Vor einigen Wochen habe ich per Post eine Karte erhalten. Darin stand auf edlem Pergament-Papier folgendes geschrieben: «Disziplin, Durchhaltewillen, Konzentration, Teamwork. Dies gilt im Business, Privat wie auch im Sport.» Und weiter hiess es: «Wir werden in Ruderbooten mit Synchronisation, Muskelkraft und sachkundigen Steuerleuten das untere Seebecken erkunden. Und nach getaner Arbeit werden wir mit Speis und Trank im Clubzimmer des Ruderclubs verwöhnt.» Weiter unten standen die Unterschriften der drei geschäftsführenden Partner dieser Privatbank, von der die Einladung stammte. Besonders positiv empfand ich, dass jeder der drei Herren persönlich die Karte von Hand signiert hatte. Zwar quälten mich berechtigte Zweifel, ob meine aktuelle Fitness das mir bevorstehende Sportprogramm nicht bei weitem übersteigen würde. Auch die Frage, ob auf Grund meines Gewichtes das fragile Boot wohl kentern könnte, bereitete mir im Vorfeld des Anlasses etwas Kopfschmerzen. Doch getreu meinem Motto: «Es ist OK, sich einmal pro Tag zum Deppen zu machen», stand ich also vor ein paar Tagen mit rund zwanzig anderen angegrauten und gut genährten Gästen in kurzen Shorts und Turnschuhen vor dem Bootshaus des besagten Ruderclubs.
Gemeinsam Erlebtes schweisst zusammen
Nach ein paar Auflockerungsübungen mit einem professionellen Coach, bei welchen man untereinander informell ins Gespräch kam, ging es anschliessend aufs Wasser. Es kann gut sein, dass sich die Leute, die uns vom Ufer her zusahen, wie wir asynchron das Wasser durchpflügten, vor Lachen fast in die Hose machten. Doch für Häme hatten wir keine Zeit; waren wir doch alle viel zu sehr mit uns beschäftigt. Am Ende schafften wir es dann tatsächlich, unter der kundigen Anleitung unseres Trainers Andy, 200 Meter am Stück an den Bootssteg zurück zu rudern. Auf diesen Erfolg waren wir mächtig stolz. Wussten wir anfänglich nicht so recht, ob wir uns eigentlichen Duzen oder Siezen sollten, hat uns dieses Erlebnis so zusammengeschweisst, dass wir uns beim anschliessenden Apéro längst mit dem Vornamen ansprachen. Alle Anwesenden empfanden die Stimmung als äusserst angenehm: Das Plätschern des Wassers, das Glitzern der Lichter auf dem Zürichsee, das feine Essen und der gute Wein lockerten zusehends unsere Zungen. So erfuhr man dann im Laufe des Abends viel Interessantes und Persönliches über seine Tischnachbarn. Mehr aus Höflichkeit als aus geschäftlichen Hintergedanken wurden zum Schluss dann noch die Visitenkarten ausgetauscht.
Mit einer der Hauptgründe dieser ausgelassenen und angenehmen Stimmung war sicherlich die Art und Weise, wie der Organisator diesen Event durchgeführt hatte. Da wurde zu keiner Zeit versucht, die Dienstleistungen und Vorzüge der Bank den Gästen zu verkaufen. Nie kam darum dieses «Kaffefahrt-Feeling» auf, das ich bei anderen Anlässen mitunter so hasse. Ich meine damit diese eingebauten Verkaufssequenzen des Gastgebers, wo dieser durchs Hintertürchen versucht, seine Dienstleistungen oder seine Firma anzupreisen, obwohl dies so auf der Agenda gar nie vermerkt und erwähnt wurde.
Kundenanlässe sind Chefsache
Warum ich diesen Event so im Detail beschreibe, hat mit der Tatsache zu tun, dass die Herausforderung vieler Verkäufer sich immer wieder um folgende Frage dreht: «Wie komme ich mit potentiellen Entscheidungsträgern in Kontakt?» Diese Frage ist heute gerade in der IT-Branche präsenter denn je, ist doch die Neukundenakquise in einem längst gesättigten Markt knochenhart geworden. Gerade mit solchen Events könnte man aber zu aktuellen und potentiellen Entscheidungsträgern bestehende Kontakte vertiefen und neue knüpfen und so in ungezwungener Atmosphäre sein Gegenüber auf einer persönlichen Ebene kennen lernen. Meiner Meinung nach wird diese Möglichkeit des Kundenkontaktes viel zu wenig von Firmen genutzt. Womöglich, weil sich der unmittelbare Mehrwert solcher Anlässe eben nicht sofort in Franken und Rappen messen lässt oder man früher einmal einen zaghaften Anlauf genommen hat und damit gescheitert ist. Wie rudern so bedeutet verkaufen heute Teamwork. Der Einzelkämpfer im Vertrieb ist heute kaum noch erfolgreich. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet kann es nur bedingt am Verkäufer liegen, solche Kundenevents zu konzipieren und umzusetzen. Der Vertriebler kann Input liefern und sollte aktiv in die Einladung möglicher Zielkunden mit einbezogen werden. Strategie und Realisation liegen jedoch entweder bei der Marketingabteilung oder in kleineren Unternehmen beim Chef persönlich. Ich selbst bin mehr denn je davon überzeugt, dass solche Anlässe gerade in der heutigen schnelllebigen Zeit eine Daseinsberichtigung haben und ein echtes Bedürfnis abdecken. Voraussetzung ist, dass sie sich von der Masse abheben und den Teilnehmern in irgendeiner Form einen echten Mehrwert bieten. Der Austausch von Visitenkarten und das Anstossen mit einem Glas Prosecco genügt da allerdings meist nicht. Insbesondere dann nicht, wenn man Entscheidungsträger, deren Zeit sehr limitiert ist, dazu motivieren möchte, an solchen Anlässen teilzunehmen.
Lunch-Termin als Resultat
Zurück zu dem eingangs erwähnten Ruderevent: Mit Kurt, dem Vordermann in unserem Ruder-Vierer, werde ich mich in zwei Wochen mal zum Lunch treffen. Erst als er mir am Schluss der Veranstaltung die Visitenkarte in die Hand drückte, habe ich gesehen, dass er Geschäftsführer und Inhaber einer grossen Treuhandfirma ist. Ob wir irgendwann einmal auch geschäftlich zu tun haben werden, weiss ich nicht. Möglich wäre es aber schon. Eines aber weiss ich mit Bestimmtheit. Nie hätte ich zu Kurt so schnell eine persönliche Beziehung aufbauen können, wenn ich dies über die mühsame Ochsentour eines Cold Calls mit anschliessendem Treffen vor Ort bei ihm im Office versucht hätte.
(ms)