Die Schweizer Assemblierer von Rechnersystemen hatten lange Zeit einen Sonderstatus im Vergleich zu den umliegenden Ländern Europas: Schweizer Unternehmen waren viel eher bereit, Desktop-PCs, Notebooks und Serversysteme von einem hiesigen Anbieter zu kaufen. Eine starke Kundenbindung, lokale Nähe, ein hohes Qualitätsbewusstsein und ein grundlegendes Vertrauen in das Technikverständnis des Anbieters sind auch heute noch der Grund, weshalb Firmen bereit sind, für Maschinen von kleinen, lokalen Herstellern mehr Geld auszugeben als für Rechner von A-Brand-Herstellern.
Radikaler Wandel seit zwei Jahren
Doch innerhalb der letzten ein bis zwei Jahre hat sich dieser Markt radikal geändert. Gemäss dem Branchenkenner- und Marktforscher Robert Weiss lag der Anteil der hierzulande assemblierten Geräte 2002 noch bei 21,3 Prozent, sank dann 2003 und 2004 auf rund 19 Prozent und im letzten Jahr sackte der Anteil um einen Fünftel auf noch 15,3 Prozent ab (vgl. Kasten Seite 32). In Franken ausgedrückt sank gemäss Weissbuch 2005 innerhalb eines Jahres der Umsatz mit hierzulande «zusammengeschraubten» Rechnern von 415 Millionen Franken um 8,1 Prozent auf 382 Millionen Franken. Das bedeutet: 33 Millionen Franken Umsatz gingen aufgrund des Preiszerfalls und an grosse Hersteller von A-Brands wie HP,
Fujitsu Siemens,
Lenovo etc. verloren. Wenn sich dieser Trend im laufenden Jahr nur einigermassen gleich fortsetzt, wird der Umsatz, den Schweizer Hersteller von Desktop-PCs, Notebooks und Servern generieren, dieses Jahr auf rund 350 Millionen Franken sinken.
Kleine haben (fast) keine Chance
«Kleine Assemblierer mit bis zu 1000 Einheiten pro Jahr bekommen immer grössere Probleme», sagt denn auch Robert Weiss, «es wird eine Konzentration auf einige wenige grosse Assemblierer geben, die zwischen 5000 und 10’000 Einheiten pro Jahr produzieren.»
Laut Weissbuch gehören
Brack, Elonex,
Littlebit,
Microcontrol,
Panatronic, PC Hai,
Rotronic,
Steg und Top D zu den Schweizer Assemblierern, die zwischen 3000 und 30’000 Einheiten pro Jahr verkaufen. Sehr viele kleine Assemblierer gibt es aber dennoch, die bloss 1000 bis 2000 Rechner pro Jahr zusammenbauen.
Konzentration auf Nischenmärkte
Als Gründe für den aktuell noch nicht ausgestandenen Konsolidierungsprozess nennt Weiss die zu hohen Entstehungskosten pro Einheit: «Wer nicht wie Distributoren Komponenten in höheren Stückzahlen zu tiefen Preisen einkaufen kann, hat kaum eine Chance. Heute kann man nicht mehr wie früher eine Garage aufmachen und anfangen zu nageln», fasst Weiss die Realität zusammen, die mittlerweile auch in der Schweiz ihre Gültigkeit hat.
Denn grundsätzlich bekommen, so Weiss, Assemblierer, die sich nicht auf Nischenmärkte konzentrieren, auch hierzulande immer grössere Konkurrenz durch die Anbieter von Billigprodukten aus Deutschland (Medion), Taiwan (Asus) und — wie Weiss in Anspielung auf
Lenovo sagt — auch bald aus China immer stärkere Konkurrenz. «Diese Billigangebote der Mainplayer können von den Assemblierern nicht oder dann nur sehr schwer unterboten werden und sind häufig ein Verlustgeschäft», so Weiss weiter.
Mit Zusatzgeschäften kompensieren
Für kleinere Hersteller gelte deshalb: «Diese Verlustgeschäfte oder Geschäfte mit sehr tiefen Margen müssen mit Zusatzgeschäften wie Netzwerkbau, Beratung oder Schulung ausgeglichen werden können.»
So rät denn Robert Weiss grundsätzlich den Assemblierern, ihre Trümpfe wie Kundennähe und Spezialisierung auszuspielen, um im Projektgeschäft erfolgreich zu sein. Wenn man sich eine Nische suche, könne man sogar im Servergeschäft, selbst im Hochpreissegment, als Schweizer Anbieter erfolgreich sein, meint Weiss.
Diese Aussage belegt Weiss mit den Daten aus seiner aktuellen Erhebung: Laut Weissbuch 2005 stieg der Umsatz mit Serversystemen von hiesigen Anbietern von 54 Millionen Franken 2004 um 20,4 Prozent auf 65 Millionen Franken im letzten Jahr.
Desktop-Anteil schrumpft weiter
Dennoch: Dramatisch ist der Zerfall des Marktanteils von Schweizer Assemblierern im Desktop-Bereich. Zwar konnten sich die Tischrechner noch vor fünf Jahren über einen starken Marktanteilsgewinn erfreuen und nahmen 2002 laut Weissbuch mit 28,9 Prozent den höchsten Anteil innerhalb der letzten Jahre ein. Von 2004 auf 2005 sackte jedoch der Marktanteil der «Desktop-PCs made in Switzerland» jäh von 27,2 auf 21,0 Prozent ab. Im letzten Jahr sank dann der Anteil der Desktop-PCs am Gesamtmarkt auf ein Fünfjahrestief von 21 Prozent.
Umsatzmässig veränderte sich der Desktop-Bereich noch dramatischer: Laut Weissbuch machte 2004 der Umsatz mit Tischrechnern noch 289 Millionen Franken aus und sank im 2005 um 26,2 Prozent oder 76 Millionen auf gerade noch 213 Millionen Franken. Die Verluste gingen hier klar zulasten der grossen A-Brand-Hersteller und Billigware. Im Desktop-Bereich gehören denn auch lediglich die grossen nationalen Anbieter zu den Gewinnern.
Steg schafft es mit im letzten Jahr assemblierten 37’800 Desktop-PCs unter die Top 10 der Hersteller im Gesamtmarkt.
Hoffnungsschimmer Notebooks
Trotz all den Hiobsbotschaften aus dem Hause Weiss gibt es eine grosse Hoffnung für Schweizer Assemblierer: das Geschäft mit Notebooks. Hier wuchs laut Weissbuch der Marktanteil am Gesamtmarkt kontinuierlich von 5 Prozent im 2003 auf 6,4 Prozent im 2004 und 8,1 Prozent im 2005. Insgesamt, so Weiss, wurden im letzten Jahr 52’000 mobilen Geräte in der Schweiz zusammengebaut und verkauft.
Weiss: «Mobile Systeme werden für Assemblierer wie Jet,
Littlebit,
Steg und Micro Control immer interessanter. Das Assemblieren von Notebooks ist in den letzten paar Jahren sehr viel einfacher geworden. Nicht nur dank den Barebone-Systemen.»
Bestätigung durch Branche
Die Zahlen, die Weiss übrigens aufgrund von Auswertungen seiner Fragebogen, persönlichen Gesprächen und Absatzzahlen von Boards, Gehäusen, Prozessoren, Festplatten und Betriebssystem-Lizenzen erhebt, werden gestützt durch Aussagen der Assemblierer, die an der diesjährigen Umfrage von IT Reseller teilgenommen haben. Zwar glauben einige, dass sich ihr Umsatz mit Assemblierung in diesem Jahr entweder im tiefen oder höheren einstelligen Prozentbereich positiv entwickeln wird, es gibt aber auch Stimmen, die sagen, sie rechnen für 2006 mit weniger Umsatz als im letzten Jahr.
Die grössten Wachstumschancen sehen die Befragten mit 50 Prozent der Aussagen im Bereich Media Center, gefolgt von rund 30 Prozent mit Notebooks für Business-User. Einige sagen sogar, das grösste Wachstum erwarte man in diesem Jahr mit Server-Systemen. Mit Gaming-PCs seine Umsätze markant steigern zu können glaubt hingegen kaum einer der Befragten.
Ein interessantes Resultat liefert die Frage nach der Margensituation mit Assemblierung: Die meisten geben an, eine zweistellige Marge zu erzielen, ein Teil sagt, man komme auf eine Marge von zwischen 6 und 10 Prozent und gar keiner der Befragten gab an, eine Marge von unter 5 Prozent zu erreichen.
Media Center ja, aber wie?
Apropos Media Center: Wir stellten auch die Frage, welcher Ansatz sich auf Dauer in diesem Bereich durchsetzen werde. Die grosse Mehrheit glaubt, dass sich der PC im Wohnzimmer, also der Ansatz von A- und B-Brands in Kombination mit
Microsoft Media Center als Betriebssystem durchsetzen wird.
Immerhin noch ein Drittel setzt auf Intels Viiv-Strategie, also auf viele mobile Geräte im Wohnbereich. Und nur eine Minderheit gibt AMDs für den Wohnbereich geräuscharme Live-Ansatz eine Chance, demgemäss ein Rechner in einem Arbeitszimmer als Server von den gesamten im Heim vernetzten Geräte angesteuert wird. Kommt Zeit, kommt Rat.
Chancen und Risiken
Die Schweizer Assemblierer (oder zumindest diejenigen, die an unserer Umfrage teilgenommen haben) scheinen offenbar ihr Geschäft einschätzen zu können und ihre Hausaufgaben gemacht zu haben. Grundsätzlich teilen die Befragten die Meinung des Marktforschers Weiss. So sieht beispielsweise Stefan Keller, Geschäftsleiter von
Computer Broker, seine Chancen in Spezialsystemen und als grösstes Risiko die grossen Hersteller mit den tiefen Preisen. Ähnliches konstatiert auch Bernhard Schmutz, Geschäftsleiter von DM Electronics: «Man hat als Assemblierer immer weniger Chancen, weil grosse Brands Betriebssystem-Lizenzen und Komponenten wesentlich billiger erhalten als Schweizer Assemblierer.»
Auch Roland
Brack, Besitzer des Distributors und Assemblierers Brack Electronics, sieht das ähnlich: «Man muss sich als Schweizer ASsemblierer auf Nischen spezialisieren, die A-Brand-Hersteller nicht abdecken können», sagt Brack.
Erzfeind Dell
Den Feind beim Namen nennt Daniel Gisler, der bei Logotex für Verkauf, Einkauf und Marketing verantwortlich ist: «Das grösste Risiko im Assemblierer-Geschäft ist
Dell, Dell und nochmals Dell», sagt er, «deshalb liegen unsere Chancen im Anbieten von Support und Dienstleistungen.» Für Gisler ist das Assemblieren sowas wie eine stetige Lerngarantie: «Mit dem Assemblierungsgeschäft erreichen wir die nötige Nähe zu den aktuellen Hardware-Angeboten und Trends», sagt der Logotex-Mann.
Klein geht auch
Und last but not least fasst die Aussage von Max Ochsner, CEO von NS Solutions, die Markterhebungen von Robert Weiss und die Umfrageresultate von IT Reseller zusammen: «Wir haben als Schweizer Assemblierer dann eine Chance, wenn wir uns spezialisieren. Blackstor tut dies mit der Built-to-Order-Herstellung von Sondersystemen», sagt Ochsner. Es gebe nämlich nur sehr wenige professionelle Anbieter, gerade bei Serversystemen werde sehr viel «gebastelt».
Das Wissen der Assemblierer in dieser Sparte sei eher mager, sagt Ochsner. Gut für NS Solutions, deren Eigenmarke Blackstor offenbar ein Erfolg ist: «Ein PC mit einem Server OS macht noch lange keinen Server aus», sagt Ochsner. NS Solutions stellt laut eigenen Angaben jährlich zwischen 400 und 500 Systeme der Marke Blackstor her. (mh)