Der korrekte Weg für eine ICT-Ausschreibung ist lang und beschwerlich: Bevor Offerten eingeholt werden können, müssen die Spezifikationen sehr genau formuliert werden, was für die ausschreibende Stelle anspruchsvolle Arbeit bedeutet. Wie viel einfacher ist es da, einfach einmal auf Vorrat tausende von «Programmierstunden» auszuschreiben und einzukaufen. Danach wird das Projekt bundesintern abgewickelt: Da es keine öffentliche Ausschreibung gab, besteht keinerlei Druck. Wenn die Vorgaben oder die Termine nicht eingehalten werden: niemand weiss davon. Wenn der Aufwand aus dem Ruder läuft, dann werden einfach weitere Programmierstunden geordert. Und wenn das Vorhaben definitiv schief geht, wird die Öffentlichkeit kaum je davon erfahren, da das Projekt gar nie auf der offiziellen Ausschreibungsseite www.simap.ch erschienen ist.
Personalverleih hebelt Beschaffungsrecht aus
Bei diesen Personaleinstellungsverfahren zählen einzig die offerierten Stundensätze und ein Katalog von technischen Fähigkeiten der angebotenen Personen. Die Beschaffung von ICT-
Vorhaben des Bundes mutiert damit zum reinen Personalverleih. Durch die Reduktion der Zuschlagskriterien auf den Preis und die Verfügbarkeit von Personalressourcen über einen definierten Zeitraum werden ICT-
Unternehmungen benachteiligt, die ihr Personal in der Schweiz fest anstellen und lokal in die Ausbildung, die fachliche Förderung ihrer Arbeitnehmer, den Aufbau von Lösungsarchitekturen und Methoden investieren. Damit erweist sich diese Vorgehensweise auch volkswirtschaftlich als schädlich.
Parlamentarier fordern Abhilfe
Mit der Lancierung einer Motion hat nun Nationalrat Thomas Maier (GLP) zusammen mit 67 Mitunterzeichnenden zu Recht diese Praktiken angeprangert und fordert Abhilfe durch den Bundesrat, zum Beispiel indem die Verordnung zum öffentlichen Beschaffungswesen VöB angepasst werde. Aus Sicht des Anbieterverbandes Swico besteht dringender Handlungsbedarf, da sich diese Beschaffungen in letzter Zeit gehäuft haben. Swico-Geschäftsführer Jean-Marc Hensch: «Diese Praxis benachteiligt nicht nur klassische ICT-Firmen und inländische Anbieter, sondern birgt auch das Risiko, dass Steuergelder unkontrolliert verschleudert werden.»
Dabei bietet das Recht seit 2010 auch Möglichkeiten, komplexe Projekte zweistufig im Dialogverfahren auszuschreiben und so vom Know-how der möglichen Anbieter zu profieren.