Urs Ingold - der Aufsteiger

Urs Ingold hat mit einem Management-Buyout das Schweizer Geschäft des Messeveranstalters Reed Exhibitions übernommen. Ins Messegeschäft kam er aus Angst davor, als Steuerbeamter in einer Schaffhauser Amtsstube zu versauern. Angefangen hat er als KV-Abgänger und Taxifahrer.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2009/09

     

Urs Ingold ist Buchautor, Messeveranstalter und Philosoph auf Sinnsuche, und das nicht unbedingt in dieser Reihenfolge. Dass der Chef und Inhaber des Orbit-Veranstalters Exhibit & More überhaupt ins Messegeschäft eingestiegen ist, war dem Zufall geschuldet. Er kam 1963 in Schaffhausen zur Welt. «Ich wuchs in einfachen Verhältnissen auf», betont Ingold. Sein Vater arbeitete als Angestellter beim Industriekonzern Georg Fischer. «Wir hatten nie ein Auto, und mein Vater hat nie das Meer gesehen.» Eine ähnliche «Karriere» sah er für seinen Sohn vor. Dieser absolvierte die Schule in Schaffhausen und machte daraufhin eine kaufmännische Lehre. Nach der Lehre zog es ihn nach Zürich, wo er diverse Stellen annahm, doch schon bald hatte Ingold erste Zweifel. «Dieser Beruf hat mich nie richtig fasziniert», sagt Ingold. «Ich hatte danach eine Phase, während der ich dachte, alles andere als einen KV-Job ausprobieren zu müssen.» Daraufhin machte er den Taxischein und arbeitete eine Weile als Taxifahrer in Schaffhausen.


Schnell sah Ingold ein, dass auch diese Tätigkeit nur eine Verlegenheitslösung war. «Ich musste Distanz gewinnen», erinnert er sich. Es zog ihn nach England, wo er für ein halbes Jahr eine Schule besuchte um Englisch und Geschichte zu studieren. Prompt erwies sich der Ortswechsel als glücklicher Zufall für seine Karriere. Eines Tages kamen Angestellte eines Schweizer Stellenvermittlers an die Schule und erkundigten sich nach Schweizern, die nach der Ausbildung ohne Stelle dastehen würden. Ingold meldete sich und ihm wurde geraten, sich nach seiner Rückkehr in die Schweiz zu melden. «Ich hatte mir ein Bankdarlehen besorgt, um nach England zu gehen. Ich brauchte dringend einen Job um das Geld zurückzuzahlen.» Wieder in der Schweiz, wurde ihm eine Stelle bei einer Messegesellschaft angeboten. Er hatte keine Ahnung, worum es dabei ging.

Die Angst vor dem Beamtentum

Ingold meldete sich erst einmal als Arbeitsloser beim RAV. «Fast wäre ich gezwungen worden, im Steueramt des Kantons Schaffhausen eine Stelle anzunehmen», erinnert er sich. Finanziell sei das Angebot zwar attraktiv gewesen, doch er hatte Angst, sich von der Sicherheit einer Beamtenstelle einlullen zu lassen. Die Aussicht auf eine schlechter bezahlte Stelle, bei der er nicht genau wusste, worin seine Aufgabe bestand, war ihm da deutlich lieber. «Die Angst, Beamter zu werden, hat mich in die Arme der Messegesellschaft getrieben», formuliert es Ingold überspitzt und setzt noch einen drauf: «Ich dachte, als Beamter wäre mein Leben zu Ende, bevor es richtig angefangen hat.» Sein Entscheid war richtig. Der Inhaber und Geschäftsführer des Messeveranstalters Agifa hielt grosse Stücke auf Ingold und machte ihn 1989, im Alter von 25 Jahren, zum Geschäftsführer. Kurz darauf wurde Agifa an den internationalen Messeveranstalter Reed Exhibitions verkauft.


Für Urs Ingold war diese Entwicklung äusserst positiv. «Reed hat mich hart rangenommen. Ich war als Managing Director tätig und lernte quasi in Ausübung des Berufes.» Für den KV-Absolventen war es etwas wie ein Wirtschaftsstudium mit Praxisbezug. Reed setzte in der Schweiz zum Siegeszug an und kaufte Messegesellschaft um Messegesellschaft, darunter den Veranstalter der IT-Messe Logic. Reed hatte jedoch mit der Telenetcom bereits eine Telekom-Messe im Portfolio und da Logic ohnehin schon am Boden lag, wurde die Veranstaltung eingestellt. «Damit», so Ingold, «haben wir der Orbit zum Durchbruch verholfen.» 1999 kaufte Reed vom ehemaligen IT-Reseller- und Infoweek-Herausgeber Michael von Babo die in Zürich stattfindende Internet Expo, worauf die Telenetcom beerdigt und Ingold zum Geschäftsführer für Deutschland und die Schweiz befördert wurde. Jetzt hatte er 120 Leute unter sich, organisierte beispielsweise die grösste internationale Pferdemesse und bereiste die ganze Welt, von Asien über Amerika bis Indien.

Buchautor und Philosoph

Dabei wurde Ingold zum Schreiben seines ersten Buches inspiriert, das 2008 erschien und, wie er zugibt, noch auf seinen Durchbruch wartet. Beim Erstlingswerk «Bernstein», handelt es sich um einen Krimi über den Geschäftsführer einer internationalen Messe, der in die Fänge der Russenmafia gerät, die einen deutschen Messeveranstalter kaufen will, um so Geld waschen zu können.

Die Arbeit bei Reed Exhibitions dagegen verlor ihren Reiz. Ingold war fast nur noch mit Papierkram beschäftigt und verlor die Freude an der Arbeit. «Ausserdem hatte ich nach rund 20 Jahren genug davon, aus dem Koffer zu leben.» Da die Reed-Chefs ohnehin am mangelhaften Wachstum der Schweizer Tochtergesellschaft herumnörgelten, bot er ihnen einen Management-Buyout an und wurde mit Hilfe von Messe Schweiz - die 40 Prozent der Anteile übernahm - im Juli 2007 sein eigener Chef. Das grösste Sorgenkind im Portfolio von Exhibit & More ist seither die Orbit. «Wir stellen das Gefäss zur Verfügung. Füllen müssen es die Aussteller», so Ingold. Die Kunden aus der IT-Branche würden zwar die Wichtigkeit einer nationalen Plattform hervorheben, seien jedoch immer weniger an einer Teilnahme interessiert. «Deshalb schlagen wir jetzt eine neue Richtung ein», sagt Ingold. Die Orbit in ihrer ursprünglichen Art werde 2009 das letzte Mal stattfinden. «Am 14. Mai werden wir auf der Orbit das Nachfolgeformat vorstellen. Es wird eine komplett neue Veranstaltungsform», verspricht er. Die bisherigen Rückmeldungen lassen ihn an den Erfolg glauben.

Urs Ingold

Neben seiner Arbeit als Chef und ­Inhaber des Messeveranstalters Exhibit & More interessiert sich Urs Ingold vor allem für Geschichte, Philosophie, Wein, gutes Essen und das Reisen. Besonders angetan hat es ihm der schwarze Kontinent. «Wer mit 40 Jahren noch nie einen Nachthimmel inmitten der afrikanischen Steppe gesehen hat, der kennt die Welt nicht», sagt er. Künftig plant er mindestens einmal im Jahr nach Afrika zu fahren. «Dort ist es anders als überall sonst.»


2008 erschien ausserdem Urs Ingolds erstes Buch mit dem Titel Bernstein. Es handelt sich um einen Krimi, der in der Messeszene spielt und in dem ein russischer Oligarch, dem Verbindungen zur Russenmafia nachgesagt werden, versucht, eine Messe in Düsseldorf zu übernehmen, um Geld zu waschen. Erst habe er ein philosophisches Buch schreiben wollen, so Ingold. Das habe aber vor allem eine therapeutische Wirkung und interessiere die meisten Leute wohl nicht. Darum habe er die philosophischen Diskurse als Traumsequenzen der Hauptfigur in sein Buch eingebaut. Bis heute ist Bernstein vor allem in der Messeszene bekannt und wird dort für Ingolds Geschmack zu wenig gekauft und zu oft weitergereicht. (Markus Gross)


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