«Swiss IT Reseller»: Ihr Unternehmen feiert heuer sein 20-Jahre-Jubiläum. Wenn Sie sich bei der Firmengründung überlegt hätten, wo Proffix im Jahr 2021 steht, wie nahe war Ihre Vision an der heutigen Realität?
Peter Herger: Ganz ehrlich: Wir hatten damals keinerlei Vorstellung, wohin uns die Reise führt, sondern sind einfach mit viel Enthusiasmus, Überzeugung und einer gewissen Unbekümmertheit ins Abenteuer gestartet.
Dann frage ich anders: Gibt es etwas, auf das Sie besonders stolz sind, wenn Sie die letzten 20 Jahre Revue passieren lassen?Am meisten stolz macht mich, dass wir vier Gründungspartner die Geschichte von Proffix über all die Jahre gemeinsam geschrieben haben und immer noch harmonieren. Etwas, was nicht selbstverständlich ist, sind wir charakterlich doch sehr verschieden. Letztlich liegt hier aber auch eine unserer grossen Stärken, nämlich uns hinterfragen und vertrauen zu können. Stolz bin ich natürlich auch darauf, dass unser KMU mittlerweile auf 42 Mitarbeitende gewachsen ist, die wir mit unserem Produkt und unserer Kultur begeistern können.
Gibt es auch Dinge, die Sie heute anders machen würden?Das kann man so nicht sagen. Sicher haben wir Dinge falsch angepackt, doch aus jedem Fehler konnten wir auch lernen. Nur darum sind wir heute da, wo wir sind.
Welche Rolle haben Ihre Vertriebspartner in den 20 Proffix-Jahren gespielt?Unsere Vertriebspartner sind für uns seit jeher entscheidend. Dank ihnen konnten wir uns all die Jahre auf die nachhaltige Entwicklung unseres Produktes fokussieren, während die Partner für uns das Wachstum erzielt haben. Natürlich gibt es im Partnergeschäft auch Spannungen, doch von diesen und vom anderen Blickwinkel, den die Partner mitbringen, können wir auch in der Entwicklung profitieren. Ich bin nach wie vor überzeugt, dass in unserer Branche das Partnermodell richtig ist, weil die Ergänzung zu einer höheren Wertschöpfung beim Kunden führt.
Nichtsdestotrotz haben Sie vor drei Jahren mit dem Direktvertrieb begonnen. Warum?Das hatte verschiedene Gründe. Ein Grund war, dass wir gemerkt haben, teilweise zu weit weg vom Endkunden zu sein und ihn dadurch zu wenig zu spüren. Denn so wichtig der Austausch mit den Partnern ist, wirkt er doch auch als Filter. Gleichzeitig hat sich der Markt verändert. Es gab zunehmend Kunden, die bei uns Lösungen nachgefragt und nicht verstanden haben, warum sie beispielsweise eine Lizenz nicht direkt bei uns kaufen konnten. Und der dritte wesentliche Grund war der, dass wir damals Partner im Netzwerk hatten, die eine Nachfolgelösung für ihr Unternehmen suchten, was alles andere als einfach ist. Das ERP-Lösungsgeschäft ist in erster Linie ein People Business und wir wollten verhindern, dass die Endkunden dieser Partner unbetreut blieben. Deshalb sind wir in die Bresche gesprungen und durch die Übernahme von zwei Vertriebspartnern ins Direktgeschäft eingestiegen. Und es wird weitere Partner geben, die über kurz oder lang eine Nachfolge suchen.
Ich kann mir aber vorstellen, dass Ihr Einstieg ins Direktgeschäft bei Ihren Partnern nicht nur auf Begeisterung gestossen ist.Die mögliche Reaktion der Partner hatte mir damals einige schlaflose Nächte bereitet. Rückblickend habe ich mir aber zu Unrecht Sorgen gemacht. Der Strategiewechsel hatte kaum für Irritationen gesorgt. Das hängt sicher damit zusammen, dass wir stets offen kommuniziert und den Partnern erklärt haben, warum wir den Schritt ins Direktgeschäft machen. Wichtig war, ihnen aufzuzeigen, dass dieser Schritt keine Konkurrenz, sondern Mehrwerte schafft. Dies verdeutlicht sich in der Art, wie wir das Direktgeschäft bei uns integriert haben. So haben wir heute zwei Entwicklungsabteilungen: das Kernteam, das die Entwicklung unserer Business Software verantwortet, und das Projektteam, das unsere Software auf die Bedürfnisse der Kunden individualisiert. Unser Projektteam arbeitet also wie ein Proffix-Value-Added-Partner und wird auch so behandelt.
Trotzdem: Wie managen Sie das direkte und das indirekte Geschäft? Behalten Sie die spannenden Leads für sich, und der Rest wird an die Partner weitergebeben?Selbstverständlich nicht. Es braucht eine gewisse Demut, sich in diesem Spannungsfeld aus direktem und indirektem Geschäft zu bewegen. Hier spielen auch die Veränderungen im Markt eine wichtige Rolle. Entschieden früher geografische Gesichtspunkte die Wahl des Partners, sind es heute mit der steigenden Komplexität vor allem die fachlichen Kompetenzen. Oberste Priorität hat für uns, wer wo seine Stärken hat und wer dem Endkunden am besten helfen kann. Oft kommt es dabei auch zu einer Art Joint-Venture, bei dem unser Projektteam und das Team des Partners oder auch Partner untereinander zusammenarbeiten, um die bestmögliche Lösung für den Kunden zu entwickeln.
Welchen Anteil macht das Direktgeschäft heute am Proffix Business aus? Und wie viele Endkunden zählt Proffix?Aktuell sind es knapp 20 Prozent. In dieser Grössenordnung soll es sich auch in Zukunft bewegen. Bezüglich der Zahl der Kunden: Ich hoffe, dass wir in diesem Jahr die 4000er-Marke durchbrechen. Aktuell stehen wir bei knapp 3900.
Sie haben vorhin angetönt, dass bei weiteren Partnern die Nachfolge ansteht. Heisst das, dass Sie auch weitere Partner übernehmen werden?Angedacht ist das nicht, denn die Übernahme eines Partners ist allein schon kulturell eine grosse Herausforderung. Handkehrum sind wir uns bewusst, dass wir es uns nicht erlauben können, die Kunden sich selbst zu überlassen. Viel lieber ist uns aber, wenn der Partner selbst eine Nachfolgelösung findet, beispielsweise mit jüngeren Mitarbeitenden im Unternehmen. Für solche Lösungen bieten wir auch gerne Unterstützung an.
Was macht es denn so schwierig, in dieser Branche Nachfolgelösungen zu finden?Zwei Sachen: Zum einen die zunehmende Komplexität. Jemand, der sich schon seit Jahren in dieser Branche bewegt, kommt damit besser klar als jemand, der versucht, neu ins KMU-Software-Business einzusteigen. Dies spüren wir auch bei uns. Wir benötigen heute viel mehr Zeit für die Ausbildung neuer Mitarbeitenden, damit sie nur schon einen Teilbereich abdecken können. Zum anderen ist das Partnergeschäft nur schwer skalierbar, weil es ein Dienstleistungs-Business ist und in erster Linie Stunden verrechnet werden. Die Investitionen, bis ein neuer Mitarbeiter Umsatz erzielen kann, sind hoch. Das spüren wir auch im Markt. Nur wenige Partner sind bereit, in Personal zu investieren.
Im Februar haben Sie ein neues Partnerprogramm angekündigt. Warum wurde eine Überarbeitung nötig?Unser bisheriges Partnerprogramm beruhte über viele Jahre auf quantitativen Zielen. Durch die bereits angesprochene steigende Komplexität haben wir aber gemerkt, dass wir viel stärker auf qualitative Kriterien und fachliche Kompetenzen bauen müssen. Das haben wir mit dem neuen Programm nun umgesetzt.
Bei der Ankündigung des neuen Partnerprogramms war auch von der Konsolidierung der bestehenden Partnerstruktur die Rede. Können Sie diesen Punkt ausführen?Unsere Partnerlandschaft ist über die Jahre auf rund 70 Partner gewachsen. Mithilfe unseres neuen Partnerprogramms haben wir das Netzwerk durchleuchtet und entsprechend den neuen Anforderungen auf neu 42 Partner konsolidiert.
Können Sie die wesentlichen Neuerungen kurz darlegen?Wie gesagt, rückt das neue Partnerprogramm die Kompetenzen der Partner und die Kundenzufriedenheit in den Fokus. Es geht darum, für die Kunden Mehrwerte zu schaffen. Dafür haben wir das Programm in drei neue Kategorien von Partnern gegliedert. Ein klarer Fokus liegt auf der Suche nach Value Added Partnern, die Proffix an Dritt- und Branchenlösungen anbinden und zu individuellen und bedürfnisgerechten Lösungen für ihre Kunden weiterentwickeln. Eine zweite wichtige Gruppe sind die Treuhänder, die mit
Proffix ihre Kunden in der Geschäftsadministration vollumfänglich betreuen können.
Und wie kommt ein Partner zu den Kompetenzen? Gibt es ein Zertifizierungsprogramm?Für gewisse Kompetenzen haben wir ein eigenes Zertifizierungsprogramm. Bei anderen, wie der Treuhandkompetenz, bauen wir auf externe Qualitätsnachweise, mit denen unsere Partner beweisen können, auf dem neuesten Stand zu sein. So muss ein Treuhänder ein gewisses Level haben, um den Treuhand-Status zu erhalten und den Kunden entsprechend zu beraten. Den Nachweis der Entwicklungskompetenz evaluieren wir zusammen mit dem Partner und schauen, welches Know-how vorhanden ist und welche Tools benötigt werden. Ein wichtiger Faktor ist für uns wie bereits angetönt die Kundenbetreuung und Kundenzufriedenheit. Diese messen wir jährlich mittels Umfrage.
Was für Partner sucht Proffix, was muss ein potenzieller neuer Reseller mitbringen?Ein Reseller muss zwingend ERP-Erfahrung mitbringen. Um heute Business Software zu vertreiben, braucht es die Kombination aus Betriebswirtschafts- und IT-Know-how. Prädestiniert als Partner sind Unternehmen, die bereits ERP-Entwicklungserfahrung haben – vielleicht mit einer anderen Lösung, die nicht mehr ganz auf dem neuesten Stand ist. Ebenfalls wünschten wir uns junge Firmen. Allerdings getrauen sich sehr wenige Start-ups, in unserem Bereich aktiv zu werden, wobei auch hier die Komplexität mit ein Grund sein dürfte. Wir würden solche Start-ups aber sehr gerne unterstützen. Unser Programm bietet auch kleineren, innovativen Vertriebspartnern die Chance, um nachhaltig zu wachsen.
Wenn Sie Reseller ansprechen, die heute noch andere Lösungen verkaufen, bedingt das ja, dass deren Endkunden bereit sind, auf eine neue Lösung zu migrieren, wozu man ihn erst überzeugen muss, oder nicht?Wie bereits gesagt sind wir in einem People Business tätig, in dem der Kunde seinem Partner vertraut. Ich persönlich bin der Meinung, dass der Migrationsaufwand nicht selten überschätzt wird. Löst man eine Lösung ab, die zwanzig oder mehr Jahre im Einsatz war, muss man sich schon fragen, welche Daten und Altlasten man tatsächlich übernehmen möchte. Vielerorts birgt ein solches Projekt die Chance, um die Prozesse im Unternehmen zu modernisieren und mit Blick auf die Wettbewerbsfähigkeit weiter zu vereinfachen.
Und was kann Proffix den Partnern bieten?Mit unserer offenen Business Software decken wir alle wichtigen betriebswirtschaftlichen Geschäftsprozesse eines typischen Schweizer KMU ab. Aufbauend auf dieser kann der Value Added Reseller via REST-API-Webservices einfach Schnittstellen bauen und weitere Funktionalitäten entwickeln oder Drittlösungen anbinden. Das ist der Ansatz, den wir verfolgen und womit wir neue Partner an Bord holen möchten. Wir sind überzeugt, dass Proffix mit seinem offenen Ökosystem und seinem Fokus auf Microsoft-Standardprodukte das passende Werkzeug ist.
Das bedingt aber Partner, bei denen Entwicklungskompetenz vorhanden ist.Das ist richtig. Aus diesem Grund suchen wir wie bereits ausgeführt explizit Value Added Reseller. Partner, die einen Mehrwert bieten können und in der Lage sind, die Standardsoftware von Proffix in Eigenregie zur individuellen Lösung für den Endkunden zu erweitern.
Haben Sie sich quantitative Ziele gesetzt bezüglich der Zahl der neuen Partner?Entscheidend für uns ist es, die richtigen Partner zu finden. Es ist ähnlich wie bei unseren Mitarbeitenden. Wir befinden uns in der komfortablen Situation, keine Stelle besetzen zu müssen. Wenn wir aber die richtige Person finden, stellen wir diese noch so gerne ein. Ähnlich ist es mit den Partnern. Wir suchen die Partner, mit denen wir langfristig zusammenarbeiten wollen. Die Anzahl ist weniger entscheidend. Unser Ziel ist es, Mitarbeitende wie auch Partner zu befähigen – das gehört zu unserer Firmenkultur.
Proffix-Software kann man auch aus der Cloud als Service beziehen. Hosten die Partner hierbei die Software selbst, und wie hoch ist der Cloud-Anteil unter den Endkunden?Aktuell zählen wir rund 50 Hoster, die
Proffix anbieten. Darunter sind Partner, die die Lösung selbst hosten, aber auch reine Hosting-Partner, auf die Reseller zurückgreifen können. Genutzt wird die gehostete Lösung von rund zwei Dritteln der Endkunden.
Das scheint recht viel zu sein.Das ist richtig, andererseits macht die Nutzung der Software aus der Cloud auch absolut Sinn. Ich kann viel eher das eine Drittel, das die Lösung noch lokal installiert hat, nicht ganz nachvollziehen. Denn bis auf ganz wenige Spezialfälle oder ganz spezifische Firmengrössen und -szenarien lohnt es sich schlicht nicht, die ganze Infrastruktur On-Premise zu betreiben. Das Argument, dass die Infrastruktur inhouse sicherer ist, wird immer schwieriger anzubringen, und auch der Preis ist höchst selten ein triftiger Grund.
Um nochmals zurück zum Anfang und zum 20-Jahr-Jubiläum zu kommen. Feiern sind aktuell schwierig zu planen – ist trotzdem etwas vorgesehen?Wir sind in der Planung für einen Anlass für die Mitarbeitenden und einen Endkundenevent im Sommer und hoffen das Beste. Die sozialen Kontakte fehlen. Gleichzeitig werden wir uns und unsere Kundinnen und Kunden mit einer neuen Version von Proffix beschenken, Proffix Px5. Mehr verrate ich noch nicht. Grundsätzlich richten wir unseren Blick stets in die Zukunft. Die ist entscheidend und nicht das, was wir in den letzten 20 Jahren geschafft haben.
(mw)