Eine Meldung hat im Umfeld all der Hiobsbotschaften um Massenentlassungen, Kostensenkungsmassnahmen und Restrukturierungsprogrammen von IT-Unternehmen bei mir besondere Aufmerksamkeit erregt. Der Software-Riese
Microsoft will offenbar eine eigene Ladenkette eröffnen! Diese Meldung ist, wie die meisten, die sich um die Redmonder drehen, in Windeseile um den Erdball geflitzt und hat allenthalben zu heftigen Diskussionen geführt.
Ganz abgesehen davon, dass bereits Meldungen über mögliche Flaggschiff-Läden vom Konkurrenten
Apple regelmässig auf grosses Interesse stossen, so ist in diesem Fall die Konstellation eine ganz andere als bei Jobs Firma, die sich alle paar Jahre wieder neu erfindet. Was will denn Microsoft in seinen Shops ausstellen, und was bezwecken die Verantwortlichen damit?
Man stelle sich also vor, dass solche Shops als Vorzeige-Objekte dienen sollen. Sie müssten an bevorzugter Lage mit hohem Personenaufkommen in Grossstädten lokalisiert sein. Möglicherweise am New Yorker Times Square, zum Beispiel schräg vis-à-vis des Apple-Tempels und vielleicht grad neben dem Nokia-Store. Ob das Publikum einem Microsoft-Shop, gefüllt mit X-Boxen und Microsoft-Tastaturen und -Mäusen, die Türen einrennt, sei dahingestellt, dürfte aber eher fraglich sein.
Will sich der immense Aufwand für eine Ladenkette mit, wie es heisst 200 Shops, auf irgendeine Weise rechtfertigen lassen, so kann es nicht um den Absatz von Produkten, sondern nur um die Etablierung eines Image gehen. Oder eben um den direkten Kontakt zum Endkunden, wie Microsoft es formulierte. In dieser Beziehung kann Microsoft dem Erzrivalen Apple nicht im mindesten das Wasser reichen.
Will heissen: Microsoft müsste seinen gesamten Markenauftritt neu definieren. Angefangen bei den Verpackungen, hat man doch bei den Produkten aus Redmond nicht das geringste Gefühl von Lebensart. Wer ein Windows kauft, könnte geradeso gut eine neue Mischbatterie für einen Wasserhahn in den Händen halten. Von der Logistik, die mit einer Ladenkette zu bewältigen wäre, ganz zu schweigen. Man darf gespannt sein.
Markus Häfliger
Chefredaktor