2006 werde das Jahr für VoIP, hiess es in der Branche. Das hiess es schon ein paar Mal. Es entstand gar der Eindruck, der VoIP-Durchbruch sollte herbeigeschrieben werden. Wenn man aber nun die Aktivitäten am Markt verfolgt, wird dieser Eindruck bestätigt. Da schiessen die Anbieter von Internet-Telefonie wie Pilze aus dem Boden. Allerdings darf man sich ob der Vielzahl der Anbieter nicht täuschen lassen: Bei den meisten handelt es sich um Wiederverkäufer, die technisch auf die Infrastruktur eines Telefonie-Providers zurückgreifen. Zum Beispiel steckt hinter Namen wie Citytel, Guest-VoIP, Onephone oder Phonestar letztlich Backbone Solutions, ein Internet Service Provider, der sich auf Telefonie spezialisiert hat. Der ISP
Green.ch greift hingegen auf die Dienste von One4All zurück, TIC hingegen nutzt E-Fon als Telefonie-Provider.
Das Telefoniegeschäft bleibt auch im IP-Zeitalter eine komplexe Angelegenheit mit anspruchsvollen Prozessen. Davon kann nicht zuletzt
Cablecom ein Lied singen auf dem Weg zum Trippleplay-Anbieter bezahlte das Unternehmen viel Lehrgeld. Kleinere Unternehmen können es sich nicht leisten, sich hier die Finger zu verbrennen. Dies ist einer der wichtigsten Gründe, weshalb das Feld der Firmen, die Voice over IP aus erster Hand anbieten, sehr klein ist. Es gibt aber noch einen weiteren nicht minder triftigen Grund: Die Preise. Angesichts der zumindest im Festnetz gegen Null tendierenden Verbindungspreise für 2 Rappen pro Minute lässt sich von der Schweiz nach Spanien telefonieren ist die Frage mehr als berechtigt, ob sich mit der Telefonie überhaupt noch Geld verdienen lässt.
In Zukunft Flatfee
Die Tatsache, dass zurzeit viele Firmen ins VoIP-Geschäft einsteigen, legt nahe, dass sich damit Geld verdienen lässt, auch wenn die Gesprächsminuten immer günstiger werden. Die VoIP-Anbieter selbst gehen davon aus, dass über kurz oder lang die Tarife in einem Flatfee-Angebot verschwinden werden. Der Kunde zahlt dann eine monatliche Servicegebühr und kann so oft und lange telefonieren, bis die Drähte (ver)glühen ohne zusätzliche Kosten. Bis zu den ersten Flatfee-Angeboten ist es aber noch eine Weile hin, und die Endverbraucher sehen sich einem undurchsichtigen Tarifdschungel gegenüber.
Gutes Geld lässt sich mit der Telefonie verdienen, sofern nicht beide Gesprächsteilnehmer über VoIP telefonieren. Die Rede ist von Margen von 15 bis 20 Prozent, teilweise auch mehr, auf den Gesprächsverbindungen ins herkömmliche Festnetz. Beim Anruf auf das Mobilnetz tendiert die Marge gegen 10 Prozent – hier verdienen vor allem die Mobilnetzbetreiber.
Das Geschäftsmodell für die Betreiber der Telefonie-Infrastruktur sieht grundsätzlich so aus: Sie verdienen (noch) an den wiederkehrenden Einnahmen durch die Gesprächsminuten und vor allem auch dem Betrieb der Plattform im Auftrag ihrer Kunden. Die Reseller der VoIP-Angebote verdienen bei der Installation ein paar Margenprozente bei der Hardware, können dem Kunden ihre Installationsdienstleistung in Rechnung stellen und werden an den wiederkehrenden Umsätzen der VoIP-Kunden beteiligt.
Die kleinen Unterschiede
Aus der Nähe betrachtet kocht hingegen jeder Anbieter mit seiner VoIP-Infrastruktur sein eigenes Süppchen. Nicht zuletzt auch weil sie den Markt unterschiedlich einschätzen.
Backbone Solutions aus Schindellegi zum Beispiel will gross ins Geschäft einsteigen. Mit VoIP begann das Unternehmen 2004. Für das Wholesale-Angebot verlangt der Anbieter eine Installationspauschale von 7500 Franken sowie monatliche Wartungsgebühren von 750 Franken. Bei der Light-Variante mit anderem Verrechnungsmodell kostet die Installation 2500 Franken und die monatliche Wartung 300 Franken.
Der Wholesale-Anbieter bedient mittlerweile zehn Partner mit seiner Lösung, die unter eigenem Namen am Markt auftreten. Einer dieser Reseller, Sipcall, gehört dem Wholesale-Anbieter selbst. Konflikte mit den anderen Partnern gab es gemäss Sprecher Marcel Gmür bis jetzt nicht. Zusammen bilden alle Partner von Backbone Solutions das sogenannte Freecall Network. Es umfasst rund 30+000 User, die untereinander gratis telefonieren können.
Bei Sipcall arbeitet das Unternehmen mit 150 Installationspartnern für die Betreuung der Endkunden zusammen. Auf der Hardware haben diese Partner 10 bis 15 Prozent Marge und werden dann mit 10 Prozent am Gesprächsumsatz beteiligt. Bei anspruchsvolleren Geschäftslösungen stehen fünf sogenannte Corporate Solution Partner bereit.
Als nächster Schritt steht die internationale Expansion an. Mit Sipcall hat das Unternehmen bereits eine Niederlassung in Österreich gegründet. «In der Schweiz sind wir mit VoIP bereits relativ weit. Österreich ist dagegen noch eine grüne Wiese», erklärt Geschäftsführer Michael von Tobel. In den nächsten Wochen soll Sipcall auch in Deutschland an den Start gehen. «Wir haben das ganze europäische Festland im Auge mit unserem VoIP-Angebot», sagt Vontobel.
Break-even wäre möglich
Ebenfalls im Jahr 2004 hat E-Fon aus Zürich mit VoIP gestartet. Der Betrieb der Lösung findet bei Innovate IT statt, einem IT-Dienstleister, der aus dem E-Fon hervorgegangen ist. Mittlerweile beschäftigt E-Fon sieben Mitarbeitende. Geschäftsführer Stefan Meier spricht von mehreren Tausend Anschlüssen, die über die Plattform von E-Fon laufen. Für die Partner locken Margen bei der Installation von bis zu 40 Prozent. Auf den Verbindungsminuten danach zwischen 10 und 20 Prozent. E-Fon arbeitet bereits mit etwa 50 Partnern zusammen. Darunter hat es reine Wiederverkäufer, aber auch sogenannte Whitelable-Kunden, die das Wholesale-Produkt von E-Fon unter eigenem Markennamen anbieten.
Unter den Partnern befinden sich auch solche, die über eine eigene Netzinfrastruktur verfügen wie etwa die Internet Service Provider Cyberlink oder Interway. «Irgendwann wird der Kunde alle Dienste über eine Leitung beziehen», erklärt Meier, «deshalb haben wir Netzbetreiber als Partner verpflichtet.»
Gemäss Meier wäre E-Fon bereits heute in der Lage, Gewinn zu erwirtschaften. «Wir wollen aber ins Wachstum investieren», sagt er und erwähnt Verkauf und Partnerbetreuung als jene Bereiche, die weiter ausgebaut werden sollen. Da die Minutenpreise irgendwann verschwinden werden, hat E-Fon sich von Anfang an auf Zusatzdienstleistungen konzentriert. Beim Angebot Virtual PBX spart sich der Kunde die Kosten für eine Anlage, bei IP Connect wird die TVA des Kunden via IP mit dem E-Fon-Netz verbunden. Das Wachstum findet statt: «Es sind nicht 10 oder 20 Prozente», sagt Meier, «es sind Faktoren.»
Nur Geschäftskunden
Während Backbone Solutions die Zukunft im internationalen Geschäft sieht und E-Fon auf die Zusatzdienstleistungen zur Telefonie setzt, hat One4all sich dafür entschieden, sich ausschliesslich auf Geschäftskunden zu fokussieren. One4all bietet seine Dienste im Wholesale-Verfahren an Internet Service Provider zum Wiederverkauf an.
Bei den Verbindungen komme es darauf an, was eingekauft werde, sagt Felix Jakob, der für den Betrieb verantwortlich ist. Allein schon für das nötige Volumen mache es Sinn, Wholesale anzubieten. «Das Telekom-Geschäft ist nur mit dem entsprechenden Volumen profitabel», sagt Jakob.
Jakob geht davon aus, dass es noch eine Weile gehen wird, bis die Umsatzeinbussen bei der herkömmlichen Telefonie bei
Swisscom,
Sunrise und Konsorten ein Ausmass annimmt, dass sie reagieren werden. Die Zukunft sieht Jakob bei Combi-Angeboten für Geschäftskunden, die Internetzugang, Hosted Exchange und VoIP bieten. Er geht davon aus, dass die Preise im Geschäft mit Firmenkunden in naher Zukunft nicht gross sinken werden, da hier die Qualität im Vordergrund steht.
Beim Wachstum rechnet Jakob, dass über die nächsten zwei Jahre das VoIP-Gesprächsvolumen sich verzehnfachen wird. Und hier will One4all an vorderster Front mitmischen: «Wir wollen zum führenden VoIP-Wholesale-Anbieter in der Schweiz werden», so Jakob selbstsicher.
Die nächsten Monate werden jedenfalls spannend im VoIP-Geschäft. Denn letztlich werden nicht alle heute aktiven VoIP-Anbieter erfolgreich sein. Die Marktteilnehmer rechnen damit, dass es binnen der nächsten drei Jahre zu einer Bereinigung kommen wird. (map)