Was mich mitunter an den in Mode gekommenen Networking-Parties nervt, sind jene Hardcore-Netzwerker, welche einem mit ihrer aggressiven Vorgehensweise den ganzen Abend vermiesen können. Wie Stechmücken lauern sie hinter Weissweinglas und gesalzenem Gebäck auf ihre Opfer, um einem dann unverhofft mit folgenden Worten anzusprechen: «Hallo ich bin der Rüdiger. Meine Freunde nennen mich auch Rüdi. Ich finds voll easy hier. Ich arbeite ja im Marketing und suche momentan gerade einen neuen Job. Also wenn du mir helfen könntest, dann ruf mich an.» So geht dann der Monolog eine ganze Weile weiter, ohne dass man selbst die Chance hätte, auch mal etwas sagen zu können. Und während der Kerl labert und labert denkt man sich bloss: «Lieber Rüdiger: Halt doch bitte einfach deine Klappe!»
Viele dieser Profi-Netzwerker nahmen sich wohl die im Zusammenhang mit dem Netzwerken gut gemeinten Tipps und Tricks zu Herzen, dass man an solchen Anlässen auf die Leute zugehen solle, sich aktiv in die Gespräche einbringe müsse und es hauptsächlich darum ginge, das eigene Unbehagen zu überwinden. Dies mag zwar so alles durchaus richtig sein und stimmen. Doch wer von seiner Persönlichkeit her nun einmal aber eher eine introvertierte und vorsichtige Persönlichkeit ist und dann glaubt, an einem solchen Abend zum Party-Hengst mutieren zu müssen, der wirkt wie ein 15 Jähriger im überdimensionierten Anzug seines Vaters. Auch im Verkauf lässt sich das Phänomen, nicht schweigen zu können, immer wieder beobachten. Viele Verkäufer glauben, sie müssten dauernd reden, für gute Stimmung sorgen und ihr Produkt oder ihre Lösung permanent in den höchsten Tönen lobpreisen. Gerade in der Anfangsphase eines Verkaufsprozesses möchte jedoch der Kunde einen potentiell neuen Geschäftspartner zunächst einmal kennenlernen. Dazu bedarf es natürlich der Konversation und dazu mag auch beitragen, dass man zunächst einmal über so vordergründig Belangloses wie das Wetter diskutiert. Ziel eines jeden Gespräches sollte es jedoch sein, dass sich daraus ein Dialog entwickelt, bei dem beide Seiten zu Wort kommen. Es bedeutet, dass man herausspührt, was der andere für Bedürfnisse und Interessen hat. Dies setzt eine gesunde Portion Neugierde, Intuition, gute Beobachtungsgabe und vor allem die Fähigkeit voraus, die richtigen Fragen zu stellen.
Aus einer manchmal fast schon panischen Angst heraus, das Gespräch könnte ins Stocken geraten, konzentrieren sich jedoch viele Verkäufer lieber aufs Reden anstatt aufs Zuhören und schiessen so meist völlig am Ziel vorbei. Die berühmte Modedesignerin Coco Chanel meinte in dem Zusammenhang einmal: «Ich bin schüchtern. Schüchterne Leute reden viel, weil sie Schweigen nicht ertragen. Ich bin ständig bereit, irgendwelchen Unsinn von mir zu geben, nur um die Gesprächspausen zu füllen. Also schwafle und schwafle ich und komme vom Hundertsten ins Tausendste, damit auch ja kein Schweigen entsteht. Ich rede wie ein Wasserfall.» Dem ist eigentlich nichts mehr hinzuzufügen, weshalb ich jetzt auch die Klappe halte.
Markus Schefer
Markus Schefer ist selbständiger Personal- und Unternehmensberater und Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Basel für das Fach «Verkauf». markus@scheferpersonal.ch
(ms)