Privatbanken müssen künftig mehr lösungsorientierte Produkte anbieten. Nur so können sie der Abkehr der Kunden von ihren Dienstleistungen zu Massenprodukten entgegenwirken. «Die Privatbanken sind zurzeit mit vielfältigen Herausforderungen konfrontiert. Zu schaffen machen ihnen unter anderem die sinkende Loyalität und die steigenden Erwartungen der Kunden», erklärt der Verfasser des «European Wealth and Private Banking Industry Survey 2005», Philippe Theytaz und rät: «Die Privatbanken müssen sich bewusst werden, wo sie sich von anderen Wettbewerbern differenzieren, und auf diese Fähigkeiten fokussieren.»
Die IBM-Studie berücksichtigt die Antworten von 96 Vermögensverwaltern und Privatbanken von zwölf wichtigen europäischen Bankenplätzen. 38 Prozent davon arbeiten in Offshore-Zentren wie den Kanalinseln, Luxemburg, Monaco und der Schweiz, die restlichen in Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Niederlande, Italien, Spanien und Grossbritannien.
Kundenwünsche
Für die Studie wurden neben Bankspezialisten erstmals auch Kunden von Privatbanken befragt. Diese suchen sowohl für Vermögen wie Schulden Lösungen, die auf ihre persönliche Situation massgeschneidert sind. Die Studie zeigt jedoch, dass das Wissen der Banken über ihre Kunden zu wünschen übrig lässt. So werden häufig die Herkunft von Familien- und Geschäftsvermögen, die Erwartungen an die Berichterstattung und das Interesse an erweiterten Leistungen der Vermögensverwaltung nicht richtig verstanden.
Gleichzeitig kämpfen aber viele Privatbanken zurzeit um einen Ausbau des Anteils an sehr vermögenden Kunden. Ian Woodhouse von
IBM Business Consulting Services und Co-Autor der Studie, meint: «Diese Banken müssen ihr Geschäft rasch transformieren und zu einem flexibleren, wertorientierten Ansatz kommen. Damit können sie nicht nur die Wertschöpfungsprozesse optimieren, auch partnerschaftliche Lösungen und Sourcing-Optionen lassen sich besser nutzen.»
Brand und Grösse zählen
Eine weitere Erkenntnis ist, dass die Marke und das fachliche Know-how zunehmend an Bedeutung gewinnen. Um sich im europäischen Private-Banking-Markt zu behaupten, sind laut der Studie Organisationen, die über einen eigenen Brand verfügen, aber Teil einer grösseren Bankengruppe sind, sowie die Private-Banking-Abteilungen von Universalbanken am besten vorbereitet. Unabhängige Privatbanken und spezialisierte Nischenplayer dagegen, die nicht über die Grösse und die Ressourcen der grossen Anbieter verfügen, dürften es zunehmend schwerer haben, im Wettbewerb mitzuhalten.
Woodhouse rät daher: «Privatbanken müssen ein effizientes Geschäftsmodell entwickeln, das die unternehmerische Komplexität reduziert.»
Gesamtheitliche Beratung
Viele Privatbanken, prophezeit die Untersuchung, werden versuchen, sich durch ein ganzheitliches Beratungsangebot und entsprechend abgestimmte Werkzeuge und Anlagestrategien Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Dazu müssen sie aber in der Lage sein, die persönliche und berufliche Situation ihrer Kunden und deren Diversifikationsbedürfnisse sowie Risiko- und Rendite-Erwartungen systematischer zu beurteilen und zu berücksichtigen. Nicht alle, so die Studie, werden diese Herausforderung meistern, da dieser Ansatz spezifische Change-Management-Fähigkeiten erfordert, damit die eigene Organisation konsequent auf Kundenorientierung getrimmt werden kann.
Die Privatbanken, sagen die Autoren, werden sich entscheiden müssen, welche Kundensegmente sie ansprechen möchten. Dabei sind die veränderten Rahmenbedingungen für die Vermögensbildung, die regional unterschiedlichen Bedürfnisse und die von den Kunden gewünschten Service-Levels zu berücksichtigen.
Von der Konsolidierung profitieren
Eine wichtige Herausforderung bei der derzeitigen Branchen-Konsolidierung ist die Fokussierung auf jene Bereiche, die effektiv zum Wertschöpfungsprozess beitragen. Für die übrigen Bereiche können Lösungen mit Partnern ins Auge gefasst werden. Das bedingt unter anderem, dass die traditionellen Betriebsmodelle durch flexiblere, komponentenbasierte ersetzt werden.
Um von der Restrukturierung der Branche zu profitieren, sollten das Geschäftsportfolio und der geographische Mix proaktiv optimiert werden. Privatbanken, die in ihrem traditionellen Rollenverständnis verhaftet bleiben, geraten ins Hintertreffen. Schwächere, global tätige und mittelgrosse Privatbanken werden wahrscheinlich, so die Autoren, weder ausreichende Fachkompetenzen entwickeln, noch die erforderliche kritische Grösse erreichen können, um im dynamischen Wettbewerbsumfeld mitzuhalten.
Die zu beobachtende Entwicklung der Bankdienstleistungen zu Massenprodukten und die kürzeren Produkt-Lebenszyklen erfordern ein effizienteres Management. In Bezug auf Sourcing und Partnerschaften bedeutet dies, entweder die Ressourcen des eigenen Mutterhauses effizient zu nutzen und/oder mit externen Anbietern zusammenzuarbeiten. (fis)