Mittelmass hat keine Perspektive

Menschen wollen von Natur aus nicht auffallen. Nicht zuletzt deshalb werden auch Verkäufer, die mit ihren Leistungen nach oben oder unten ausscheren, vom mittelmässigen Mittelfeld gemieden. Wenn Chefs anfangen, den Wettbewerb innerhalb von Teams zu verhindern, kann dies fatale Folgen haben.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/06

     

Von einem Journalisten auf das frühe Ausscheiden der Schweizer Nationalmannschaft an der Fussballeuropameisterschaft angesprochen, sagte Dr. Hansruedi Hasler, technischer Direktor des Schweizerischen Fussballverbandes, in der Online-Zeitung «Linth24.ch» vom 19.08.2008: «Das Hauptproblem sehe ich darin, dass wir in der Schweiz auf allen Ebenen Mittelmässigkeit fördern.» Ähnliches lässt sich auch im Artikel «Junge Talente gesucht» nachlesen, welcher am 28.10.2008 in der «Neuen Zürcher Zeitung» erschien. Darin bemängelt der Autor Hans Senn unter anderem, dass in der Schweiz die Förderung einer breiten Elite vernachlässigt würde und stattdessen in den Schulen das egalitäre Mittelmass proklamiert wird. In einem Land, in dem hinter zugezogenen Gardinen genau beäugt wird, was sich in Nachbarsgarten abspielt und schon ein schlecht gepflegter Rasen für Kopfschütteln sorgt, kann die Abweichung von der Norm schnell zu negativen Konsequenzen führen. Alle, die zu positiv oder negativ aus der Masse ragen, müssen mit Ausgrenzung, Neid und Missgunst rechnen.


Wohl nicht zuletzt damit lässt sich die zur Schau getragene Bescheidenheit vieler erfolgreicher Manager und Unternehmer erklären, die nicht müde werden zu erwähnen, sie würden ihre Hemden nach wie vor bei C&A einkaufen oder dass sie ihre Ferien am liebsten im Wohnwagen im Tessin verbringen. Keinesfalls möchte man den Neid der anderen erwecken und versucht, sich so normal wie möglich zu geben. Denn wer das Brandmahl des Abzockers auf der Stirn trägt, wird dieses so schnell nicht mehr los. Der Mensch als soziales Wesen ist von der Gunst seiner Umwelt abhängig, und auch erfolgreiche Zeitgenossen können sich diesen gruppendynamischen Prozessen nur schwer entziehen. Die Angst, von der Gruppe ausgestossen und isoliert zu werden, führt deshalb dazu, dass wir uns unter Missachtung jeglicher Vernunft und Logik der vermeintlich richtigen Mehrheitsmeinung anschliessen, um nicht ausgegrenzt oder zurückgewiesen zu werden.

Gruppendruck mit üblen Folgen

Dem Phänomen des Druckes, welche Gruppen auf den Einzelnen ausüben, widmete sich auch der Forscher Solomon Asch. In seinen Experimenten forderte er Gruppen von sieben Personen dazu auf, die Schnur auf dem Bild A, der Schnur mit der gleichen Länge auf dem Bild B zuzuordnen ­(siehe Grafik). Was dabei zwei Gruppenmitglieder nicht wussten: Die Mehrheit der vermeintlichen Versuchspersonen wurde vorgängig vom Versuchsleiter ins Experiment eingeweiht. Sie nannten dann während der Entscheidungsfindung in den Gruppendiskussionen absichtlich die gleichen falschen Ergebnisse. Das Erschreckende dieses Versuches: Obwohl es offensichtlich war, dass die Resultate nicht stimmen konnten, schloss sich über ein Drittel der Versuchspersonen der Gruppenmeinung an.


Gerade in einem derart kompetitiven Umfeld wie dem Verkauf, kann der Gruppenzwang nach mittelmässiger Leistung allerdings fatale Folgen haben. In solchen Verlierer-Teams ist übermässiger Ehrgeiz, Hartnäckigkeit und unbändiger Siegeswillen verpönt. Doch sind es eben diese Eigenschaften, die ein Top-Verkäufer benötigt, um erfolgreich zu sein. Wer nicht aus ganzem Herzen an die Spitze gelangen möchte und sich aus Bequemlichkeit oder vielleicht gar aus mangelndem Ehrgeiz mit einem Trostpreis zufrieden gibt, der wird mit Sicherheit jedes Projekt an die Konkurrenz verlieren.

Gesunden Wettbewerb fördern

Ich habe in Verkaufsteams gearbeitet, in denen man von Kollegen schief angeschaut wurde, wenn man den Telefonhörer in die Hand nahm, um potentielle Neukunden abzuklappern. Ich habe es erlebt, dass als Streber galt, wer vor 8 Uhr im Büro sass. Und ich höre immer wieder von erfolgreichen Verkäufern, dass ihnen neidische Arbeitskollegen das Leben schwer machen. Es liegt auf der Hand, dass sich mittelmässige Vertriebler durch Top- Performer in ihrer Sonntagsruhe gestört fühlen, denn damit wird ihre mangelhafte Leistung umso transparenter. Dass sich die Schwachen darum zusammenrotten, um gemeinsam Überlebensstrategien zu entwickeln, ist verständlich. Es ist aber inakzeptabel, wenn der Chef nicht darauf reagiert und Werte im Team verankert, die der Mittelmässigkeit und dem Schlendrian Vorschub leisten. Er wird nämlich mit dieser Unterlassungssünde all jene Verkäufer in die Ecke drängen, welche mit überdurchschnittlichen Leistungen aufwarten wollen. Denn sie laufen Gefahr, von den anderen gebremst und gemobbt zu werden, weshalb viele frustriert das Handtuch werfen und sich einen neuen Arbeitgeber suchen. Übrig bleiben am Schluss die Selbstgefälligen und Bequemen, mit denen man keinen Blumentopf gewinnen kann.

Gleich und Gleich gesellt sich gern

Wirklich erfolgreiche Verkaufsleiter hingegen schaffen es, ein Umfeld zu kreieren, in dem die Lust und die Freude, sich mit anderen zu messen, im Vordergrund stehen und der Wettbewerbsgedanke als etwas Positives empfunden wird. Wohl hauptsächlich damit lässt sich erklären, dass mässig erfolgreiche Verkaufsteams nach einem Chefwechsel plötzlich überdurchschnittliche Leistungen erbringen und nicht mehr die Erfolgreichen am Pranger stehen, sondern die Unbelehrbaren und Unverbesserlichen. Wollen diese jetzt weiterhin im Team bleiben, müssen auch sie sich dem neugewonnenen Gruppendiktat nach überdurchschnittlicher Performance unterwerfen. Wer das nicht kann oder will, wird sich schon sehr bald einen neuen Arbeitgeber suchen müssen.


Und somit bewahrheitet sich, was aus einschlägigen Untersuchungen und Managementlehrgängen längst bekannt ist, nämlich, dass erstklassige Chefs auch erstklassige Mitarbeiter anziehen und zweitklassige Vorgesetzte bestenfalls zweit- oder drittklassige Angestellte um sich scharen können.

Der Autor

Markus Schefer (41) ist selbständiger Personal- und Unternehmens­berater. Daneben ist der ausgebildete Primar­lehrer Dozent für das Fach «Verkauf» an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Er verfügt über langjährige Vertriebserfahrung im In- und Ausland, unter anderem bei IBM und Reuters.
www.scheferpersonal.ch
markus@scheferpersonal.ch

Das nächste Mal

Es ist der Traum vieler IT-Verkäufer, irgendwann einmal den Ausstieg aus der Informatik-Branche zu schaffen, um in einem neuen Umfeld nochmals von vorne beginnen zu können. Was sind die Gründe, weshalb viele gutbezahlte Sales der IT-Industrie den Rücken kehren wollen und warum gelingt am Ende dann doch nur den wenigsten der Absprung?


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