Fixsterne und Planeten am ERP-Himmel

Die Ergebnisse der dritten ERP-Anwender-Zufriedenheitsstudie von i2s in Zusammenarbeit mit IT Reseller und InfoWeek zeigen, dass es im Schweizer Business-Software-Markt durchaus Systeme gibt, die in der Kundenbewertung im Vergleich zum letzten Jahr stabil sind, während eine Vielzahl der bewerteten ERP-Systeme deutlich schlechter als im Vorjahr abschneiden.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2005/16

     

Im ERP-Markt gibt es Bewegung: das ist das Hauptergebnis der diesjährigen ERP-Zufriedenheitsstudie, die von der Zürcher i2s Research zusammen mit den Medien der Compress-Gruppe (IT Reseller und InfoWeek) durchgeführt wurde. Damit spiegelt sich das allgemeine Marktgeschehen in einigen Bereichen in der Zufriedenheit der ERP-Anwender; in anderen Bereichen lässt sich ein direkter Zusammenhang nicht nachweisen.

Was hat sich bewegt?

Die ERP-Zufriedenheitsstudie wurde bereits das dritte Mal durchgeführt, was einen Vergleich mit den Vorjahren erlaubt und so Rückschlüsse auf längerfristige Entwicklungen gezogen werden können. Im folgenden sollen die wichtigsten Ergebnisse und Erkenntnisse kurz kommentiert werden.
Betrachtet man die verschiedenen Portfolios, die die Zufriedenheit der Anwender mit dem System sowie dem jeweiligen Einführungspartner darstellen, fällt schnell eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Sternbild auf. Vergleicht man die Ergebnisse der verschiedenen Jahre, stellt man fest, dass es auf dem Markt quasi Fixsterne gibt und Planeten. Fixsterne sind solche Systeme, die mit einer gewissen Konstanz ihre Ergebnisse halten. Für den Anwender und potentiellen Kunden ist Konstanz in einem so bewegtem Markt, wie dem ERP-Markt, sicher eine wichtige Grösse. Seit Jahren kann sich das System «Tosca» von Dynasoft als einer der klaren Frontrunner der ERP-Zufriedenheitsstudie halten. Die kleine Solothurner Software-Schmiede zeichnet sich sowohl durch Engagement als auch Kompetenz und Kundennähe aus.
Ein weiterer Fixstern am «ERP-Himmel» ist eindeutig das Produkt mySAP ERP (vormals R/3) des Weltmarktführers SAP. Auch wenn sich SAP optisch im Gesamtportfolio nicht optimal plazieren kann, besticht es durch seine Konstanz: bei SAP ist klar, wo die Vor- und Nachteile im Projekt liegen. Damit sind SAP-Projekte ausgesprochen gut planbar geworden. Gepaart mit dem fast schon nicht mehr zu überblickenden Funktionsumfang stellt SAP damit gerade für anspruchsvolle KMU eine valable Option dar.
In der Bewertung deutlich abgefallen sind in diesem Jahr erstmals einige kleinere Anbieter, namentlich Blue Office und Proffix. Die Gründe hierfür sind sicher vielfältig, in aller Regel zwingt Erfolg am Markt zu Wachstum. Bei kleinen Anbietern bedeutet Wachstum jedoch schnell eine schlechtere Dienstleistungsqualität. In vielen Fällen schlagen hier aber auch einzelne Vertriebspartner durch, da es kleinen Anbietern deutlich schwerer fällt, hier zentrale Qualitätsmassstäbe durchzusetzen.

Schweizer Anbieter mit zufriedenen Kunden

Von Interesse sind neben dem Marktführer und den traditionell eher auf Kleinunternehmen spezialisierten «Frontrunnern» natürlich auch der Markt dazwischen. Hier lässt sich zuvorderst feststellen, dass sich eine ganze Anzahl von Schweizer Anbietern, die sich mehrheitlich klar auf den gesamten KMU-Markt konzentrieren, ausgesprochen gut plazieren kann. Auch wenn man hier im Detail einige Bewegungen feststellen kann, fällt auf, dass sich zahlreiche Schweizer ERP-Anbieter am Markt behaupten können und über zufriedene Kunden verfügen. Die Liste der Schweizer Anbieter, die sich Jahr für Jahr behaupten, ist leider so lang, dass es schwierig ist, sie hier aufzulisten. Exemplarisch seien hier die beiden Innerschweizer IN ERP und Opacc One genannt, die in jüngster Zeit auch in Deutschland Kunden gewinnen konnten, aber auch Systeme wie Ifas oder Proconcept, die auch komplexere Produktionsprozesse abbilden können.

Zunehmende Internationalisierung der Konkurrenz

«Umrahmt» wird der Bereich der Schweizer Anbieter durch eine zunehmend überschaubare Anzahl internationaler Anbieter. Zuvorderst fällt hier die gute Plazierung der Produkte von Microsoft, namentlich Navision und Axapta, auf. Axapta konnte nach einem Jahr der Abwesenheit im 2005 erstmals wieder bewertet werden und zeigt eine deutlich bessere Positionierung als im Jahr 2003. Hier zeigt sich die zunehmende Reife sowohl der Software als auch der Partner beziehungsweise der durch die Partner erbrachten Dienstleistungen. Man darf mit Spannung beobachten, ob Microsoft hier Dynamics in die richtige Richtung bringt.
Von Interesse ist natürlich die Positionierung der traditionellen, aus dem PPS- und Logistik-Umfeld stammenden deutschen Anbieter. Hier sticht neben PSI Penta, das sich nach einigen Problemen wieder deutlich besser positionieren kann, vor allem Infor Com hervor. Infor Com richtet sich an komplexere und damit anspruchsvolle Produktionsunternehmen. In den vergangenen Jahren gab es aufgrund von Besitzerwechseln und Übernahmen einige Verunsicherung, die sich bei den Anwendern in nicht immer sehr freundlichen Bewertungen niedergeschlagen hat. Die Probleme um Infor Com scheinen mittlerweile wieder im Griff zu sein und die Kunden deutlich zufriedener.

ERP-Zufriedenheitsstudie zeigt Markttrends auf

Die ERP-Zufriedenheitsstudie zeigt sich deutlich als Barometer für Markttrends auf. An erster Stelle steht hier die enge Verknüpfung von Einführungsdienstleistung und Software-Produkt. Um erfolgreich zu sein und auf einen zufriedenen Kundenstamm zu blicken, ist eine sehr hohe Qualität der eigenen Dienstleistung notwendig. Bei kleineren Anbietern kommt diese quasi fast von selbst, da sie sich zwangsweise in der Nähe des Kunden bewegen. Einzig kleinere Anbieter haben eher Probleme, ihr Dienstleistungsniveau konstant hochzuhalten. Bei grösseren Anbietern zeigen sich schnell die Probleme des indirekten Vertriebskonzepts: wer als Anbieter seine Software über Partner vertreibt, verliert die enge Kopplung zwischen Software und Software-Entwicklung einerseits und Dienstleistungsangebot und dessen Erbringung andererseits. Kundennähe und Dienstleistungsqualität sind gerade für den indirekten Vertrieb die zentrale Herausforderung.
Dieser Umstand zeigt sich auch deutlich beim grossen Abwesenden: Wo steckt eigentlich Oracle mit seiner zunehmend breiter werdenden Produktpalette? Die Antwort ist auch in diesem Jahr einfach: Auch wenn Oracle über eine ganze Anzahl von guten und leistungsfähigen Produkten verfügt, fehlt es den Amerikanern in der Schweiz an der ausreichenden Kundenbasis, um in der ERP-Zufriedenheitsstudie präsent zu sein. In der Praxis fehlt es Oracle vor allem an kompetenten Beratern im eigenen Haus sowie bei den Vertriebspartnern. Diese Beraterbasis aufzubauen ist nicht einfach und wird durch die zunehmende Breite der eigenen Produktpalette noch erschwert. Die Gefahr der Verzettlung ist immanent. Gleichzeitig wird klar: nur wer seine Vertriebs- und Beratungspartner gezielt aufbaut und auch straff führt, wird die notwendige Qualität im indirekten Vertrieb erzielen, die SAP – als Platzhirsch – schon seit Jahren aufweisen kann.

Problem: Stammdaten-Management und Stammdaten-Migration

Von Interesse sind auch die Verschiebungen bei der Bewertung der Probleme. Hier steht erstmals das Thema «Stammdaten-Migration» an erster Stelle: Die Datenberge in den Unternehmen haben in den vergangenen Jahren erheblich zugenommen. Zahlreiche «offizielle» Applikationen, aber auch eine wahre «Schwämme» von Excel-Sheets und Access-Programmen enthalten mehr und mehr geschäftskritische Daten. Die Migration dieser Daten ist allein von der Menge, aber auch von ihrer Qualität her – wie beurteilt man die Datenqualität eines grossen Excel-Sheets? – ein Problem.
Die Anwenderseite – die für die stark gewachsene Zahl von Dateninseln gesorgt hat – ist hier klar überfordert. Die meisten Anbieter sind in der Lage, Daten zwar technisch zu migrieren. Sie in der eigenen Neu-Applikation zu sinnvollen Informationsblöcken zusammenzuführen, ist jedoch nicht einfach. Für Anbieter und Berater ist es notwendig, hier in Zukunft weiter Kompetenz aufzubauen und Methoden zu entwickeln. Dies gilt jedoch nicht nur für die eigentliche Migration, sondern auch für das spätere Stammdaten-Management. Workflow, Plausibilitätschecks, Hilfsmittel zur Massendatenmutation und eine statistische Qualitätskontrolle werden immer wichtiger.

Eine Studie, die man lesen sollte

Mit dem vorliegenden Text können die Erkenntnisse der Studie nur gestreift werden. Wie es der Geschäftsführer eines grossen deutschen Anbieters formuliert, hat die Studie das Augenmerk auf die «weichen» Faktoren von ERP-Produkten gelenkt und erheblich zu einem besseren Bewusstsein für die Dienstleistungsqualität auf seiten der Anbieter geführt. Die Studie wird mittlerweile parallel in allen deutschsprachigen Ländern durchgeführt und allein im Jahr 2005 konnten so gut 3000 Einzelbewertungen statistisch verarbeitet werden. Die Studie wird dabei auch auf seiten der Anbieter ganz unterschiedlich wahrgenommen: Während das Marketing der Anbieter hier schnell schwarzweiss denkt – wenn man nicht unter den Bestplazierten ist, neigt man schnell zum «Schwarz» –, werden die Ergebnisse seitens Planern und Beratungsverantwortlichen als wichtige Hilfe erkannt. Leider, so munkelt man, haben einige Anbieter versucht, sich zu einem «schwarzen Zirkel» zusammenzuschliessen – in aller Regel, ohne die Studie wirklich zu studieren. Es bleibt zu hoffen, dass die Studie gerade von Anbietern genau gelesen wird und als Basis für einen internen KVP-Prozess (kontinuierliche Verbesserung) genutzt wird.
(Eric Scherrer)


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