Alles will nach Hannover

91 Schweizer Aussteller präsentieren sich vom 9. bis 16. März in Hannover auf der Cebit einer weltweiten Öffentlichkeit. IT Reseller wollte wissen, was die Schweizer Firmen zur kostspieligen Teilnahme am Mega-Event bewogen hat, was sie sich davon erhoffen und ob sich das Abenteuer für sie rechnet

Artikel erschienen in Swiss IT Reseller 2006/04

     

91 Schweizer Aussteller in diesem Jahr, das sind 23 mehr als die 68 vom letzten Jahr, allerdings noch knapp weniger als die 100 von 2004. Dennoch: Die sprunghafte Zunahme im Vergleich zum Vorjahr ist ein untrügliches Zeichen dafür, dass es der aufwärts geht mit der Schweizer ICT-Branche. «Die Schweiz ist immer unter den ersten 10 ausländischen Ausstellernationen», sagt Isabelle Wanner, Projektleiterin von der Deutschen Messe in Hannover, zu IT Reseller. Und wir kommen an in Deutschland: «Die Schweizer zeigen Kontinuität und Zuverlässigkeit, auch in den neuen Technologien. Zudem wird die Sprachgewandtheit der Schweizer Aussteller immer wieder als Pluspunkt gewertet von unseren Besuchern», so Wanner weiter.

Hohe Qualität der Kontakte

Die Schweizer können sich auch verkaufen: Mit dem Prädikat «bomben­sicher» geht etwa Swiss Data Safe aus Amsteg im Kanton Uri auf Kundenfang. Das Unternehmen hat sich vor einiger Zeit in ehemaligen Festungsanlagen der Schweizer Armee am Gotthard eingemietet: «Zusammen mit dem Fraunhofer Institut IPM in Freiburg im Breisgau haben wir eine Technik entwickelt, die es erlaubt, digitale Daten für bis zu 100 Jahre wartungsfrei zu archivieren», sagt CEO Dolf Wipfli. Im Vorjahr habe man auf der Cebit das Konzept vorgestellt und sei auf grosse Resonanz gestossen: «Eine neue Technik mit dieser Tragweite ist geradezu ideal, um einem breiten Publikum präsentiert zu werden und den Ball ins Rollen zu bringen. Es ergeben sich dort sehr gute internationale Kontakte», so Wipfli weiter. Die Messe sei allerdings vor allem dann interessant, wenn man sich nicht im Mainstream bewege. Dann erhalte man auch die entsprechende Aufmerksamkeit.
Nach Hannover fährt erneut auch der Bassersdorfer Komponentendisti Rotronic: «Für uns ist die Cebit als weltweit wichtigste IT-Messe ein Muss. Wir nutzen den Anlass, um unsere internationale Ausrichtung zu unterstreichen, den Kontakt zu bestehenden Distributoren zu pflegen und neue Märkte zu erschliessen», sagt Christian Zengaffinen, Leiter Kommunikation und Werbung. Rotronic sei seit über zehn Jahren an der Cebit präsent und habe damit durchwegs positive Erfahrungen gemacht. Allerdings sei es schwierig zu beurteilen, ob sich die Präsenz in Deutschland auch in hartem Umsatz niederschlage: «Das ist schwer messbar, zumal für uns in erster Linie die Betreuung unserer Distributoren und Stammkunden im Vordergrund steht», so Zengaffinen zu IT Reseller.

Auf Partnersuche

CT Module ist ein Schweizer Hersteller von Produkten im Bereich von integrierten Telekom- und Internet-Applikationen. «Unter anderem führen wir eine Appliance im Angebot, die Cisco-Partnern hilft, die IP-Telefonie-Lösung für KMU besser zu verkaufen. Die Cebit eignet sich hervorragend dafür, dass wir den internationalen Kreis der Cisco-Partner schnell und persönlich angehen und kennenlernen können», sagt Geschäftsführer Jürg Fund. Bereits in den Jahren 2004 und 2005 war CT Module an der Cebit vertreten gewesen. Nicht zuletzt dank dieser Plattform habe der kleine Schweizer Anbieter seine Bekanntheit ausbauen und das Vertrauen von Kunden und Partnern in die Firma fördern können. Wenn auch einzelne Projekte aquiriert worden seien, lasse sich eine konkrete Schlussrechnung nach solch einer Veranstaltung nicht so einfach machen: «Der Wert dieser internationalen Ausstellung liegt zu einem grossen Teil in imaginären Werten. Die Teilnahme muss deshalb als Investition in die Zukunft angesehen werden», so Fund weiter.
Nach Deutschland drängt auch Europa 3000. Die ERP-Lösung für den Handel und die Industrie ist in der Schweiz vornehmlich bei kleinen Unternehmen mit bis zu 50 Mitarbeitenden im Einsatz. In Deutschland soll jetzt der untere Mittelstand besetzt werden. «Im Vordergrund steht deshalb jetzt der Aufbau eines Partnerchannels in Deutschland. Deshalb engagieren wir uns an der Cebit», sagt Marzio Tomasetto, Country Manager Deutschland von Europa 3000. Tomasetto rechnet mit 50 bis 100 qualitativen und ausbaubaren Kontakten im Partner- und Endkundenbereich. Europa 3000 ist zum letztenmal im Jahr 2001 an der Cebit vertreten gewesen. Die Erfahrungen würden allerdings zeigen, dass die Marktvorbereitung ausschlaggebend sei: «Je konzentrierter diese erfolgt, desto erfolgreicher wird die Messe ablaufen. Das gilt auch für nationale Messen in der Schweiz», so Tomasetto. Der Unterschied liege dann aber darin, dass sich Schweizer Unternehmen an der Cebit mehr engagieren müssten. Eine «Milchbüchleinrechnung» für die Aufwände werde allein schon darum nicht gemacht, weil die Präsenz an der Messe ein zentrales Element des Markteintrittskonzeptes für Europa 3000 in Deutschland darstelle.

Der «Weltmarkt Deutschland» lockt

Keinen Hehl aus ihren Deutschland-Ambitionen macht auch die Surseer Bison Group: «Anlässlich der kürzlich angekündigten Kooperation mit der deutschen Soft-M haben wir gezeigt, dass wir uns als führendes Schweizer Softwarehaus auch ausserhalb der Landesgrenzen bewegen», sagt Daniel Renggli, Leiter Marketing und Kommunikation bei Bison Schweiz. Aufgrund des vergleichsweise grossen deutschen Marktes sei die Teilnahme an der Cebit daher ein Muss für die Bison Group: «Durch unsere Partnerschaften mit IBM und Soft-M sind wir gleich dreifach vertreten an der Messe», so Renggli. Das Unternehmen gehört denn auch zu den regelmässigen Ausstellern in Hannover: «Die Erfahrungen der letzen Jahre waren durchwegs positiv», schwärmt Rengg­li. Damit sich die Präsenz an der Cebit aber rechne, seien optimale Vorbereitungen notwendig. Nur so könnten nämlich die vielen an der Messe gewonnenen Kontakte im Anschluss systematisch bearbeitet werden: «Ich bin aber jetzt schon zuversichtlich, dass sich auch die diesjährige Präsenz für Bison lohnt», so Renggli abschliessend.
Gute Erfahrungen mit der Messe hat auch Stephen Neff, Vice President Sales & Business Development der Firma Legic aus Wetzikon, gemacht: «Trotz all der Kritik, dass sich die Veranstaltung von einer Business- zu einer Consumer-Messe wandle, sind wir wieder dabei», sagt er zu IT Reseller. Nach jedem Jahr analysiert der Anbieter von Smart-Card-Systemen für die Personenidentifikation seine Messe-Resultate sorgfältig: «Wir waren die letzten drei Jahre immer dabei und haben dort im Jahr 1992 sogar unser erstes Produkt lanciert», so Neff. Glücksgöttin Fortuna habe aber auch ihre Finger im Spiel, nämlich bei der Standzuteilung: «Die Plattform ist sehr gut, aber es kommt schon drauf an, ob man in der richtigen Halle landet», so Neff. Wenn es einen nämlich in eine Halle verschlagen würde, in der plötzlich ein anderes Zielpublikum verkehre, dann seien die Resultate mit Sicherheit schlechter.

Ausländische Firmen hierher locken

Die Cebit wird aber auch dazu verwendet, ausländische Unternehmen in die Schweiz zu locken. Genau ­dies ist der Job von Greater Zurich Area, der Standortmarketing-Organisation für den Grossraum Zürich: «Die Cebit ist für uns eine gute Gelegenheit, um den Unternehmensstandort Greater Zurich Area deutschen und internationalen ICT-Unternehmen vorzustellen», sagt Kommunika­tionschefin Marion Graber. Im persönlichen Austausch mit den ­Firmenvertretern werde auf die ­Vorteile der Region hingewiesen: ­Hervorragende Infrastruktur, hoch­qualifizierte Arbeitskräfte und attraktive Steuermodelle, wie etwa die zentralisierte Verwaltung von geistigem Eigentum wie Softwarelizenzen. Die Organisation war schon in den letzten beiden Jahren an der Cebit präsent und hat dort kräftig die Werbetrommel für Zürich gerührt: «Wir hatten jeweils interessante Gespräche mit Unternehmen, die am Standort Schweiz interessiert waren. In letzter Zeit ist vor allem auch eine Zunahme von Unternehmen aus dem asiatischen Raum zu ­beobachten», so Graber. Diese wolle man dafür gewinnen, ihren ­europäischen Hauptsitz in der Greater Zurich Area zu eröffnen. (bor)


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