Hansjörg Süess hat gerne das Ruder in der Hand. Oder in seinem Fall viel eher das Steuer. Denn der Geschäftsführer von Adesso Schweiz plante eigentlich ursprünglich keine Karriere in der IT-Branche. Vielmehr zog es ihn in Richtung Fliegerei. «Schon als kleiner Junge war ich ein Flugzeug-Fan. Zuerst wollte ich Astronaut werden, danach Pilot», erinnert sich der heute 43-Jährige. Doch diese Träume musste er begraben – «ich bin in der fliegerischen Vorschulung bei der zweiten Selektionsstufe rausgeflogen». Süess aber liess sich nicht aufhalten – «wenn ich nicht oben sein kann, dann will ich wenigstens unten hebeln» – und absolvierte die Verkehrsschule in Olten, die man dazumal besuchte, wenn man eine Karriere bei Swissair, bei der SBB, beim Zoll, bei der Post oder bei Skyguide anstrebte. Und genau zu letzterer wollte Süess, wo er nach der Ausbildung zum Flugverkehrsleiter dann auch noch rund ein Jahr arbeitet, bevor es ihn als Flight Dispatcher zur Swissair verschlug. «Hier in der Flugstreckenplanung bin ich dann das erste Mal konkret mit IT in Berührung gekommen. Ich habe bei einem Projekt mitgearbeitet, bei welchem Startzeiten und -plätze systemmässig verarbeitet werden sollten», so Süess. Dieses Projekt empfand er als so spannend, dass sich, wie er selbst sagt, seine Faszination etwas weg von der Fliegerei und hin zur IT verschoben hat. So erstaunt es denn nicht, dass Süess nach rund vier Jahren bei der Swissair bewusst einen Job mit mehr IT-Bezug gesucht und die Fliegerei verlassen hat. Gelandet ist er schliesslich bei Telekurs-Finanz als Produkt-Manager, wo er für ein System für Realtime-Börsenkurse auf Handys verantwortlich war.
«Das war eine sehr spannende Zeit. Aber als um die Jahrtausendwende immer mehr meiner Kollegen im Zuge des New Economy Booms zu Start-ups abwanderten, wuchs auch in mir der Wunsch, es einmal in einem solchen Unternehmen zu versuchen», so Süess. Er verliess einen sicheren Hafen – «in dem ich mich wahrscheinlich hätte pensionieren lassen können» – und wechselte zu 4media. «Wir dachten alle, dass wir jetzt Millionäre werden. Am Anfang war es eine sehr lässige Zeit, danach wurde es aber sehr streng und anspruchsvoll. Ich musste zum ersten Mal richtig managen», erinnert sich Süess. «Ich habe die dunkle Seite erlebt, mit allem, was dazu gehört: Kunden vertrösten und Mitarbeiter entlassen. Diese Zeit war sehr lehrreich, denn jetzt weiss ich, wie man es nicht machen sollte.»
Wieder mehr lenken
Nach dem Niedergang von 4media heuerte Süess bei Elca als Key Account Manager für Kunden im Versicherungsbereich an. «Nach der eher chaotischen, unstrukturierten Zeit bei 4media war Elca, wo alles sehr geordnet abgelaufen ist, genau das, was ich brauchte.» Nach rund fünf Jahren bei Elca erhielt Süess dann die Möglichkeit, zum Offshore-Unternehmen Cognizant zu wechseln. Cognizant wuchs schnell und wurde immer mehr zu einem Unternehmen mit globaler Ausrichtung. «Ich musste viel reisen, was mir am Anfang gefiel, dann aber immer weniger. Wenn ich an einem Wochenende in Chennai in meinem Hotelzimmer sass, sendeten mir meine Freunde die schönsten Bilder von ihren Biketouren. Zudem mussten wir mit dem Wachstum unsere Autonomie in der Schweiz etwas aufgeben. Unternehmerische Sachen, die wir am Anfang noch machen konnten, vielleicht auch etwas losgelöst von der Unternehmens-Policy, waren nun nicht mehr möglich.» So wuchs in Süess der Wunsch, wieder mehr Unternehmer zu werden und selbst zu lenken – «ich wollte quasi wieder Pilot werden». Die Chance dazu erhielt er wenig später bei IT-Dienstleister Adesso, der einen Geschäftsführer für die Schweiz suchte. «Hier bin ich nun seit bald acht Jahren und kann gestalten, machen und tun», zeigt sich Süess, der sich selbst als humorvoll, ambitioniert und verlässlich beschreibt, zufrieden.
Immer auf dem Sattel
Auch wenn sein Flugbrevet für Privatflugzeuge nicht mehr gültig ist, so fasziniert Süess die Fliegerei noch heute. «Wenn der Antonow 224 in Zürich startet, dann stehe ich an der Piste. Und ich nehme ab und zu eine Flugstunde, um zu sehen, ob ich es noch kann.» Neu hinzugekommen als Hobby ist derweil im Alter von etwa 30 Jahren der Sport. «Als ich mir dazumal Turnschuhe kaufte, war mir klar, dass einfach in der Gegend herumrennen nichts ist für mich. Ich brauche ein Ziel», betont der 43-Jährige. So begann er, sich ernsthaft für einen Marathon vorzubereiten. «Nach dem ersten Marathon kommt man ins Ziel und sagt sich ‹Ich mache nie wieder einen Marathon›. Dieses Gefühl hält etwa eine Woche an. Und dann überlegt man sich, an welchem nächsten Marathon man starten könnte.» Das Marathon-Fieber hatte ihn gepackt – «ich habe an zahlreichen Läufen, auch im Ausland, teilgenommen». Irgendwann kam bei einem Berg-lauf dann die Begeisterung für das Mountainbiken hinzu – «ich dachte mir bei einem Lauf: Herunterfahren wäre jetzt noch schön». Seither sind Süess und sein Mountainbike eigentlich nur für die Arbeit zu trennen. «Ich gehe jedes Wochenende biken, meine Ferien sind Mountainbike-Ferien, und ich nehme an drei bis vier Rennen pro Jahr teil.» Sein nächstes Ziel: Den Nationalpark-Bike-Marathon in weniger als siebeneinhalb Stunden zu fahren.
«Beim Marathon habe ich aufgegeben, da bin ich bei 3:16 Stunden, weniger kriege ich nicht hin», so Süess. Am Biken faszinieren ihn drei Sachen: «Es ist konditionell herausfordernd, ebenso wie technisch, und hat zudem eine soziale Komponente. Ich gehe selten alleine fahren, sondern treffe mich mit verschiedenen Leuten mit komplett unterschiedlichen Hintergründen. Wir sind ein bunt gemischter Haufen, und der Austausch ist sehr spannend.»
Trotz aller sportlicher Ambitionen betont Süess: «Ich bin auch ein Geniesser. Ich esse und trinke gerne gut und lese auch gerne einmal ein Buch. Aber ich bin schon nicht unbedingt der, der eine Woche an den Strand liegt. Das geht meist nur zwei Tage gut, dann werde ich unruhig. Ich bin gerne aktiv und mag es, wenn etwas läuft.»
Hansjörg Süess
Hansjörg Süess ist in Dintikon bei Lenzburg aufgewachsen. Nach der Verkehrsschule in Olten fand Süess den Berufseinstieg bei Skyguide, bevor er zu Swissair wechselte und schliesslich bei Telekurs-Finanz landete. Weitere Stationen seiner Karriere waren das Start-up 4media, Elca und Cognizant, bevor er Anfang 2009 die Geschäftsleitung von Adesso Schweiz übernahm. In seiner Freizeit treibt Süess viel Sport und kümmert sich um seine Hündin Malou. «Als Australian Sheperd braucht sie geistige und körperliche Herausforderung. Deshalb möchte ich mit ihr künftig mehr Hundesport – sprich Agility – machen.» Süess ist seit rund zweieinhalb Jahren verwitwet. «Das war einer meiner Tiefpunkte, als meine Frau gestorben ist. Ich habe gelernt, damit umzugehen. Aber es wird mich mein ganzes Leben begleiten.»
(abr)