Der Wettbewerb im Schweizer Retail im Bereich Unterhaltungselektronik und IT-Produkte hat sich massiv verschärft. In den letzten Jahren sind Mischformen entstanden, die man früher nicht für möglich gehalten hätte. Neben dem klassischen Fachhandel und CE/IT-Retail bieten auch immer mehr Food-Discounter oder gar Möbelhäuser wie das Einrichtungshaus Conforama entsprechende Produkte an. Obwohl der Retail-Gesamtkuchen – trotz erfolgreicher Produktneuheiten – stagniert (IHA-GFK 2005), drängen immer mehr Player auf den Markt.
Mit Aldi, Lidl und Saturn haben nun gleich drei neue Discounter den sowieso schon engen helvetischen Markt betreten. «Wir sind ‘over- retailed’», sagt denn auch Guido Renggli, CEO der Media-Markt-Gruppe Schweiz, gegenüber IT Reseller. «Dies wird in Zukunft unweigerlich zu einer Konsolidierung führen.» Auch Thomas Giger, Spartenleiter Multimedia bei Fust, ist der Meinung, dass sich eindeutig zu viele Player auf dem Schweizer Retail-Markt tummeln: «Besonders bedenklich ist die Entwicklung, dass das PC-Geschäft von vielen Mitbewerbern nicht zu Vollkosten betrieben, sondern aus anderen Geschäftsbereichen wie Möbel oder Food quersubventioniert wird und dies zahlreiche Lieferanten auch noch fördern und damit ihr Markenimage langfristig aufs Spiel setzen.»
Verschiebung der Märkte
Ebenfalls erschwerend dürfte die Tatsache sein, dass der Markt für Consumer Electronics leicht rückläufig ist. Die Schweiz hatte im letzten Jahr europaweit die stärksten, teilweise bis zu zweistellige Einbrüche in diesem Bereich zu verzeichnen. Hinzu kommt eine Verschiebung der Märkte respektive eine Änderung der Einkaufsgewohnheiten der Kunden weg vom Ladengeschäft hin zum Internetshop. Jetzt müssen sich auch die etablierten Marktführer wie Media Markt,
Interdiscount oder die M-Electronics-Studios der Migros etwas einfallen lassen. Von Vorteil für die Grossmärkte ist die Tatsache, dass Kunden die eher komplexen technischen Produkte vor dem Kauf gern in Augenschein nehmen und in Aktion erleben und den Kundendienst vor Ort schätzen. «Der typische Internet-Kunde kommt heute kaum noch in den Laden», sagt Thomas Giger.
Den grossen Fachmärkten geht es trotz allem gegenüber den unabhängigen Fachhändlern vergleichsweise gut. Generierten die Fachhändler gemäss Schweizerischem Verkaufsförderungsforum 2001 zusammen mehr als die Hälfte des Umsatzes im Bereich Unterhaltungselektronik, sinkt deren Anteil kontinuierlich. Media Markt & Co. hingegen konnten in den vergangenen Jahren satte Wachstumsraten verzeichnen. Im Gegensatz zu früher führen heute auch Discounter die neueste Technologie, aber zu dauerhaft günstigen Preisen inklusive Service-Angeboten. Im Gegenzug wird dabei auf eine umfassende Kundenberatung bewusst verzichtet. Die Chancen für den unabhängigen Fachhandel liegen im Segment der hochwertigen, höherpreisigen Geräte, für die eine ausführlichere Beratung vonnöten ist. Der Detailhandel hat zwar derzeit keine so schlechten Karten, trotzdem ist das Wachstum nur über einen Ausbau des Marktanteils möglich, der zu Lasten der Konkurrenz geht.
Preiszerfall und Lockvogelangebote
Für die zur Jelmoli-Gruppe gehörende Dipl. Ing. Fust AG läuft das Geschäft stückzahlenmässig sehr gut. In den meisten Segmenten habe man zulegen können, jedoch mit grossen Unterschieden von Marke zu Marke, sagt Giger. «Leider ist in allen Segmenten ein grosser Preiszerfall zu verspüren, dem wir mit vermehrten Direktimporten begegnen», so Giger. Fehlende Innovationen im Hardware-Bereich würden im Zubehör-Geschäft wettgemacht, das Fust stark ausgebaut hat. Im Trend sind Drahtlos-Heimnetzwerke oder Satellitenempfangsanlagen, die Fust vor Ort installiert. Im Druckerbereich liegen Foto-Drucker hoch im Trend.
Der neuen Konkurrenz durch Aldi und Lidl sieht Giger gelassen entgegen. «Auch wenn Aldi und Lidl einzelne Produkte sehr aggressiv anbieten, werden sie kaum in der Lage sein, damit unsere eigenen Erstpreisangebote zu unterbieten», so Giger optimistisch. Vielmehr bereitet ihm der intensive Wettbewerb unter den bestehenden Retailern Kopfschmerzen: «Häufig wird mit zu tiefen Preisen versucht, kurzfristig die Umsätze hochzuhalten. Einige Mitbewerber arbeiten mit Lockvogelangeboten – unsinnig tiefer Preis bei sehr kleiner verfügbarer Menge – die nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen. Wir halten nichts von einer solchen Politik, da wir keine enttäuschten Kunden wollen», so Giger.
Interdiscount (zu) optimistisch?
Auch bei
Interdiscount, der zentralen Verkaufsplattform von Coop für IT/CE-Produkte, gibt man sich gelassen. Offenbar läuft das Geschäft für den einstigen Branchenleader gut. Monika Zander, Leiterin zentraler Support und Kommunikation bei
Interdiscount, gegenüber IT Reseller: «Nachdem wir 2004 doppelt so schnell wie unser Hauptkonkurrent gewachsen sind, bewegen wir uns auch dieses Jahr klar über dem Vorjahr.» Zahlen mag Zander nicht nennen. Es ist aber bekannt, dass Media Markt hierzulande mit einem Umsatz von 895 Millionen Franken mit Unterhaltungselektronik und Weissware (Kühlschränke, Waschmaschinen etc.) die Konkurrenz schon hinter sich gelassen hat. Für das bevorstehende Weihnachtsgeschäft gibt man sich im Hause Interdiscount sehr zuversichtlich. Abgesehen vom Bereich Weissware laufe es sehr gut. «Bis jetzt hat die Konkurrenz uns nicht geschadet», sagt Zander selbstbewusst. Man habe klar Marktanteile gewonnen. Und das trotz verschärfter Konkurrenz durch den boomenden Internethandel und den Markteintritt neuer Player. Eine Abwanderung von Kunden in Richtung Webshops habe man jedenfalls bis jetzt noch nicht gespürt. Auch die Offensive von Aldi, Lidl und Co. lässt Zander eher hoffen: «Wir sind zuversichtlich, dass sich die Kunden nun vermehrt auf Discounter wie uns ausrichten.»
Nicht so rosig soll es um die XXL-Märkte stehen. Laut branchennahen Informationen soll das Geschäft in den Grossmärkten harzig laufen. Vor zwei Jahren hatte Interdiscount seine ersten beiden grossflächigen Märkte in Signy und Langenthal eröffnet. Bis heute wurden 13 XXL-Filialen aus dem Boden gestampft. Gegenüber IT Reseller dementiert Zander die Gerüchte: «Wir sind sehr zufrieden mit dem Einstieg in die Grossflächen und werden die Konkurrenz noch mit weiteren Eröffnungen überraschen.»
Fnac und Migros kämpfen
Seit einigen Jahren hat der französische Buch- und Elektronik-Fachmarkt Fnac (Féderation Nationale d’ Achat des Cadres) mit Fachmärkten in Genf und Lausanne Stellung in der Schweiz bezogen. Mit IT- und CE-Produkten erwirtschaftet Fnac immerhin ein Drittel seines Umsatzes. Vor zwei Jahren waren die Expansionpläne der Franzosen Richtung Deutschschweiz noch gross: Spätestens im ersten Halbjahr 2005 wollte man in Basel und Zürich mit grossen Läden vertreten sein und war auf der Suche nach geeigneten Lokalitäten. «Man wird uns in Zürich zwischen Bahnhofstrasse und Bellevue finden», sagte damals Harry Allegrezza, Directeur Commerciale von Fnac Schweiz, gegenüber IT Reseller. Bis jetzt hat sich diesbezüglich nichts getan, offensichtlich ist man noch immer auf der Suche.
Der Migros-Sparte M-Electronics geht es schlecht. Sie ist in die roten Zahlen gerutscht. Nun soll der Wal-Mart-Mann Frank Mades dem schwächelnden UE/CE-Geschäft der Migros wieder auf die Sprünge helfen. Bis Redaktionsschluss dieser Ausgabe war seitens der Migros keine Stellungnahme zu erhalten.
Aldi prescht vor
Kurz nach der Eröffnung der ersten sechs Aldi-Filialen in Weinfelden (TG), Amriswil (TG) Altenrhein (SG), Gebenstorf (AG), Pfäffikon (ZH) und in Romanshorn (TG) hat der deutsche Discounter bereits ein PC-Angebot präsentiert, das sich sehen lassen kann. Gleich drei neue Computerprodukte gibt’s seit vorletzten Donnerstag in den Aldi-Filialen zu erstehen. Besonders interessant dabei dürfte der PC vom Aldi-Hoflieferanten
Medion sein. Mit Doppelkernprozessor von
Intel und sattem Speicherausbau mit 1 GB ausgestattet, ist der Rechner auch für aufwendige Multimedia-Aufgaben fit. Mit der PCI-Express-Grafikkarte ist auch an die spielfreudige Kundschaft gedacht. Als Zusatzangebote gibt’s einen 17-Zoll-TN-Panel-Flachbildschirm für 259 Franken und eine Funkmaus für knapp 30 Franken. Der Medion-PC kostet 1499 Franken und ist somit sogar günstiger als in den deutschen Aldi Filialen.
Aldi Suisse will hierzulande richtig durchstarten. Wöchentlich wechselnde Spezialangebote auch im CE- und UE-Bereich sollen die Kunden von Media Markt und Co. weglocken. Damit der Überraschungseffekt bei den Spezialangeboten nicht verloren geht, will Aldi-Sprecher Sven Bradke gegenüber der Öffentlichkeit nichts Genaues verraten. Aldi wirbt mit Topqualität zu dauerhaft günstigen Preisen, 3-Jahres-Garantien auf technische Geräte und Geld-zurück-Garantie aufs gesamte Sortiment. «Die dreijährige Herstellergarantie soll zeigen, dass wir unseren Herstellern vollends vertrauen und nur qualitativ hochwerte Produkte im Angebot haben», so Bradke gegenüber IT Reseller.
Unterdessen schiessen Aldi-Filialen wie Pilze aus dem Boden: Je nach Abschluss der Bauarbeiten sollen in Kürze weitere Filialen in Mels (SG), Zollikofen (BE), Küssnacht am Rigi (SZ), Altdorf (UR), Herisau (AR), Frauenfeld (TG), Zürich-Oerlikon sowie in zahlreichen weiteren Gemeinden eröffnet werden. Mit wachsendem Filialnetz sollen die Preise dann auch noch weiter sinken.
Auch der deutsche Discounter Lidl plant die Schweiz zu beackern und hat Verträge für 70 Standorte in der Tasche. Für 20 Geschäfte hat Lidl bereits die Baubewilligung erhalten.
Geiz ist geil
Ein weiterer Player, der dem Schweizer Retail im UE-Bereich das Wasser abgraben will, ist der deutsche Elektronik-Discounter Saturn. In den kommenden drei Jahren gedenkt Saturn, der mit dem Werbeslogan «Geiz ist geil» lautstark um Aufmerksam heischt, acht Fachmärkte aus dem helvetischen zu Boden stampfen. Gesucht werden Standorte, die für Märkte zwischen 2500 und 5000 Quadratmeter Platz bieten. Aufgebaut werden soll die Saturn-Kette hierzulande unter der Führung von Guido Renggli, CEO der Media Markt-Gruppe Schweiz.
Unterdessen spinnt auch die Saturn-Schwester Media Markt ihr Netz weiter. Im Oktober wurde der 15. Media-Markt in Muri eröffnet, bis 2007 sollen weitere in Genf, Oftringen, Zürich und Biel ihre Pforten öffnen. «Mit dem Geschäftsverlauf sind wir zufrieden und sind auch zuversichtlich, dass wir mit einem erfreulichen Weihnachtsgeschäft rechnen können», sagt Renggli gegenüber IT Reseller. Sorgen bereite ihm nach wie vor der starke Preiszerfall, obwohl sich dieser in letzter Zeit nicht mehr verstärkt habe. Auch den Internet-Handel betrachtet Renggli als zunehmend stärkeren Mitbewerber. «Unser Vorteil gegenüber diesen Anbietern ist aber neben dem Dauertiefpreis die grosse Auswahl und vor allem die sofortige Warenverfügbarkeit.», so der Media-Markt-Chef.
Die neuen Mitbewerber Aldi und Lidl werden bei Media Markt zumindest ernstgenommen. «Solange diese aber nicht eine flächendeckende schweizweite Abdeckung erreichen, dürfte ihr Einfluss eher marginal sein». konstatiert Renggli. «Im übrigen wissen wir aus dem Ausland, wie wir uns erfolgreich gegen solche Anbieter verhalten müssen.» (sk)
Köbi sei Dank
Die Qualifikation der Schweizer Nationalmannschaft für die Fussballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland hat dem Geschäft mit LCD- und Plasma-Bildschirmen, die sowieso schon ein Renner sind, einen zusätzlichen Schub verpasst. Hier ist die Nachfrage momentan so gross, dass im schlimmsten Fall nicht genügend Ware zur Verfügung steht.
Zudem laufen – da sind sich die Retailer einig – Harddisc-Recorder, MP3-Player, portable DVD-Player sowie portable Auto-Navigationssysteme sehr gut. Auch Heim-Netzwerke erfreuen sich grosser Beliebtheit. Neben den Notebooks erlebt der Retail ein Revival der Desktop-Computer mit allen Multimedia-Schikanen. Im Fotobereich schliesslich befinden sich Herr und Frau Schweizer auf «Pixeljagd» – im Trend liegen Kameras mit möglichst vielen Megapixeln sowie digitale Spiegelreflexkameras.
Beobachtungen internationaler Märkte – wie etwa den USA – haben gezeigt, dass dort eine Bewegung weg von grossen Discountern, hin zu spezialisierten grossen und mittleren Fachgeschäften stattfindet. Bleibt abzuwarten, wie sich die Kunden hierzulande verhalten werden. (sk)