Vertriebsflash: Ein König ohne Volk


Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2012/12

     

«Jetzt ist Canepa ganz allein.» So titelte der «Blick» Ende November 2012 in grossen Lettern. Der Artikel durchleuchtet die teils schmerzhaften Abgänge beim FCZ wie beispielsweise jenen von Sportchef Fredy Bickel. Die Gründe für diesen Aderlass werden auf den autoritären Führungsstil des Präsidenten Ancillo Canepa zurückgeführt. Felix Bingesser, der Sportchef des «Blick», meint dazu in seinem Kommentar: «Jetzt sitzt der Diktator allein auf dem Thron. Unter ihm zerbröckelt einer der traditionsreichsten Fussball-Clubs der Schweiz. Ancillo Canepa ist mittlerweile ein König ohne Volk.»
«Everybody's Darling is everybody's Depp.» So formulierte es der deutsche Politiker Franz-Josef Strauss. Chefs ohne Ecken und Kanten, die von allen geliebt werden wollen und beim kleinsten Gegenwind die Flinte ins Korn werfen, haben ihren Beruf verfehlt. Aus dieser Optik betrachtet muss man Canepas Standhaftigkeit und Konsequenz bewundern. Wenn aber langjährige Weggefährten sich von einem abwenden, dann ist dies womöglich schon ein Indiz dafür, dass Einiges auf der zwischenmenschlichen Ebene im Argen liegt.

Leader-Typen sind gefragt

So wie im Sport, steht auch im Verkauf der Erfolg an erster Stelle. Gerade in einem solchen Umfeld braucht es hervorragende Vorgesetzte, die ihre Mitarbeiter motivieren und auf ein gemeinsames Ziel einschwören können. So viel zur Theorie. Leider sieht die Praxis manchmal ganz anders aus. Da gibt es Sales Manager, die sich eher als Verwalter und Manager sehen, als dass sie echte Leader sind, welche sich aktiv ins Tagesgeschäft einbringen wollen. Dies führt dann dazu, dass sie beispielsweise den Druck von oben eins zu eins nach unten weitergeben oder mit verkaufsverhindernden Aktivitäten den Mitarbeitern deren Arbeitszeit stehlen, welche diese besser beim Kunden verbringen würden. Wer so führt, der wird irgendwann seine besten Mitarbeiter verlieren und als Chef alleine dastehen – eben als König ohne Volk.
Zugegeben: Verkäufer zu führen, gehört wohl mit zu den herausforderndsten Aufgaben überhaupt. Aus einem Haufen Individualisten mit grossem Ego und Hang zur Freiheit ein Team zu formen, ist keine leichte Aufgabe. Und gerade die Besten unter ihnen, die oft eher als Unternehmer im eigenen Unternehmen agieren und dank ihres Erfolges nahezu unantastbar sind, können einem das Leben als Führungskraft schwer machen. Umso wichtiger ist es, dass man diesen gestandenen Vertriebsmitarbeitern vorlebt, was man von ihnen erwartet, um von ihnen als Vorgesetzter akzeptiert zu werden. Der amerikanische General William T. Sherman formulierte es einst folgendermassen: «Kein Mann kann eine Armee von hinten führen. Er muss an der Front stehen, an der Spitze der Armee. Er muss zu sehen sein, und der Effekt seiner Gedanken und seiner persönlichen Energie muss für jeden Offizier und jeden anwesenden Mann spürbar sein.» Wer glaubt, hinter den Linien in Deckung gehen zu können, und meint, vom Feldherrenhügel seine Mannschaft führen zu können, ohne sich dabei die Finger schmutzig zu machen, der ist als Vorgesetzter im Verkauf fehl am Platz.

Den Scherbenhaufen wischen andere auf

Es ist kein Geheimnis, dass es in der IT-Branche Verkäufer gibt, die besser einen anderen Job machen würden und ihren Aufgaben nicht gewachsen sind. Mit ihrem Unvermögen verlieren sie wichtige Deals und Kunden an die Konkurrenz. Damit fügen sie ihren Arbeitgebern Schaden zu. Doch noch weitaus grösser ist dieser Schaden bei unfähigen Vorgesetzten, die mit ihrer demotivierenden Art und ihrem menschenverachtenden Führungsstil insbesondere die guten Mitarbeiter in die Flucht schlagen. In der Anfangsphase schaffen es schlechte Führungskräfte oft, die eigene Unfähigkeit geschickt zu kaschieren und die Gründe für das eigene Versagen Anderen in die Schuhe zu schieben. Bis dann endlich auch von höherer Stelle erkannt wird, dass der Angestellte die Erwartungen nicht erfüllt und dringender Handlungsbedarf besteht, kann es leicht ein bis zwei Jahre dauern. Denn erfahrungsgemäss kann sich ein schlechter Chef wesentlich länger im Sattel halten, als ein unfähiger Verkäufer. Den von ihm angerichteten Scherbenhaufen müssen dann andere aufwischen. Warum solche Verkaufsleiter es auch nach diesen Misserfolgen immer wieder schaffen, eine Führungsposition zu ergattern, ist mir offen gestanden manchmal ein Rätsel. Womöglich hat es ja damit zu tun, dass sie es verstehen, sich und anderen den eigenen Misserfolg schönzureden. Die schlechte Marktsituation, das marode Verkaufs-Team, welches sie vom Vorgänger übernehmen mussten oder die unterschiedliche Auffassung in der Definierung und Umsetzung der Marktstrategie sind Gründe, welche sie dann für ihren unfreiwilligen Abgang ins Feld führen. Die Fähigkeit zur ehrlichen Selbstreflexion und die Bereitschaft, sich einzugestehen, dass sie als Führungskraft gänzlich versagt und als Vorgesetzte völlig ungeeignet sind, ist bei ihnen schlicht nicht vorhanden. Wenn jemand Schuld trägt, dann sind es immer die Anderen.
Zum Schluss nochmals ein paar Worte zum FCZ: Wie es mit dem Fussball-Club und seinem Präsidenten weitergeht, das wird die nahe Zukunft zeigen. «Blick»-Sportchef Bingesser schreibt dazu in seinem Kommentar vom 29. November 2012 fast schon prophetisch: «Canepa hat hoch gepokert. Und verliert Spiel um Spiel. Wenn er seine Einsätze nicht mehr bezahlen kann, ist es um den FCZ geschehen. Den Scherbenhaufen werden dann andere aufwischen müssen.» Auch wenn ich nicht viel von Fussball verstehe, so kommt mir diese Aussage doch irgendwie sehr bekannt vor. (ms)


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