Der typische Netzwerker hat längst das Zeitliche gesegnet. Er hat umgesattelt, sich spezialisiert und bietet heute Netzwerkdienstleistungen unter anderem an. Die Anwendung ist in den Vordergrund gerückt. Dass der Kunde Lösungen will, die ihn bei seinen Geschäftsprozessen unterstützen, hat das Netz als Transportmittel mit seinen Funktionen in den Hintergrund gedrängt.
Das Netzwerk-Know-how kommt für die zu Systemintegratoren mutierten Firmen trotzdem oft gelegen. Wenn es beispielsweise darum geht, Komponenten mit neuen Funktionen in ein bestehendes Netz einzufügen, IP-Telefonie-Lösungen aufzubauen oder die Kunden gegen die Gefahren aus dem Internet abzuschirmen. Zudem gibt es nach wie vor sehr klassische Dienstleistungen, die Anbieter mit Netzwerk-Know-how von der Marge her schätzen. Netzwerk-Wartungen mit Neu- und Umkonfigurationen sind gemäss LAN-Services-Geschäftsführer Reto Bertschi margenträchtig. Performance-Steigerung, garantierte Leistungsmerkmale (QoS), Anwender-Authentisierung und Power over Ethernet – das sind Motivationsgründe, die gemäss Peter Küng, Geschäftsführer von Cassarius, die Kunden die Netzwerk-Hardware ersetzen lassen. Auch wenn hier der Preiszerfall die Margen weiter nach unten drückt.
Wireless LAN und VoIP hoch im Kurs
Die schmelzenden Margen haben die Netzwerker bereits vor Jahren neue Geschäftsfelder suchen lassen. Heute bieten sie Security-Dienstleistungen an, vernetzen Gebäude drahtlos mit Wireless LAN oder setzen ganze Telefonielösungen auf.
Die Sicherheit ist mit ihren ständig wechselnden Bedrohungen und den Abwehrkonzepten ein schwieriges Feld. «Die Security-Angebote werden immer komplexer», resümiert Karl Widmer von Widmer Informatik. Das Wachstum sei nicht so stark, man müsse trotzdem dranbleiben, so Widmer. Auch Reto Bertschi von LAN Services findet, dass der Security-Markt überschätzt werde. Das Geschäft laufe zwar gut, 2004 habe man aber nicht besser abgeschlossen als 2003.
Bei den Einschätzungen, was zurzeit besonders gefragt ist, gibt es einen Konsens: Wireless LANs scheinen dem Vernehmen nach hoch im Kurs zu stehen. Cassarius, Comdat,
LAN Services,
T-Systems und Widmer Informatik bestätigen samt und sonders, dass hier zurzeit die Nachfrage sehr stark ist. Viele Hoffnungen werden auch an die IP-Telefonie und die Konvergenz von Daten und Sprache geknüpft.
Schwieriges Feld
Vom IP-Telefonie-Geschäft wird schon lange viel erwartet – aber es lässt auf sich warten. Allerdings scheinen hier die Wahrnehmungen sehr unterschiedlich zu sein. «Wir haben in den letzten Monaten eine klare Steigerung von konkreten IP-Telefonie-Anfragen festgestellt», informiert T-Systems-Firmensprecher Daniel Hinz. «Wir machen Klimmzüge, um IP-Telefonieprojekte zu verkaufen», gesteht ein anderer Anbieter ein, der nicht genannt werden will.
Die Systemintegratoren, die im Telefoniebereich aktiv sind, treten mitunter gegen jene Elektroinstallateure (die klassischen «Telefönler») an, die sich über Jahre einen treuen Kundenstamm aufgebaut haben, den sie nun verständlicherweise in der anbrechenden IP-Ära auch verteidigen wollen. Hier findet gegenwärtig ein Schlagabtausch statt. Die IT-Integratoren haben das Know-how, komplexe Systeme aufzusetzen und zu warten. Die Telefönler sitzen auf dem grossen Kundenstamm.
Die Firmen aus dem IT-Lager geben sich allerdings gelassen. «Die Telefoninstallateure sind kurzfristig vielleicht im Vorteil. Langfristig wird es aber nur ein Netz geben. Und das wird ein IP-Netz sein», sagt Sergio Kaufmann, Geschäftsführer von Comdat. In Richtung Telefonie steuert Comdat bereits seit fünf Jahren und hat auch entsprechende Spezialisten eingestellt. Bis das VoIP-Geschäft an Fahrt gewinnt, baut Comdat auch klassische Anlagen auf. «Pro Monat haben wir aber mindestens ein Data/Voice-Integrationsprojekt», sagt Kaufmann.
Konsolidierung geht
unvermindert weiter
«IP-Telefonie ist zwar ein attraktives Thema, die Kunden sind mit der Investitionsbereitschaft noch etwas verhalten», gibt Cassarius-Geschäftsführer Peter Küng zu bedenken. Zudem seien die Kunden bei der Telefonie die tieferen Stundenansätze eines Telefoninstallateurs gewohnt und nicht immer bereit, die IT-Ansätze zu bezahlen. In solchen Situationen braucht es Überzeugungskraft. Diese schöpft Cassarius aus der Strategie, die darauf basiert, dass die Informations- und Kommunikationstechnologie einen wesentlichen Beitrag am Unternehmenserfolg der Kunden leisten muss. «Bis jetzt hat kaum eine Firma eine Lösung für das Customer Relationship Management, die sowohl die Telefonie als auch die IT umfasst», schildert Küng die Wachstumschancen. Den Prozess vom Infrastrukturprovider zum IT-Dienstleister hat Cassarius gemäss Küng bereits vor drei Jahren eingeleitet.
Trotz vielversprechender Aussichten rechnen die Anbieter damit, dass die Konsolidierung im Markt unvermittelt anhält. «Aufgrund des anhaltenden Preiszerfalls ist mit einer weiteren Konsolidierung zu rechnen», lautet die Einschätzung von
T-Systems zum Schweizer Netzwerkintegrationsmarkt. Reto Bertschi von
LAN Services drückt es so aus: «Wer 2005 noch immer nur Boxen verkauft, hat ein Problem.»
Vielfalt als Problem
Dessen sind sich die schon seit jeher serviceorientierten Elektro- und Telefoninstallateure auch bewusst. Auch das gestiegene Qualitätsbewusstsein der Kunden, die heute aussergewöhnlich hohe Verfügbarkeit und Leistung bei der Netzwerkinfrastruktur erwarten, stellt diese Anbieter nicht vor Probleme. Die Herausforderung stellt für die Anbieter aus der Telefonecke vielmehr die zunehmende Ausdehnung und Komplexität der Netzwerke dar. Schon die Anzahl von Technologien, Komponenten, Kabeln, Verbindungen, Schnittstellenkarten, PCs und Software-Modulen ist heute so gross, dass klassische «Telefönler» teilweise überfordert sind. Auch der Trend zum komplett vernetzten Heim stellt die Elektroinstallateure vor neue Herausforderungen. Schrumpfende Margen und zunehmende Konkurrenz durch IT-Firmen, die ebenfalls im Netzwerkteich fischen, verschärfen die Situation zusätzlich.
Kundenstamm als Vorteil
Während die klassischen Elektrotechniker in der Regel einen grossen und treuen Kundenstamm haben und ihre Dienstleistungen zu althergebrachten, relativ günstigen Stundenansätzen erbringen, liegen die IT-Firmen, was die Installation von komplexen, neuen Systemen betrifft, eindeutig vorn. Die neue Konkurrenz der IT-ler wird von den klassischen EDV-Netzwerkern ganz klar wahrgenommen: «Zu den bisherigen Mitbewerbern in der traditionellen Sprachkommunikation haben sich neue aus der IT-Welt gesellt. Der Konkurrenzdruck hat insgesamt zugenommen», sagt ein Anbieter, der nicht genannt werden will. Um mithalten zu können, beinhaltet sein Dienstleistungsangebot mittlerweile Consulting, Engineering, Projektleitung, Realisierung, Inbetriebsetzung und Betrieb von ganzen Gebäudesystemen von der Elektrotechnik über Telekom-Infrastruktur, Informatik bis zum Gebäudemanagement. Die Kundensegmente sind ebenfalls breitgefächert: KMU, Industrie- und Handelsunternehmen, Banken, Versicherungen, öffentliche Verwaltungen, Kliniken und Hotels.
Michael Böhm, Inhaber der Ustermer MLB Organisationen, sieht die Konkurrenzsituation gelassener: «Wir spüren keinen grossen Druck, da wir alle Bereiche – Telefon, Netzwerk, Server – abdecken und zudem preisgünstig arbeiten.» MLB Organisationen ist auf Dienstleistungen im Netzwerk- und PC-Bereich fokussiert, das Zielpublikum reicht von Privatpersonen bis hin zu kleinen und mittleren Unternehmen. Böhm spürt eine zunehmende Nachfrage im Netzwerkmarkt, vor allem durch Ablösungen von alten Netzwerken. Besonders im KMU-Bereich gebe es vermehrt Neuinstallationen und Erneuerungen vornehmlich im Internet- und WLAN-Bereich.
Ähnliche Wahrnehmung des Marktes
Für den Kunden ist integrierte Technik funktioneller, sicherer und mitunter preisgünstiger als ein Sammelsurium von Insellösungen. Wer als Anbieter dabei noch die individuellen Wünsche des Kunden ernst nimmt und berücksichtigt, hat schon einen Fuss in der Tür. Intelligente und flexible Produkte sind jedoch nur eine Seite der Medaille. Genauso intelligent und flexibel müssen die Menschen sein, die sie an den Mann bringen wollen. Hier sind auch die Hersteller gefordert, ihrem Verkaufs-Channel unter die Arme zu greifen.
Ähnlich wie die IT-Systemintegratoren, nehmen die Elektroinstallateure die Situation im Markt für IP-Telefonie wahr: «Der Markt muss sich noch entwickeln», resümiert Michael Böhm von MBL Organisationen. «Die Kunden sind skeptisch, die Sicherheit steht im Vordergrund.» Die IP-Telefonie entwickle sich je nach Branche unterschiedlich, so die Ansicht eines Anbieters, der anonym bleiben möchte. Der KMU-Bereich verhalte sich der neuen Technologie gegenüber defensiv. Falls echte Bedürfnisse bestehen bzw. geweckt wurden, entscheide er sich gern für eine Hybridanlage, also eine PBX-Anlage mit IP-Funktionalität. Er kann weiterhin alle seine bisherigen Gewohnheiten beibehalten und erhält zusätzlich die Funktionalität eines VoIP-Systems.
Die Frage nach dem Wann
Hinsichtlich der Trends im Netzwerkmarkt stimmen die Aussagen der Elektroinstallateure mit jenen der IT-Firmen nahezu überein. Kabellosen Verbindungen über WLAN und Power over Ethernet sowie externen Datensicherungen werden die grössten Entwicklungschancen eingeräumt.
Grundsätzlich geben die Elektroinstallateure eine positive Marktprognose für das laufende Jahr ab. Infolge der Sparbremse der letzten Jahre seien vor allem KMU wieder bereit, im IT-Bereich zu investieren respektive Versäumtes und Vernachlässigtes aufzuholen. Der Voice-Kommunikation wird aber noch eine Stagnation vorausgesagt. Eine Entscheidung bezüglich Investitionen in eine Voice-Anlage könne häufig aufgeschoben werden, heisst es. Längerfristig wird vor allem im WLAN-Bereich, aber auch bei der IP-Telefonie eine verstärkte Nachfrage erwartet. Irgendwann wird für die Firmen eine integrierte VoIP-Anlage unerlässlich, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die Frage ist, wann. (map/sk)