Apple setzt auf Software

Mit dem Webbrowser «Safari» für Mac OS X konkurrenziert Apple den bei Mac-Usern weit verbreiteten Internet Explorer. Und auch das Präsentationsprogramm Keynote zielt deutlich in Microsoft-Gefilde.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2003/01

     

Mit seiner Software-Initiative scheint sich Apple aus der Abhängigkeit von Microsoft befreien zu wollen. Diesen Eindruck konnte man zumindest auf der Macworld Expo in San Francisco bekommen.
Der neue Browser «Safari» läuft auf Mac OS X ab Version 10.2 und ist laut Jobs «der schnellste Browser auf dem Mac». Beim Demovergleich erwies sich Safari gegenüber dem Internet Explorer denn auch als deutlich überlegen.
Doch die Geschwindigkeit sei nur ein Grund gewesen, «den ersten, neuen Web-Browser seit fünf Jahren» zu entwickeln, meinte Jobs, und hob die einfache Favoriten-Verwaltung und andere Verwaltungsbequemlichkeiten hervor. «Snapback» etwa führt mit einem Mausklick zur letzten von Hand eingegebenen Adresse zurück. Über ein Eingabefeld in der Werkzeugleiste hat man direkten Zugriff auf die Suchmaschine von Google, und lästige Werbe-Popup-Fenster lassen sich mit einem Menübefehl unterbinden.
Safari ist HTML4-kompatibel und unterstützt unter anderem DOM, Java, Javascript und Cascading Style Sheets. Die Rendering-Engine basiert auf der aus der Linux-Welt stammenden KHTML-Bibliothek des KDE-Desktop. «Manche Leute haben ein Problem mit Open Source», meinte Jobs in Richtung Microsoft, «aber wir finden sie grossartig». Die englischsprachige Beta-Version von Safari ist unter www.apple.com/
chde/safari/ gratis verfügbar.

Jobs als Beta-Tester

Ebenfalls Richtung Microsoft zielt das Präsentationsprogramm «Keynote». Jobs setzte die Betaversionen im letzten Jahr für alle seine Keynotes ein, als, wie er sagte, «schlecht bezahlter Beta-Tester». Jetzt liegt der Powerpoint-Herausforderer fertig vor. Seine Stärken liegen vor allem in der intuitiven Bedienung und den Gestaltungsmöglichkeiten mit transparenten Grafiken und Überblendungen, freier Skalierung und Rotation von Objekten sowie Funktionen für Tabellen und Diagramme.
Keynote importiert Grafiken als PDF, TIFF oder JPEG, aus Photoshop oder Illustrator. Zudem kann es ganze Powerpoint- Präsentationen im- und exportieren. Die Besucher von Jobs Keynote in San Francisco konnten gleich ein Gratis-Paket mitnehmen. Für alle andern gibt’s Keynote im Apple Shop und beim Fachhändler für 169 Franken.
Wie an der Messe bekannt wurde, ist nun auch die letzte Mac OS X-Testversion von «Openoffice» verfügbar, der Opensource-Ausgabe von Suns Office Suite Staroffice (abrufbar unter http://porting.openoffice.org/mac/ooo-osx_downloads.html).
Openoffice für Mac OS X läuft allerdings nicht unter der Aqua-Oberfläche, sondern erfordert ein X11-System. Im Download ist der auf Mac OS X portierte XFree86-Server enthalten. Dabei erscheinen die Fenster in traditioneller Mac-Manier, Schaltflächen und andere Elemente jedoch im X11-Look.
Übrigens bietet auch Apple selber eine X11-Umgebung für Mac OS X an, mit der Unix- und OS X-Anwendungen auf dem gleichen Desktop laufen. Die Implementation von X11 ist für das Quartz Graphiksystem von Apple optimiert.
Ob all dem, argwöhnen manche Beobachter, könnte sich Microsoft verschnupft zeigen und die weitere Entwicklung von Office und IE für den Mac – Applikationen, die bisher einiges zur Attraktivität von Mac OS X beigetragen haben – zurückstellen.

Digital Lifestyle

Apples kostenlose Multimediaprogramme «iTunes», «iMovie» und «iPhoto» werden in neuen Versionen als Paket zusammen mit «iDVD» unter dem Namen «iLive» angeboten. Das Gesamtpaket wird auf allen zukünftigen Macs vorinstalliert werden und ab 25. Januar für 79 Franken im Apple Store angeboten.
Auch wenn iTunes, iMovie und iPhoto auch weiterhin gratis per Download erhältlich sind, handelt es sich bei iLife nicht nur um ein Bündel von bekannten Applikationen. Die neuen Versionen arbeiten enger zusammen als früher. So kann man aus iPhoto2 per Knopfdruck Bilder auf eine CD oder DVD brennen, ohne vorher ein iDVD-Projekt anlegen zu müssen. Die in iTunes vorhandenen Musikstücke sind immer präsent, um als Hintergrundmusik eingesetzt zu werden, und ein iMovie-Film verwandelt sich ohne langwierigen Export in ein DVD-Projekt.
Stolz zeigte Jobs wie er per Mausklick einen Kameraschwenk über ein Foto erzeugt: Anfangs- und Endpunkt der Kamerafahrt und die Zoombewegungen festlegen, den Rest besorgt iMovie. Jobs spielte damit herum, als hätte er soeben den Familienfilm erfunden.
Gratis Videobearbeitung gibt’s übrigens auch vom Hersteller professioneller Videosoftware Avid. Das kostenlose «Avid Free DV» fusst auf «Avid Xpress DV» und enthält wie dieses zwei Videospuren und vier Audiospuren. Der Funktionsumfang wurde allerdings verkleinert, auch wenn die Details noch nicht bekannt wurden. Avid Free DV soll im zweiten Quartal für Mac und Windows
herauskommen.
Wem kostenlose Video Schnittprogramme nicht genügen, die professionellen jedoch zu teuer sind, dem bietet Apple mit «Final Cut Express» eine vergleichsweise günstige Zwischenlösung. Final Cut Express enthält den gleichen Titelgenerator wie der grosse Bruder. Identisch sind auch mehrere Filmebenen und bis zu 99 Tonspuren sowie die mitgelieferten Effekte. Die Beschränkungen zeigen sich dagegen bei den Videoformaten: Final Cut Express ist auf DV25, sprich Mini-DV und DV-CAM, beschränkt. Ausserdem fehlt die Möglichkeit, abendfüllende Spielfilme offline zu bearbeiten.
Final Cut Express ist ab sofort für 499 Franken zu haben. Das Programm verlangt Mac OS X 10.2 und mindestens 384 MB Arbeitsspeicher.

Das Grösste und das Kleinste

In Sachen Hardware erklärte Jobs 2003 zum Jahr des Notebooks (Bild), das über kurz oder lang den Desktop-Geräten ihren Platz streitig machen werde. Den Beweis sollen zwei neue G4-Powerbooks liefern: Das «grösste der Welt» mit 17 Zoll-Bildschirm mit einer Auflösung von 1440 x 900 Pixel und das «kompakteste» mit 12 Zoll-LCD.
Beide sind 2,54 cm flach und bestehen nicht mehr wie die Vorgänger aus Titanium, sondern aus gehärtetem Flugzeugaluminium. Die Version mit 17er-Monitor kostet im Apple Store 5399 Fraunken, die kleine Version 2099 Franken. Beide sollen im Frühjahr bei uns lieferbar sein. Das neue 17er-Modell beinhaltet einen Ein-GHz Prozessor, einen Nvida Geforce4 440 Go Grafikprozessor mit 32 MB DDR SDRAM sowie das Superdrive-Laufwerk, das CDs und DVDs beschreibt.
Das Gerät ist neben dem herkömmlichen Firewire 400 auch mit einem neuen doppelt so schnellen Firewire 800-Anschluss und mit Bluetooth ausgestattet. Die neue integrierte Airport-Karte ist dank 802.11g-Standard bis zu 54 Mbps schnell und im Gegensatz zu 802.11a mit den verbreiteten 802.11b-Geräten kompatibel. Dazu kommen Apple-typische Gimmicks: Ein lichtempfindlicher Sensor passt die Helligkeit der hinterleuchteten Tastatur und des Bildschirms automatisch an eine dunkler werdende Umgebung an – äusserst empfehlenswert bei der Beobachtung von Sonnenfinsternissen. (fis)


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