Wer zum ersten Mal die Computex in Taipei besucht, erlebt zunächst ein Gefühl der Irritation. Auf den ersten Blick scheint die grösste taiwanische IT-Messe ein Klon der Cebit zu sein. Und dennoch ist alles anders. Vieles ist kleiner, die Anzahl der Hallen, die Stände oder die Anzahl der Firmenrepräsentanten an den Buden – aber das hat keinen negativen Beigeschmack.
Vielmehr fehlt vor allem die Protzigkeit europäischer Veranstaltungen. Auch die hierzulande gewohnte Mischung aus Hardware, Software und Dienstleistungen existiert so nicht. Die Produktion von Hightech- und IT-Hardware ist in Taiwan mit dem grössten Renommee verbunden, was zur Folge hat, dass sich die Unternehmen besonders in den Bereichen der aktuellen IT-Trends wie Flachbildschirmen, WiFi- und USB-Geräten engagieren.
Was an Software-Produkten ausgestellt wurde, stammte entweder von den bekannten Global Playern oder war fest in indischer Hand.
Hier gibt’s noch Hardware
Die Computex ist also im Herzen ihrer Seele eine Hardware-Messe. Ein Trend, der auch seitens der Regierung des Landes tatkräftig unterstützt wird. Nicht nur die Infrastruktur rund um das Taipei World Trade Center (TWTC) wird weiter ausgebaut, mit gezielten Förderprogrammen versucht man derzeit die Grossen der Branche dazu zu bringen, ihre Forschungsabteilungen in den Inselstaat zu verlagern.
Auf der Ausstellerseite bot sich derweil das von chinesischen Firmen gewohnte Bild. Es gibt nicht zwei oder drei Anbieter eines Produkts, sondern Dutzende. Ob bei Gehäusen, Kühlern, USB-Lösungen, Digitalkameras, Motherboards oder Flachbildschirmen, die Auswahl ist schier überwältigend.
Nicht alles trifft mit seiner bonbonbunten Fröhlichkeit den europäischen Geschmack, aber bei nur zehn Prozent internationalen Besuchern muss es das auch nicht. Dafür stellt man fest, dass das Unwort der taiwanischen IT-Szene «OEM» ist. Ein jeder ist Hersteller, was die Suche nach Lieferanten mit eigener Fabrikation für hiesige OEMs etwas kniffelig macht.
Trend zur Miniaturisierung
Auf der technischen Seite waren Vernetzung und Miniaturisierung die beherrschenden Themen. Die Bemühungen um eine Vernetzung der diversen Home-Entertainment-Komponenten führten zu einer Vielzahl innovativer WLAN- und Bluetooth-Produkte. Auch im Bereich der mobilen Geräte kommt heute kein Hersteller mehr ohne Smartphone mit integrierter Digicam über die Runden.
Möglich wird dies auch durch immer kleinere Basiskomponenten. So stellte VIA erste Motherboards im Nano-ITX Format vor. Das Bord misst nur noch 12x12 cm, was die Gestaltungsmöglichkeiten für digitale Videorekorder und Design-PCs erweitert.
Voll im Trend sind auch Mini-PCs. Vor allem die bekannten Grössen der Motherboard-Szene liefern sich einen Wettstreit um Design, Performance und Funktionalität der kleinen Würfel. Darunter sind auch Kleinserien und limitierte Auflagen zu Spielen oder Kultfilmen. Die Zeiten, in denen man mit mausgrauen Kisten und GHz Eindruck schinden konnte, sind spätestens seit der Computex endgültig vorbei.
Notebook-Innovationen
Bei den Notebooks lagen die Innovationen vor allem bei der Grafik und den Displays. Mitac präsentierte ein Notebook auf Basis des
ATI Mobility Readeon 9700 Chip, während Uniwill ein Gerät mit 16-Zoll-Display vorstellte.
Auch die 64-bit-Technologie schafft den Sprung in den mobilen Sektor.
AMD bietet mit dem Mobile Athlon 64 3000+ und 3200+ gleich zwei Lösungen mit 64bit-Kern. Diese laufen mit 1,8 GHz und 2,0 GHz und bieten die bekannte «Power Now!» Stromsparfunktion, um den im Performance-Modus ungebremsten Energiehunger von 81,5 W zu zügeln.
Mit Power Now! bei 800 MHz und 1,1 V statt ansonsten 1,5 V benötigen die CPUs schon nur noch 19 W und kommen im Ruhemodus «Stopgrant» dann sogar mit 2,2 W aus. Eine der ungewöhnlichsten Mobillösungen stammte von AutoCAN. Dort hat man einen PC im Format eines Autoradios gebaut, der zudem über das Bordnetz des Fahrzeugs mit Strom versorgt wird.
Der «SmartautoPC» (kein Bezug zum Fahrzeug gleichen Namens) bietet ein DVD-Laufwerk, ein LC-Display und GPS-Empfang, was ihn zugleich zur Multimediaplattform und zum Navigationssystem macht.
Besucherrekord
Insgesamt verzeichnete die Computex mit 1241 ausstellenden Unternehmen und beinahe doppelt so vielen Ständen einen Teilnehmerzuwachs von rund zehn Prozent. Schon nach drei Tagen hatte man mit 42’000 Besuchern die im Vorfeld prognostizierte Zahl von 35’000 bei weitem übertroffen. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das trotz Sars und der Nähe zu den europäischen Messen in München und Mailand ein Plus von über zwanzig Prozent.
Die Computex ist auf dem besten Weg, sich zur zentralen asiatischen IT-Messe zu entwickeln. Ein Indiz dafür ist, dass es gelang, dem Konkurrenten Cebit Asia in Shanghai rund ein Fünftel der Aussteller abspenstig zu machen. Für 2004 plant man zum ursprünglichen Zeitpunkt zurückzukehren. Die nächste Computex soll schon in neun Monaten vom 1. bis 5. Juni 2004 stattfinden. (tm)