Der Kunde ist der Boss

Zwar wird der IT-Projekt-Markt weiterhin mit Wachstum rechnen können, aber Verkaufs- und Vertriebskompetenz sind die entscheidenden Erfolgskriterien. ­Spezialisierung ist der Weg, der Kampf an allen Fronten birgt zu viele Gefahren.

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/01

     

Der Verkauf von Hardware, das heisst von PCs, Servern, Druckern und Netzkomponenten, rechnet sich längst nur noch für eine Handvoll Systemhäuser, welche aufgrund der hohen abgesetzten Stückzahlen die für dieses Geschäft so wichtige kritische Masse erreichen können. Andere, vor allem kleinere und mittlere Integratoren, versuchen schon seit geraumer Zeit, ihre schwindenden Umsätze und Gewinne durch den Ausbau ihres Leistungsportfolios in Richtung Dienstleistungen aufzufangen.
Wer dies nicht bereits vor zwei bis drei Jahren umgesetzt hat, sieht sich heute aber mit einem Markt konfrontiert, welcher ähnliche Symptome zeigt wie der Hardwaremarkt vor zehn Jahren: Sinkende Wachstums­raten, Überkapazitäten, schrumpfende Margen, zunehmende Standardisierung und Ausnivellierung bisheriger Differenzierungsmerkmale – was dar­aus folgt, kennen wir: harter Preiskampf und gnadenloser Wettbewerb um Marktanteile.

Zwei Drittel für Projektgeschäfte Zwei Drittel für Projektgeschäfte

Bei genauer Betrachtung der Leistungsangebote der «neuen» IT-Dienstleister – hervorgetreten aus der Masse der einst schwergewichtig im Resalemarkt tätigen Systemhäuser –stellt man fest, dass diese hauptsächlich um die Bereiche Hardware-Support-Services und Help-Desk-Dienste angesiedelt sind. Den eigentlichen Projektmarkt teilen sich aber mehrheitlich immer noch die seit längerer Zeit etablierten Serviceunternehmen.
Der IT-Projektmarkt, wie wir ihn in dieser Betrachtung definieren, umfasst die Bereiche Softwareentwicklung, Beratung und Implementierung, resp. Systemintegration (Hardware, Software, Netzwerke und Telekom). Die Ausgaben für IT-Projekte nach dieser Definition machten 2005 etwas mehr als einen Drittel der Gesamtausgaben der Schweizer Anwender für IT-Dienstleistungen aus.

Zwischenhoch für Individualsoftware

Obwohl sich der Projektmarkt bis 2007 mit Blick auf die Zuwachsraten mit Werten zwischen 3,5% und 3,7% aus heutiger Sicht annähernd stabil entwickeln wird, weisen die einzelnen Teilbereiche des Projektmarktes differenzierte Wachstumspfade auf. Die individuelle Anwendungsentwicklung, deren rückläufiges Wachstum schon seit einigen Jahren vorausgesagt wurde, hat seit 2003 mit Zuwachsraten im positiven Bereich nochmals zulegen können. Aufgrund des hohen Kostendruckes in den Unternehmen wurden hier bestehende Umgebungen nachgerüstet, anstatt in neue Applikationen investiert.
Trotzdem: Der Trend in Richtung standardisierte Anwendungen hält weiter an. Die Wachstumsraten im Bereich der Individualsoftware wird in den kommenden Jahren rückläufige Tendenzen aufweisen. So nimmt die Wachstumsrate von 5,0% im vergangenen Jahr auf 3,5% im Jahr 2007 ab.
Im Bereich der ICT-Beratung/Consulting haben sich der Markt von den Tiefschlägen und die aufgrund der zurückgegangenen Anzahl Projekte von einem vorübergehenden Abtauchen betroffenen Honoraransätze wieder erholt. Für die kommenden Jahre bis 2007 erwarten wir weiter anziehende Zuwachsraten von 1,8% auf 3,2%.
Im Bereich der Systemintegration und Implementierung sehen wir vor allem im Schweizer Mittelstand steigende Projektgeschäfte. Die mittleren Unternehmen erkennen zunehmend, dass sie durch extern erbrachte Services Kosten einsparen können. So steigen die Wachstumsraten im Betrachtungszeitraum 2005–2007 von 3,9% auf 4,2%.

Fazit

Der IT-Projektmarkt wird auch in den kommenden Jahren weiter zulegen können, wenn auch mit unterschiedlichen Wachstumsraten in den einzelnen Bereichen.
Gerade kleine und mittlere Systemhäuser, welche ihre Dienstleistungspalette auf Support, Wartung und Help-Desk beschränkt haben, werden den Ausbau in Richtung «wertschöpfungsträchtigere» Dienstleistungen ins Auge fassen müssen. Dabei drängen sich Angebote im Bereich der ­Managed Services und Outsourcing auf. Allerdings verfügen gerade die kleineren Anbieter oftmals nicht über ausreichende technische Kapazitäten und das Vertriebs-Know-how, um in diesen Markt einzusteigen. Hier spielen im Vergleich zum bisherigen Geschäft andere Entscheidungskriterien beim Kunden eine Rolle, und die anzusprechende Zielgruppe C-Level erfordert im Gegensatz zum bisherigen Kundenkontakt auf technischer Ebene einen gänzlich neuen Ansatz. Der Salesapproach und die Vertriebskompetenz stellen in diesem Geschäft die entscheidenden Erfolgsfaktoren dar. Hier geht es um wirkliches «Complex IT-Selling».
Der Weg zu neuen Ufern ist also ­anspruchsvoll und nicht ohne Risiko. Angesagt ist Spezialisierung auf einen der grundsätzlich möglichen Bereiche. Kampf an vielen Fronten wird die kleineren und auch grösseren Anbieter überfordern, Schritte auf unbekanntem Terrain bergen zuviele Gefahren.
Es gilt, die angestammte Kundenbasis hinsichtlich neuer Servicepotentiale auszuloten und die Möglichkeiten, ­resp. Erfolgsaussichten im gemeinsamen Gespräch mit den Kunden zu erörtern. Der Kunde ist das Mass aller Dinge.

Der Autor

Philipp A. Ziegler ist Gründer und Geschäftsführer von MSM Research AG und Ziegler Management Consulting. Das Management-Consulting- und Marktforschungsunternehmen MSM Research ist vor allem für IT- und Kommunikationsunternehmen tätig, während sich Ziegler Management Consulting auf Executive-Beratung von IT- und Industrieelektronik-Unternehmen spezialisiert hat.
www.msmag.ch, info@msmag.ch


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