Die erste Liebe zum Internet war eine heimliche: David Burkardt, Sohn einer Lehrerin und eines Handwerkers, wuchs in einem Zuhause ohne Fernseher auf, weil es die Eltern so wollten. Klar, dass da auch das Internet nicht ins Haus kam. Es scheint so, als ob dieses Verbot ihn zum erfinderischen Unternehmer machte. Im zarten Alter von 15 Jahren schlich David mit einem Modemkabel zur Telefonbuchse und verlegte dieses unter dem elterlichen Teppich in sein Schlafzimmer, das ihm offenbar zu eng geworden war. Plötzlich stand ihm und seinem Ideenreichtum die Welt offen.
Heute lacht Burkardt über diese Episode: «Ich konnte den Internet-Anschluss nicht länger als zwei Wochen verheimlichen.» Die Eltern haben sein Geständnis mit Humor zur Kenntnis genommen. Jetzt dürften sie froh sein, dass sie nicht strenger waren. Seit nunmehr fast zehn Jahren verdient Burkardt sein Geld nämlich im Computergeschäft als Selbständiger. Der erste Versuch drängte sich dabei beinahe auf: Als Schüler am musisch orientierten Gymnasium Leonhard in Basel traf er auf unzählige Schüler, die keine Ahnung von PCs hatten, aber doch welche brauchten.
Also begann er, Komponenten einzukaufen und selber PCs zu bauen: «Ich habe mir ein schönes Sackgeld damit verdient, mehr nicht», sagt er dazu. Ein nachhaltiges Geschäftsmodell war es auch nicht gerade. Rund zwei Jahre später hatte er aufgrund des Schulabschlusses die Nähe zur Kundenbasis verloren. Zugleich sorgte der Preiskampf im Hardware-Geschäft dafür, dass sich das Ganze schnell nicht mehr lohnte. Burkardt dazu: «Der reine Verkauf hat sich zwar noch rentiert, sobald man aber nur schon einen Garantiefall hatte, war es ein Minusgeschäft.»
Chemiestudium hingeschmissen
Doch Burkardt hatte Blut geleckt, er fühlte sich wohl in der Haut des Unternehmers und hielt Ausschau nach weiteren Geschäftsmöglichkeiten. 2003 war die nächste Idee gereift, und er gründete mit seinem Freund Tobias Byland die Einzelfirma Cyon, damals bloss ein weiterer Hoster unter vielen. Die Firma war eigentlich nur dazu gedacht, das Studium der beiden Gründer zu finanzieren. Die ersten Kunden waren schnell gefunden, Burkardt startete sein Chemie-Studium, zog deshalb aus dem Elternhaus aus und nahm sich eine Wohnung 100 Meter von der Universität Basel entfernt.
Doch was sich wie die perfekte Ausgangslage für ein Studium anhört, war Burkardt nicht gut genug: «Als ich neben der Uni gewohnt habe, ging ich noch genau einmal hin.» Dann hat er die Ausbildung hingeschmissen. Denn erst jetzt wurde ihm richtig klar, dass er vor allem eines sein will: Sein eigener Chef.
In der Zwischenzeit erwirtschaftet Cyon 750’000 Franken jährlich, und beherbergt rund 10'000 Domains. Darunter sind viele kleine Firmen und Projekte - auch in der Blog-Szene ist man gut verankert - doch auch prominente Namen sind auf der Kundenliste zu finden. So beispielsweise die Max Havelaar-Stiftung, der Sportausrüster Sherpa Outdoor oder der Schweizer Sänger Gölä. Man ist so erfolgreich, dass selbst regionale Barrieren und Abneigungen fallen. Erst kürzlich haben die FCZ Tigers, Fanverein des gleichnamigen Zürcher Fussballklubs, ihre Web-Seite beim Basler Hoster eingerichtet.
Innovationen statt Preiskampf
Das Geschäft läuft also gut, auch wenn es nicht einfach ist. Denn auch hier tobt der Preiskampf. Aber Burkardt hat mit den Jahren gelernt, dass der Preis nicht alles ist: «Eine Zeitlang haben wir beim Dumping mitgemacht. Doch jetzt haben wir die Preise wieder angehoben und konzentrieren uns auf qualitative Verbesserungen», erklärt er. So haben er und sein Team unter dem Projektnamen Momo während der letzten zwei Jahre die ERP- und CRM-Lösung «Froox» entwickelt, die seit neuestem an der die Verwaltungsplattform «my.cyon» angehängt ist. Damit können Kunden Server, Domains und Rechnungen per Web-Anwendung einfach und schnell verwalten. Laufzeiten, Verlängerungen, Preise, sowie Kontakt- und Rechnungsdaten werden so auf einen Blick ersichtlich.
Somit habe man den Automatisierungsgrad bei der Domainverwaltung massiv erhöht. Und damit will er dieses Jahr die Umsatzgrenze von einer Million Franken knacken, Wirtschaftskrise hin oder her: «Für Schnelligkeit, Zuverlässigkeit und Einfachheit sind die Kunden eben noch bereit, etwas mehr als den tiefstverfügbaren Preis zu bezahlen», so Burkardt. Das Geschäftsmodell Shared Hosting sei ein Balance-akt. Cyon verdient Geld, aber reich werde der Inhaber damit nicht. Und das obwohl der Arbeitseinsatz hoch ist und Ferien kaum drinliegen: «Ich habe zweimal für längere Zeit Ferien gemacht. Einmal in den USA, da haben wir vom Parkplatz aus über mobile Datenverbindungen ab und zu unsere Kunden betreut.» Das zweite Mal, als er für vier Wochen in Mexiko war, sei das aber schon schwieriger geworden, weil sich das Geschäft mitten in einem Wachstumsschub befand.
Freizeit bleibt dem Jungunternehmer also wenig. Umso wichtiger ist es ihm, dass seine Mitarbeiter nicht bloss normale Mitarbeiter sondern auch Freunde sind. Im aktuellen Team ist denn auch niemand über 28 Jahre alt. Zwar gestaltet sich beim Abgang eines Mitarbeiters die Suche nach Ersatz etwas schwierig. Dafür findet es aber niemand seltsam, dass seine Freundin Salomé Meier im Unternehmen für Finanzen und Vermarktung zuständig ist. Denn die dauernde Nähe schaffe wenig Probleme: «Wir wohnen auch zusammen, aber das klappt prächtig. Und so können wir immerhin den einen oder anderen Geschäftsausflug zu privaten Ferien verlängern.» Sagt es, schaut auf die Uhr und macht den Interviewer darauf aufmerksam, dass sie jetzt dann los müssen. Nach Köln, an den Webhosting-Day mit anschliessenden Stadtferien. Erreichbar sei er aber trotzdem immer. Es gibt sie wirklich nicht bei Burkardt, die Grenze zwischen Arbeits- und Freizeit. (Claudio De Boni)
David Burkardt
David Burkardt ist als Sohn einer Lehrerin und eines selbständigen Handwerkers im solothurnischen Dornach aufgewachsen. Schon während seiner Ausbildung an der Steiner Schule half er Verwandten und Bekannten bei ihren Computerproblemen. Bald darauf begann er, auf dem Schulhaus des Basler Gymnasiums Leonhard, Computer zu verkaufen. Schon da merkte er, dass er gern sein eigenes Geld verdient. Trotzdem wollte er erst einmal ein Studium abschliessen. Doch nach drei Jahren merkte er, dass er da zu wenig selbständig sein konnte, und widmete sich dem Aufbau seiner Firma Cyon, mit der er die Schweizer Marktführerschaft anstrebt.