Kürzlich konnte man bei «20 Minuten Online» lesen, dass sich ein 44-jähriger Mann von der Polizei erschiessen lassen wollte. Zuvor hatte er sich mit seiner Freundin gestritten, worauf diese die Beamten alarmierte. Als ein Sonderkommando vor Ort eintraf, richtete der Mann eine Schreckschusspistole auf die Beamten in der Hoffnung, dass diese sich angegriffen fühlen und ihn unschädlich machen würden. Da die Polizisten die Pistole als Attrappe erkannten, konnte aber Schlimmeres verhindert werden. Der hier geschilderte Sachverhalt wird in der Kriminalistik als «Suicide By Cop» bezeichnet. Darunter versteht man in Fachkreisen, dass ein Straftäter, sich in einer solch ausweglosen Situation befindet, dass er nur noch «ehrenvoll» sterben möchte. Da der Betroffene nicht Selbstmord begehen will, versucht er die Polizei oder andere derart zu bedrohen, dass den Beamten keine andere Wahl mehr bleibt als ihn zu erschiessen.
Auch wenn es bei alltäglichen Verhandlungssituationen in Wirtschaft und Politik meist nicht um Leben und Tod geht, so enden doch viele schwierige Diskussionen in einer Sackgasse. Richtig zu verhandeln ist eine Kunst, die Vertriebsmitarbeiter unbedingt beherrschen sollten. Es gibt Verkäufer, die durch grosse Akquisitionsstärke und hohes Engagement brillieren und trotzdem auf der Zielgeraden scheitern. Wie also müssen wichtige Verhandlungen mit Kunden vorbereitet werden und wie können Firmen und Vorgesetzte den Vertriebsmitarbeiter bei wichtigen Treffen mit Kunden unterstützen?
Ziele setzen
«Genie ist ein Prozent Inspiration und neunundneunzig Prozent Transpiration», soll der Ingenieur und Erfinder Thomas Alva Edison (1847-1931) einmal gesagt haben. Adaptiert auf ein Kundengespräch bedeutet dies, dass ohne seriöse Vorbereitung keine erfolgreiche Verhandlung geführt werden kann. Zentrale Beachtung haben die Ziele, die man in der Diskussion erreichen will. Das klingt sehr banal. Doch in eben diesem Punkt scheinen viele Verkäufer massive Defizite zu haben. Sie brechen in Meetings mit Entscheidern auf Stufe C-Level regelrecht ein und lassen sich vom Kunden in die Defensive drängen. Anstatt zumindest an ihren Teilzielen festzuhalten, bleiben sie vage und ungenau. Am Ende laufen sie wie begossene Pudel aus der Sitzung und haben nichts erreicht.
In wichtigen Punkten standhaft zu bleiben und den Druck der Gegenpartei aushalten zu können, sind wohl wesentliche Grundvoraussetzungen eines erfolgreichen Verhandlungsführers.
Richtige Strategie wählen
Nebst der Zieldefinierung ist es unerlässlich vor der Diskussion die richtige Gesprächsstrategie festzulegen (s. Grafik). Der Verkäufer sollte sich im klaren darüber sein, in welchen Punkten er bereit ist, Kompromisse einzugehen und wo er sich unnachgiebig zeigen möchte. Er sollte sich vorgängig überlegen, mit welchen Einwänden er zu rechnen hat und wie er diesen begegnen kann. Und er muss sich die verschiedenen Gesprächsszenarien zumindest im Kopf zurechtlegen, damit er im Meeting situativ darauf eingehen kann. So vermeidet man in einer Sackgasse zu enden, was zwangsläufig das Ende der Vertragsverhandlungen bedeuten würde.
Welche Strategie man wählt, hat auch mit den Personen zu tun, die am Gespräch teilnehmen. Je mehr man über sie weiss, umso besser. Das gibt einem Sicherheit und ist ein guter Garant für den Verhandlungserfolg.
Klare Rolle für den Verkaufsleiter
Gerade in der Abschlussphase eines Verkaufsprozesses glauben viele Verkaufsleiter, dass sie an den Vertragsverhandlungen teilnehmen müssten. Die Anwesenheit des Chefs macht aber nur dann Sinn, wenn der Vorgesetzte mit einer höheren Entscheidungsbefugnis ausgestattet ist als der Vertriebsmitarbeiter. Damit ist gewährleistet, dass vor Ort ohne lange Umschweife ein Vertrag unterzeichnet werden kann.
Aber auch in einem solchen Fall ist es unerlässlich, dass der Vorgesetzte während dem Treffen genau jenen Part spielt, der ihm vom Verkäufer zugeteilt worden ist. Denn es ist der Vertriebsmitarbeiter und nicht der Sales Manager, der als verantwortlicher Kundenbetreuer den «Lead» in den Vertragsverhandlungen hat. Zu oft halten sich Verkaufschefs nicht an die vom Verkäufer gemachten Vorgaben und beginnen, das Gespräch an sich zu reissen. Dieses Verhalten ist einerseits sehr nervtötend und untergräbt andererseits die Glaubwürdigkeit des Verkäufers gegenüber dem Kunden.
Mehr Kompetenz für den Verkäufer
Es kommt nicht selten vor, dass Vertragsverhandlungen im Verkauf nicht am mangelnden Verhandlungsgeschick des Account Managers scheitern, sondern deshalb, weil dieser mit zu wenig Kompetenzen ausgestattet wurde. Häufig ist nämlich der Handlungsspielraum des Vertriebsmitarbeiters nicht sehr gross. Das führt mitunter zu der grotesken Situation, dass der Verkaufsmitarbeiter alle Entscheidungsträger des Kunden zusammentrommeln konnte und die Verträge unterschriftsreif auf dem Tisch liegen. Weil der Auftraggeber nun aber noch einige kleine Änderungen wünscht, die zu entscheiden ausserhalb der Entscheidungsbefugnis des Verkäufers liegen, müssen die Verhandlungen vertagt werden.
Firmen tun gut daran, ihre Vertriebler gerade bei wichtigen Vertragsverhandlungen mit weitreichenden Kompetenzen auszustatten. Natürlich sind interne Prozesse wichtig und gut. Doch darf dies auf gar keinen Fall dazu führen, dass sie in der Praxis den Verkäufer in seiner Arbeit behindern oder den Abschluss gar verunmöglichen.
Der Autor
Markus Schefer (41) ist selbständiger Personal- und Unternehmensberater. Daneben ist der ausgebildete Primarlehrer Dozent für das Fach «Verkauf» an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel. Er verfügt über langjährige Vertriebserfahrung im In- und Ausland, unter anderem bei
IBM und Reuters.
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