Ich bin auch eine Telekom

Internet Service Provider entdecken ein neues Betätigungsfeld. Immer mehr gehen mit IP-Telefonie auf Tuchfühlung – kein einfaches Geschäft.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/07

     

Voice over IP ist wie geschaffen dafür, ein lukratives Betätigungsfeld für Firmen zu werden, die sich seit jeher intensiv mit IP-Netzen befassen: die Internet Service Provider (ISP). Zu glauben, dass das Geschäft für die ISPs wegen dem vorhandenen IP-Know-how und Qualitätsbewusstsein ein Selbstläufer ist, wäre aber verfehlt. Ganz im Gegenteil: Die Prozesse bei der IP-Telefonie bei der Verrechnung und der Kundenbetreuung, aber auch regulatorische Auflagen des Bundesamtes für Kommunikation (Bakom) unterscheiden sich sehr stark vom Geschäft mit den Internetzugängen und den darauf aufbauenden Dienstleistungen wie VPN oder Firewall. Gründe genug für die ISPs, die Sache vorsichtig anzugehen.
«Wir haben gewisse Ideen, spruchreif sind sie aber noch nicht», sagt Fredy Künzler vom Internet Service Provider Init Seven. In naher Zukunft sollen weitere Tests gefahren werden, führt der Init-Seven-Geschäftsführer aus, ohne aber den Schleier zu lüften. Nur ein bisschen IP-Telefonie zu betreiben, um den Umsatz anzuheben, dafür lohne sich der ganze Engineering-Aufwand nicht. Auch wenn seine Firma grundsätzlich in der Lage wäre, eine solche Infrastruktur zu betreiben. Künzler ist der Meinung, dass ein ISP das machen soll, was er am besten kann, und das sei eben nicht Telefonie, sondern der Betrieb von IP-Netzen. «Und IP braucht es immer», so der Init-Seven-Chef zuversichtlich mit Seitenblick auf die Telefonieanbieter.
Auch Cybernet hat bei Voice over IP eine defensive Strategie gewählt. Der KMU-Provider unterhält ein SIP-Gateway, an das allfällige VoIP-Partner andocken können. «Wir wollen nicht in direkte Konkurrenz zu unseren Business-Partnern treten», erklärt CEO René Waser diesen Ansatz.

Tripple Play

Darüber muss sich Reto Bertschi, Geschäftsleiter der in Biel ansässigen LAN Services, keine grossen Gedanken machen. Seine Firma bietet IP-Telefonie im Wholesale-Verfahren zum Wiederverkauf an. Vergleichbar mit Cablecom bedient LAN Services TV-Kabelnetz-Betreiber. «Die Nachfrage nimmt eindeutig zu», sagt Bertschi. Nach Abschluss des Pilotversuchs erfolgt jetzt der definitive Start. Bis Ende 2005 sollen Partner die Dienstleistung ihren Kunden anbieten können. Bei den Endkunden wird eine Telefonbox dem Kabelmodem vorgeschaltet, später soll eine integrierte Lösung zum Einsatz kommen. Der gesamte Betrieb erfolgt bei LAN Services, ihren Partnern liefern sie die sogenannten Call Data Records für die Rechnungsstellung. Wahlweise übernimmt LAN Services die Fakturierung für die Partner. Bertschi glaubt an die Zukunft mit einem Kabel, über das telefoniert, gesurft und ferngesehen wird – Tripple Play, wie es die beiden Grossen, Cablecom und Swisscom, vormachen. Dass klassische ISPs hier mitmischen und IP-Telefonie aus eigener Hand anbieten können, bezweifelt Bertschi. Vor allem, wenn es um den Firstline-Ersatz geht – also jene Leitung, die meistens noch über die Swisscom zum Telefonieren bezogen wird. Ein ISP könne sicherlich seinen Kunden, die nicht qualitätssensibel sind, einen IP-Telefoniedienst im Stil von Skype anbieten. Das funktioniere aber vor allem bei Privatkunden, und Geld verdiene man damit auch nicht.

Ein Zwischending

Dass es für einen klassischen ISP zu riskant wäre, selbst IP-Telefonie als Firstline-Ersatz anzubieten, steht auch für den Managing Director von Green, Guido Honegger, ausser Frage. Deswegen ganz die Finger davon zu lassen, aber ebenfalls. Er hat sich für einen Zwischenweg entschieden. Er bietet seinen Kunden VoIP an, indem Green als Reseller der Firma One4all auftritt. Als ISP im KMU-Markt sei es heute wichtig, die ganze Palette an Kommunikationsdienstleistungen aus einer Hand anbieten zu können, und da gehöre selbstverständlich auch die Telefonie dazu. Viele ISPs hätten die Bedeutung von VoIP unterschätzt, glaubt Honegger.
One4all wurde letzten Herbst gegründet und hat in der Schweiz mittlerweile vier Reseller. Neben Green sind dies Via Networks sowie die beiden Nicht-ISPs Translumina (IT-Consulting und Telecom Source (Telco-Provider).

Ehrgeizige Pläne

Nicht auf einen Partner will sich Netstream verlassen. «Wir switchen selbst», sagt der sichtlich stolze CEO Alexis Caceda. Gegen Ende April will man mit den neuen Dienstleistungen an die Öffentlichkeit. Zuerst soll die Aufmerksamkeit der Consumer geweckt werden.
Geplant ist, ein Portal aufzuschalten, über das diese Zielgruppe die neuen Dienste nutzen kann. Erst nach dieser Feuertaufe will Netstream beginnen, die anspruchsvollere Kundschaft, sprich Unternehmen, zu bedienen. Seit rund neun Monaten arbeitet der ISP aus Dübendorf an einer eigenen VoIP-Infrastruktur. Speziell geschultes Personal sei nicht angestellt worden, man habe das Know-how selber aufgebaut, erklärt Caceda. Die kaufmännischen Prozesse habe man bereits intus durch die Reseller-Aktivitäten im Telefoniebereich für MCI. Wenn alles reibunglos klappt, will Netstream anderen Internet Service Providern die Telefoniedienstleistungen zum Wiederverkauf anbieten.
Die kurze Rundschau unter den Schweizer ISPs zeigt, dass es keinen Königsweg für das VoIP-Geschäft gibt. Nur eines ist sicher: Daran vorbei kommt keines dieser Unternehmen. (map)

Telefonie für den ISP

Dass die IP-Telefonie allmählich in Fahrt kommt, lässt sich allein daran ablesen, dass hierzulande immer mehr Dienstleistungsfirmen in diesem Bereich gegründet werden. Da gibt es beispielsweise die Firma One4all (www.one4allnet.com), die IP-Telefonie für den Wiederverkauf den TV-Kabelnetz-Betreibern und ISPs anbieten.
Ein weiterer Anbieter, der kürzlich mit einem VoIP-Angebot auf sich aufmerksam machte, ist Backbone Solutions. Die Firma bietet ebenfalls VoIP für den Wiederverkauf und stellt den Partnern eine SIP-Plattform mit Abrechnungssystem und Administration zur Verfügung.


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