Die Vorfreude auf seine Ferien, die im Juli anstanden, war bei Patrick Roettger, Managing Director Schweiz bei
Lenovo, gross. Eine Kreuzfahrt, aber nicht eine klassische auf dem Mittelmeer, sondern von der Ostsee bis nach Russland, sollte es sein – zusammen mit seiner Frau, seiner 15-jährigen Tochter und seinem 13-jährigen Sohn. Entsprechend entspannt wirkte der 44-Jährige beim Portraitgespräch Mitte Juli.
Diese Ausgeglichenheit hat sich Roettger hart erarbeitet. Denn lange Jahre bestand sein Leben primär aus Geschäftsreisen, der Rest kam zu kurz. «Bis vor drei Jahren war ich wahnsinnig viel unterwegs, eine Work-Life-Balance gab es nicht und ich habe in der Familie extrem viel verpasst», erinnert er sich. «Die ersten 30 Geschäftsreisen sind noch cool, kommt man sich doch vor wie George Clooney im Film ‹Up in the Air›. Aber irgendwann kam bei mir der Punkt, wo ich morgens um 6 Uhr in Kloten am Flughafen sass und mich fragte ‹Was zum Teufel mache ich hier eigentlich?›»
Zürich, Paris, Stuttgart, Zürich
Doch wie war es überhaupt dazu gekommen? Ihren Anfang nahm die Karriere von Roettger, der in Norddeutschland geboren wurde und in der Romandie aufgewachsen ist, nach einiger Zeit als selbständiger Programmierer, bei IBM in der Westschweiz als Verkäufer. Nach ein paar Jahren übernahm er dann die Leitung der PC-Abteilung in der Romandie. «Diese war nicht sehr gross, aber ich durfte einmal pro Woche an ein Management-Team-Meeting nach Zürich», erinnert sich Roettger. Dort merkte man schliesslich, dass Roettger dank seiner Eltern auch gut Deutsch spricht. So wurde ihm schliesslich innerhalb der PC-Abteilung die Leitung der Grosskundensparte von IBM Schweiz übertragen. Dazu musste er allerdings nach Zürich umziehen.
Während der Zeit in Zürich lernte Roettger, über Neujahr mit ein paar Freunden in Dänemark, auch seine zukünftige Frau kennen, die aus Deutschland stammt. Nach etwa einem Jahr Fernbeziehung erhielt er dann von IBM das Angebot für einen EMEA-Job in Paris. «Meine Frau kam mit an die Seine und unsere Beziehung auf Distanz fand endlich ein Ende. In Paris haben wir dann auch geheiratet. Unsere Tochter kam während dieser Zeit auf die Welt und auch mein berufsbegleitendes internationales MBA konnte ich erfolgreich abschliessen.» Nach rund zwei Jahren musste die junge Familie wegen des Jobs dann aber nach Stuttgart umziehen. «Dort habe ich es zum ersten Mal geschafft, alle Lampen aufzuhängen. Fertig wurde ich damit allerdings nur kurz bevor ich von IBM wieder zurück nach Zürich beordert wurde», erinnert sich der 44-Jährige lachend. Nach nur neun Monaten in Stuttgart kam Roettger mit Frau und Tochter wieder in die Schweiz.
Zurück in Zürich, wo wenig später auch sein Sohn geboren wurde, übernahm Roettger die Leitung der PC-Abteilung von IBM Schweiz. 2005 verkaufte IBM die PC-Sparte dann an
Lenovo. «Damals konnte ich mein ganzes Team, alle Prozesse, Tools und Kunden aus IBM rauslösen und habe Lenovo Schweiz gegründet», so Roettger. «Einige Jahre später bin ich geschäftlich wieder überall gewesen, immer von Zürich aus. Ich hatte mehr Mitarbeiter im Ausland als in der Schweiz, hatte ich doch irgendwann erneut ein EMEA-Job. Ich bin durch ganz Europa getingelt und war mehr in Paris als zu Hause in Zürich».
Beruf und Privatleben im Gleichgewicht
Zum Glück wurde Roettger vor rund drei Jahren und just zu dem Zeitpunkt, als er immer häufiger, wenn er im Hotelzimmer erwachte, überlegen musste, in welcher Stadt er sich gerade befand, der Job als Managing Director von
Lenovo in der Schweiz angeboten. Denn Lenovo wollte Lenovo Schweiz nicht mehr «nur» als Teil der Central Region zu führen, sondern als selbständiges Unternehmen mit lokaler Profit- und Loss-Verantwortung. «Mir wurde die Leitung übertragen und ich kam fest nach Zürich zurück. Seither bin ich nicht mehr nur auf dem Papier, wie ich es schon immer war, sondern wirklich aktiv Geschäftsführer von Lenovo Schweiz.» Und
Roettger freut sich: «Die entfernteste Geschäftsreise geht heute nach Genf.»
Doch auch wenn die Reiserei im Job heute grösstenteils wegfällt, so verbringt Roettger nach wie vor viel Zeit damit, die Balance zwischen Arbeit und Privatleben zu halten. «Es ist wichtig, abschalten zu können. In den letzten Jahren gelingt mir das. Dafür musste ich aber beruflich und privat sehr viel lösen und regeln. Zurzeit bin ich ziemlich im Gleichgewicht mit mir. Das war nicht immer so, deshalb ist das sehr cool und wichtig.»
27 Kilo weniger und der Idealjob
Diese Ausgeglichenheit zeigt sich auch in der Tatsache, dass Roettger in den vergangenen Jahren und Monaten rund 27 Kilogramm abgenommen hat. War er als Jugendlicher ziemlich sportlich, kam er mit seinem Beruf bald einfach nicht mehr dazu. «Seit ich den Job in der Schweiz habe, habe ich auch hier einige Sachen grundsätzlich geändert und mache wieder viel Sport.» So spielte er bis vor kurzem in einem Club Unihockey, wirkt bei
Lenovo in einem Plausch-Indoor-Fussball-Team mit und besucht das Fitnesscenter, das sich praktischerweise im selben Gebäude wie die Lenovo-Niederlassung befindet.
Weitere feste Hobbys hat Roettger allerdings nicht – «ich bin nie dazu gekommen, der Job hat es nicht zugelassen». Das aktuellste Projekt in der Familie ist aktuell die Sanierung eines Hauses aus dem Jahre 1893. «Wir sind vor einem Jahr nach Winterthur gezogen und haben dieses alte Haus gekauft. Damit haben wir eines unserer Lebensziele erreicht, nämlich Langfristigkeit und Stabilität.» Zudem sei er heute trotz vieler Höhen und Tiefen an einem Punkt, wo er sich insgesamt gut fühle: «Ich bin sehr stolz auf meine Familie und ich verspüre eine innere Zufriedenheit.» Diese Zufriedenheit spürt Roettger auch im Beruf. «Ich habe wohl nach all den verschiedenen Karrierestationen meinen Idealjob gefunden. Natürlich habe ich noch Ambitionen. Es wäre schade, wenn man keine mehr hätte im Leben. Mein Job ist derzeit aber so interessant und erhält immer wieder neue Aspekte, die sehr erfüllend sind.» Zudem könne er seinen multikulturellen Hintergrund – in Deutschland geboren und in der Romandie aufgewachsen –, seine Bodenständigkeit sowie seine Fähigkeit, strategisch zu denken, gut einbringen und nutzen. «Meine Arbeit bietet mir die Balance zwischen dem Wissen, was an der Basis passiert, und erlaubt mir gleichzeitig, strategische Entscheidungen zu fällen. Diese Kombination bieten nur wenige Jobs.»
Patrick Roettger
Patrick Roettger (1972) wurde in Norddeutschland geboren, bevor er mit fünf Jahren mit seiner Familie in die Westschweiz zog. Nach der regulären Schulzeit nahm er ein Studium auf, welches er aber abbrach, weil es sich nicht mehr mit seiner Tätigkeit als selbständiger Programmierer vereinbaren liess. «Das Programmieren hat mich von klein auf fasziniert. Angefangen habe ich mit dem Programmieren von Spielen auf dem Commodore 64. Ich habe mir alles selbst beigebracht», so Roettger. Nach einigen Jahren Selbständigkeit verspürte Roettger den Wunsch nach einer Festanstellung und stieg bei IBM ein. Heute lebt Roettger mit seiner Frau und seinen zwei Kindern in Winterthur.
(abr)