, was sie oder der Benutzer gerade tun, antizipieren, was der Benutzer als nächstes tun möchte und sogar wissen, wo sie sich gerade befinden. Zu guter Letzt sollen sie aber auch ihre eigene Polizei sein und auf sich selber aufpassen, damit sie – etwa im Falle einer Wurm-Infektion – nicht auch andere Computer im Netzwerk in Mitleidenschaft ziehen.
Diese hehren Ziele will Intel mit geballter Forschungsanstrengung erreichen. Rattner gab in der Folge Einblick in eine ganze Reihe von Projekten in den Intel-Labs. Weil nach wie vor in den meisten IT-Shops rund 80 Prozent der Kosten für den Unterhalt von bestehenden Systemen anfallen würden, sollen etwa Server in Data-Centern besser auf sich aufpassen, beispielsweise Temperaturunterschiede selber erkennen und in einem solchen Fall ohne menschliche Intervention und schnell reagieren. Zusammen mit Alan Ganek, dem Technikchef von Tivoli Software und Vice President Autonomous Computing bei
IBM, führte Rattner eine Technik vor, die plötzlich ansteigende Temperaturen mit der Hilfe von Sensoren erkennt. Die Datenverarbeitung wird dann automatisch auf einen "kühleren" Server verschoben, während sich der überhitzte Server selber abschaltet.
Einen weiteren Forschungsschwerpunkt der hohe Stromverbrauch von Systemen: Weil die Volt-Regulatoren auf den Motherboards nur sehr langsam auf Pausen reagieren, die der Benutzer einlegt, geht beim Betrieb eines Rechners viel wertvoller Strom verloren. Mit dem Prototypen eines Motherboards, auf dem zum ersten Mal die CMOS-Komponente mit den Volt-Regulatoren integriert ist, soll sich laut Rattner die Batterielebensdauern von Laptops um 20 bis 30 Prozent erhöhen lassen. Hinzu kommt, dass das Motherboard viel kleiner gestaltet werden kann. Wie ernst es Intel damit ist, wurde deutlich, als zwei bullige Sicherheitsleute das fragliche Board direkt im Anschluss an die Keynote unter einem schwarzen Tuch verhüllten und sich schützend davor stellten, als im Anschluss an die Keynote Dutzende von Entwicklern die Bühne stürmten.
Einen weiteren Schwerpunkt bildet das so genannte "location-aware computing". So soll ein System mit der Hilfe der Drahtlos-Technik Wifi erkennen, wo es sich gerade befindet. Eine Anwendung davon führte Rattner gleich vor: Je nachdem, in welchem Zimmer sich der Benutzer mit dem Tablet PC befindet, zeigt das Heimnetzwerk einen Film oder eine TV-Sendung auf dem Bildschirm im entsprechenden Zimmer. Weiterer Pluspunkt: Von ausserhalb des Hauses kann nicht mehr auf das Wifi-Netz zugegriffen werden, was den bislang kostenlos surfenden Nachbarn ärgern dürfte.
Nach drei Tagen IDF zogen die meisten Teilnehmer eine positive Bilanz: Die Entwickler wurden mit einer geballten Ladung an aktuellen Infos versorgt und auch das Networking kam im Moscone Convention Center und ausserhalb sicher nicht zu kurz. Langjährige Teilnehmer vermissten allerdings ein wenig die Überraschungen am Forum: Es sei nichts wirklich Neues oder Bahnbrechendes erzählt worden, hiess es. Diesem Umstand konnten sie aber immerhin so viel Gutes abgewinnen, als dass die begonnene Reise von Intel mindestens konsequent und in hoher, ganz auf das Moore’sche Gesetz abgestimmten Geschwindigkeit weitergeht.
(Boris Schneider, San Francisco)
Foto: Justin Rattner, Intel Senior Fellow and Director of Corporate Technology Group, spricht mit Robby, dem Robotter aus dem Science Fiction Thriller "Forbidden Planet".