Retailer, die noch stationär Tonträger verkaufen und Filme verleihen, dürfte es nicht mehr allzu viele geben in der Schweiz. Insofern ist die Firma Müller + Spring in Brugg kein gewöhnliches Geschäft. In den Regalen des Unterhaltungselektronik-Fachhändlers finden sich, nebst einer Fülle von in erster Linie hochwertigen Hifi- und TV-Produkten auf 750 Quadratmetern, nämlich auch noch Regale vollgepackt mit über 30’000 CDs, DVDs und Blu-rays. Doch Müller + Spring ist deswegen keinesfalls in der Zeit stehen geblieben. Der Händler betreibt seit rund sechs Jahren auch einen Online-Shop, über den nebst 320’000 Bild- und Tonträgern auch ein umfangreiches Sortiment an Elektronik-Produkten verkauft wird. Doch der eigentliche Online-Verkauf von Produkten steht bei Müller + Spring gar nicht unbedingt zuoberst auf der Agenda, wie Ulrich Müller, Geschäftsführer und Inhaber des Unternehmens, erklärt: «Der Online-Shop ist in erster Linie ein Werbekanal, der Kunden in unseren Laden bringen soll.
Viele Kunden, die auf dem Online-Shop landen, kommen letztlich trotzdem zu uns in den Laden.» Dies hängt zu grossen Teilen mit dem Sortiment von Müller + Spring zusammen. Der Händler verkauft in erster Linie hochwertige und höherpreisige UE-Produkte, No-Name-Produkte und Billig-Marken sucht man im Laden vergebens. «Wir haben zum Beispiel über 100 Hifi-Lautsprecher bei uns ausgestellt. Kunden, die sich für so einen Lautsprecher interessieren, wollen diesen in der Regel im Laden auch sehen, hören – auch wenn Sie ihn theoretisch auch einfach online bestellen könnten», erklärt Ulrich Müller. Deshalb sei es ein Riesen-Vorteil, hinter dem Online-Shop einen stationären Laden zu besitzen. «Wir verstehen uns auch ganz klar als Fachgeschäft, das einen Online-Shop als Ergänzung angegliedert hat.»
Rücksprache mit dem Online-Kunden
Entsprechend unterscheidet sich die Online-Philosophie von Müller + Spring auch deutlich von der eines reinen Online-Anbieters. «Billig verkaufen können alle. Wir vollen vor allem auch Qualität verkaufen. Ein Beispiel: Bestellt ein Kunde online ein Gerät im Wert von 1500 oder 2000 Franken, dann sind wir der Meinung, dass er auch das Anrecht auf eine kurze Beratung hat. In der Regel rufen wir diesen Kunden dann kurz an, um zu klären, ob er noch Fragen zu dem Gerät hat und ob das Gerät auch wirklich seine Anforderungen erfüllt. Gerade im Bereich Speaker ist es zum Beispiel wichtig, dass ein Lautsprecher zur vorhandenen Anlage passt.»
Unter anderem dank diesem Vorgehen kann Müller + Spring auch die Retouren auf einem absoluten Minimum halten. «Bei Online-Shops hört man zum Teil von einem Retouren-Anteil von 15 oder sogar 20 Prozent. Bei uns kommt praktisch nichts zurück, der Retouren-Anteil beträgt lediglich 1, 2 Prozent. Das erreichen wir, weil wir jede Bestellung anschauen. Und wenn eine Bestellung keinen Sinn macht, fragen wir beim Kunden nach, ob er das wirklich so will.»
Ein weiterer wesentlicher Punkt, der den Shop von Müller + Spring von der reinen Online-Konkurrenz sonst noch unterscheidet, seien zudem die Mitarbeiter. Man verkaufe zum Teil relativ komplexe Produkte und ganze Systeme, bei denen Fachwissen gefragt sei. Im Unternehmen würden nur langjährige, ausgebildete Fachspezialisten arbeiten, die auch eine Ahnung von den Produkten haben, die sie verkaufen. «Wenn ein Online-Käufer eine Frage hat, dann können wir auch kompetent Auskunft geben. Zudem bieten wir gegen ein Entgeld die Option, dass wir eine online bestellte Anlage nach Hause liefern und sie dort in Betrieb nehmen.» Man versuche somit also auch im Online-Shop ein Fachgeschäft zu sein, fügt Ulrich Müller an.
Ehrlichkeit und Transparenz
Als weitere für ihn wichtige Punkte führt Ulrich Müller Ehrlichkeit und Transparenz auf. Man versuche, ehrliche Angaben zu machen, etwa was die Lagerverfügbarkeit angeht. Es bringe nichts, alle Produkte als «ab Lager verfügbar» zu kennzeichnen, und diese dann nicht liefern zu können. Und es bringe genauso wenig, Kunden mit einem tiefen Preis zu locken und dann verdeckte Kosten draufzuschlagen. Darum verlange man keine Kreditkartengebühren und kein Porto. «Das zahlt sich langfristig aus, dessen bin ich mir sicher», so Müller. Eine Besonderheit fügt er zudem zu den Bezahlmöglichkeiten für die Kunden an: «Wir akzeptieren nur Vorauskasse oder Kreditkarten. Auf Rechnung liefern wir nicht. Dadurch haben wir so gut wie keine Zahlungsausfälle – im vergangenen Jahr zum Beispiel keinen Einzigen.» Und wenn ein Kunde dies einmal nicht akzeptiere, dann habe er ja die Möglichkeit, das Gerät im Laden zu kaufen. Das gäbe es allerdings höchst selten.
Viel Handarbeit
Aufgebaut hat Müller + Spring den Online-Shop in Eigenregie. Ein langjähriger Mitarbeiter sei sehr versiert auf dem Thema und habe den Shop entwickelt. Dies sei schon einiges an Arbeit gewesen, habe aber den Vorteil gehabt, dass man den Shop von Beginn weg auf die eigenen Bedürfnisse ausrichten konnte. «Doch die eigentliche Arbeit hat dann begonnen, als der Shop gestanden ist. Wir pflegen rund 10’000 Artikel, die wir online verkaufen, und das mehrheitlich in Handarbeit.» Dafür wendet Ulrich Müller insgesamt rund 150 Stellenprozent auf. Bestellungen verarbeiten, Preise aktualisieren oder neue Produkte erfassen beziehungsweise alte entfernen – das allein sei ein Hundertprozent-Job. Dieser wird allerdings unter drei Mitarbeitern aufgeteilt. In der Praxis funktioniert das so: «Wenn alle Mitarbeiter im Verkauf oder auf Montage beschäftigt sind, muss der Online-Shop warten.
Dafür können wir Dinge, die rund um den Shop liegengeblieben sind, dann abarbeiten, wenn sonst weniger läuft. Somit sind die Mitarbeiter dank dem Online-Shop eigentlich effizienter ausgelastet.» Allzu lange vernachlässigen darf man den Shop jedoch nicht, warnt Müller. «Denn ein Online-Shop ist nur erfolgreich, wenn er auch aktuell ist.» Müller selbst steckt zudem viel seiner Freizeit in den Shop. «Andere spielen am Abend oder am Wochenende Tennis. Mein Hobby ist der Online-Shop», erklärt er lachend.
Am meisten Zeit beanspruche das saubere Erfassen der Artikel. Klar, sagt Müller, man könnte dies auch automatisieren. «Wir haben das in Vergangenheit auch gemacht – Daten von einer Einkaufsgenossenschaft übernommen. Doch damit haben wir keine guten Erfahrungen gemacht. Ausserdem eignet sich unser Sortiment auch nur beschränkt zur automatisierten Datenübernahme, weil für zahlreiche spezialisierte Produkte gar keine Daten angeboten werden.» Und letztlich müsse er hinter den Daten stehen können, die er in seinem Shop anzeige. «Der Shop ist unser Gesicht.»
Jeder Artikel wird selbst verschickt
In diesen Zusammenhang passt auch, dass bei Müller + Spring jeder Artikel durch Müller + Spring verschickt wird – auch solche, die nicht am eigenen Lager sind. Man wolle nicht, dass der Hersteller beziehungsweise Distributor bestellte Produkte im Namen von Müller + Spring direkt an den Kunden schicke, denn dann verliere man die Kontrolle. «Ich will jede Bestellung kontrolliert haben. Und ich will von jedem Artikel, den wir verschicken, wissen, ob er auch wirklich verschickt wurde. Wir arbeiten auch ausschliesslich mit der Schweizerischen Post zusammen, und nicht mit Kurierdiensten, auch wenn das etwas teurer ist. So kann ich jedem Kunden jederzeit Auskunft geben, wo sein Paket gerade ist und wann es bei ihm ankommt.»
Wie viel Umsatz Müller + Spring über den Online-Shop macht, sei schwierig zu beziffern. «Wenn ein Kunde dank dem Shop zu uns ins Geschäft kommt und etwas kauft, ist das dann Online-Umsatz?», stellt Müller die Gegenfrage. Sicher ist, das Müller + Spring trotz des hohen Service-Bewusstseins mit den Preisen knapp kalkulieren muss. «Wir wollen nicht der Preisbrecher sein. Aber wir müssen uns preislich an den grossen Online-Händlern orientieren, gerade bei den einfacheren Produkten, die vor allem über den Preis verkauft werden. Sucht man ein solches Produkt beispielsweise über Toppreise, dann sieht man auch, dass wir durchaus mithalten können.» Bei solchen Produkten könne man dann aber auch keinen umfassenden Service bieten. Und wenn man preislich mit der Konkurrenz nicht mithalten könne, dann nehme man ein Produkt auch nicht in den Online-Shop auf – «das bringt dann nämlich gar nichts. Denn entweder verdienen wir gar nichts mehr, oder machen schlechte Werbung für uns, weil wir im Vergleich mit anderen zu teuer sind», macht Müller klar.
Flexible Preise, offene Kommunikation
Bei gewissen Produkten unterscheide sich bei Müller + Spring der Preis im Laden vom Online-Preis – etwa bei Kopfhörern. «Wenn ein Kunde online einen Kopfhörer bestellt, dann können wir ihm natürlich einen anderen Preis geben als wenn er in den Laden kommt, sich beraten lässt und zehn Kopfhörer testet.» Es gäbe halt Produkte, da sei die Marge so klein, dass man eigentlich keine drei Worte darüber verlieren dürfe, so Müller. Man kommuniziert dies aber auf der Website des Unternehmens auch klar. Dort steht geschrieben: «Für Kunden, die keine Beratung dafür den absolut besten Preis wünschen, steht unser Online-Shop zur Verfügung. Alle im Shop bestellten Artikel senden wir Ihnen portofrei nach Hause, oder können zu den gleichen Konditionen in unseren Geschäften direkt abgeholt werden. Bringen Sie uns den Ausdruck des gewünschten Artikels im Geschäft vorbei. Sie erhalten das Gerät zum reduzierten Online-Preis (dieser Preis beinhaltet keine Beratung/Vorführung!).»
Mit dieser Strategie fahre man eigentlich seit Jahren sehr gut, Diskussionen mit Kunden gäbe es selten. Man müsse dem Kunden aber auch klar kommunizieren, warum das so ist. «Und dann ist sogar schon das Gegenteil passiert, dass ein Kunde freiwillig auf den günstigeren Online-Preis verzichtet hat. Die Kunden verstehen nämlich die Problematik schon, dass für uns Fachhändler im Online-Geschäft kaum noch Marge für Beratung bleibt.» Müller + Spring dürfe sich aber auch glücklich schätzen, «gute Kunden» zu haben. «Wer bei uns einkauft, ist in der Regel kein Rappenspalter – allein schon wegen der Produkte, die wir anbieten.»
Auf den Shop verzichten könnte Müller heute nicht mehr, sagt er ganz klar – auch wenn er sein Unternehmen nach wie vor in erster Linie als stationäres Fachgeschäft sieht. Doch trotz der rund 10’000 Franken, die ihn der Shop monatlich für Personal- und Werbeaufwände bei Toppreise, Google und Co. kosten, ist er als Verkaufskanal und vor allem als Zubringer für Kundschaft zu wichtig geworden, um ohne ihn zu geschäften.
(mw)