Vertriebsflash: Kleider machen Leute


Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2011/07

     

Als der junge Aristoteles Onassis fast mittellos in den 20er Jahren des letzten Jahrhunderts nach Argentinien auswanderte, verrichtete er tagsüber zunächst einen schlecht bezahlten Handlangerjob. Am Abend jedoch mischte er sich unter die feine Gesellschaft und investierte jeden Penny, den er verdiente in beste Kleider und teuren Schmuck. Niemand seiner reichen Freunde sollte nämlich wissen, dass er bloss ein normaler Arbeiter war. Schon früh hatte Onassis gelernt, dass sich einem mit einem professionellen Auftritt Türen auftun, die ansonsten verschlossen bleiben.


Auch ich werde als Personalberater von Verkäufern vor dem Ersttermin mit einem Unternehmen oft gefragt, was sie denn bezüglich den Kleidervorschriften bei dieser Firma zu beachten hätten. Meist empfehle ich dann, dass sie mit Anzug und Krawatte erscheinen sollen. Damit – so meine Erfahrung – trifft man als IT-Verkäufer die Erwartungshaltung der meisten Firmen am besten. Sollte man einmal völlig aus der Rolle fallen, weil einem der potentielle Chef im T-Shirt und den verwaschenen Jeans empfängt, dann kann man immer noch spontan während des Gesprächs Krawatte und Jacke ausziehen und den obersten Knopf des Hemdes öffnen.
Erhalte ich von Firmen Negativreaktionen in Bezug auf den Auftritt eines Kandidaten, so betreffen diese jedoch meist nicht den Kleiderstil, sondern zielen auf andere Auffälligkeiten ab: So gibt es leider immer wieder Verkäufer, die unrasiert zum Vorstellungstermin erscheinen und damit einen extrem schlechten Eindruck hinterlassen. So ein Feedback kann man einem Kandidaten dann auch problemlos zumuten. Heikler sind jedoch sind Rückmeldungen über Äusserlichkeiten, die dem Kandidaten offensichtlich viel zu bedeuten scheinen, ihn jedoch – ohne dass er es weiss – zur Witzfigur werden lassen. So meinte neulich der Verkaufsdirektor eines bekannten IT-Unternehmens nach dem Gespräch mit einem fachlich hochqualifizierten IT-Lösungsverkäufer, dass ihn die scheussliche Föhnfrisur aus den tiefsten 80-er Jahren total irritiert hätte und er sich beim besten Willen nicht vorstellen könne, diesen mit einer solchen Haarpracht auf seine wichtigsten Kunden loszulassen.


Ähnlich verhält es sich auch mit Ohrringen, auf die einige IT-Verkäufer in geradezu spätpubertärem Eifer zu stehen scheinen. Ist dieser klein und dezent, so mag er als Modeaccessoire durchaus angebracht sein. Wenn es sich bei diesem Teil dann jedoch um ein Prachtexemplar von stattlicher Grösse handelt und darüber hinaus der Träger in einem Alter ist, wo solche Extra­vaganzen eher beginnen peinlich zu wirken, dann erzielt man damit oft den gegenteiligen Effekt. «Entweder nimmt man mich mit Ohrring oder gar nicht!» meinte einmal ein Verkäufer trotzig, als ich ihn auf seinen auffälligen Schmuck angesprochen habe und ihm vorschlug, diesen doch zumindest im ersten Vorstellungsgespräch nicht zu tragen. Er hat dies abgelehnt und den Job am Ende nicht bekommen. Ob dies am Ohrring gelegen hat, weiss ich nicht. Geholfen hat er ihm aber sicherlich nicht.

Markus Schefer

Markus Schefer ist selbständiger Personal- und Unternehmensberater und Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel für das Fach
«Verkauf». markus@scheferpersonal.ch (ms)


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